Die Tat passierte vor laufender Kamera: Knapp sechs Monate nach einem tödlichen Prügelangriff auf einen schlafenden Obdachlosen (38) prüft das Bochumer Schwurgericht in einem Sicherungsverfahren eine Zwangseinweisung des mutmaßlichen Täters aus Lünen. Der 22-Jährige gilt als psychisch krank und deswegen schuldunfähig.
Es war die Nacht auf den 26. Juli 2024, als sich das spätere Opfer, ein angetrunkener Wohnungsloser, im Bereich der Schließfächer am Bochumer Hauptbahnhof auf den Boden gelegt hatte und eingeschlafen war.
Das sollen der Beschuldigte aus Lünen und ein Begleiter gesehen haben, die beide offenbar zeitgleich am Bahnhof auf einen Zug in Richtung Dortmund warteten.
Der 22-Jährige soll an den schlafenden Mann herangetreten, ihn „mit lauten Worten“ geweckt und dann „unverzüglich“ und wie von Sinnen auf ihn eingetreten und -geschlagen haben.
Die Staatsanwaltschaft hat anhand eines Überwachungsvideos mindestens einen Tritt und dann weitere zwölf „heftige, mit der weit ausholenden Faust verursachte Schläge“ gegen den Kopf gezählt – nach dem achten Schlag soll das Opfer bereits bewusstlos gewesen sein.
Dem psychisch kranken Lüner, so Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann, sei dabei „mit natürlichem Willen“ bewusst gewesen, „dass er den Mann durch die schweren Kopfverletzungen töten würde“.
Der 38-Jährige war anschließend noch in ein Bochumer Krankenhaus verbracht worden, wo er jedoch drei Tage später aufgrund eines Schädel-Hirn-Traumas sowie eines Hirnödems verstarb.
Der Beschuldigte aus Lünen war noch in der Tatnacht an einem Bahnsteig festgenommen worden.
„Es war ein komischer Tag“
„Es war ein sehr komischer Tag“, erinnerte sich der Beschuldigte zum Auftakt des Sicherungsverfahrens zurück. Nach einem Streit mit seiner Familie habe er damals bereits wochenlang nicht mehr in Lünen, sondern „bei Kollegen“ geschlafen.
Weil er keine Medikamente dabeigehabt habe, habe er tagein tagaus „getrunken, gekifft und geraucht“. In der fraglichen Nacht habe er plötzlich wieder eine Psychose entwickelt. „Ich war komplett aus der Spur“, so der Beschuldigte. „Ich hatte eine kurze Zündschnur.“

Als er den schlafenden Obdachlosen an den Schließfächern betrachtet habe, will er dann plötzlich bei dem Mann „Schlangenaugen“ gesehen haben. „Sein linkes Auge war offen“, so der 22-Jährige.
„Ich habe Panik bekommen, aus Angst wurde Hass, irgendwann ist es dann aus mir herausgeplatzt. Es waren aber nur drei Schläge und keine Tritte. Und ich hatte niemals die Absicht, dass er stirbt.“
„Das ist Fake“
Als Richter Volker Talarowski vorne am Richterpult auf einem Laptop das Überwachungsvideo von der Tat abspielt und der Beschuldigte die brutale Härte seines Tritts und der Faustschläge realisiert, entgleisen ihm die Gesichtszüge.
„Das ist Fake. Das kann doch nicht wahr sein. Das bin nicht ich“, ruft der Lüner sichtlich schockiert.
Vor dem Bochumer Schwurgericht geht es auch noch um eine weitere Gewalttat in Bochum. Am 19. Mai 2024 soll der 22-Jährige gegen 9.50 Uhr am Bahnhof Langendreer auf einem Bahnsteig einen anderen Mann brutal zusammengeschlagen haben.
Das Opfer damals erlitt laut Staatsanwaltschaft blutende Wunden und Schwellungen im Gesicht.
Prügelattacke als Mord eingestuft
Strafjuristisch werden die Vorfälle von der Staatsanwaltschaft als (heimtückischer) Mord und gefährliche Körperverletzung eingestuft. Die Verhängung von Haft gegen den Beschuldigten ist aber von vorneherein absolut ausgeschlossen.
Im aktuellen Sicherungsverfahren geht es mit Blick auf eine diagnostizierte paranoide Schizophrenie ausschließlich um die Prüfung, ob der mutmaßliche Gewalttäter als unberechenbare Gefahr für die Allgemeinheit einzustufen und deswegen auf unbefristete Zeit in eine geschlossene Straftäter-Psychiatrie einzuweisen ist. Ein Urteil wird frühestens Ende Januar fallen.