Wer durch den Südausgang am Hauptbahnhof in Dortmund hinausgeht, der sieht sie sofort und in der Innenstadt sind sie ebenfalls anzutreffen: die Obdachlosen. Auch nachts und bei niedrigen Temperaturen liegen sie in der Innenstadt. Zuletzt sind mehrere Obdachlose in Dortmund in der Kälte gestorben. Auch in Lünen hat im Januar ein Obdachloser im Wald die Nacht verbracht und ist gestorben – aber nicht wegen der Kälte. „Man säuft sich den Schmerz und die Kälte weg“, weiß Jens Rabenstein aus Lünen, der selbst im Winter schon obdachlos war. Doch wie wird in Lünen diesen Menschen geholfen, die keine eigene Bleibe zum Schlafen haben?
Diese Frage kann Susanne Thoma beantworten. Sie ist seit über 16 Jahren im diakonischen Werk angestellt, seit einem Jahr arbeitet sie in der Wohnungslosenhilfe in Lünen. Hier hat sie mittlerweile eine leitende Funktion. Sie weiß: Zum großen Teil muss niemand draußen schlafen.

Kein Hunde erlaubt
Denn es gibt nur wenige Kriterien, weshalb ein Wohnungsloser nicht in Gahmen in die Unterkunft der Diakonie aufgenommen wird. Diese Unterkunft, in der nur Männer unterkommen können, hat insgesamt rund 25 Schlafplätze. Hunde sind dort nicht erlaubt. Außerdem dürfen dort keine Drogen oder Alkohol konsumiert werden – auch wenn Thoma zugibt, dass zwar kontrolliert wird, diese Kontrollen aber nicht so einfach sind. Wer sich nicht benehmen kann, bekommt ein Hausverbot erteilt. „Das sind alles Einzelfallentscheidungen. Es gibt einfach kein Schwarz-Weiß-Denken, sondern es gibt viele Grautöne“, sagt Thoma.
Frauen, die wohnungslos sind, sind im Stadtbild weniger sichtbar und haben in vielen Fällen eine Möglichkeit, die Nacht zu verbringen, versichert die Diakoniemitarbeiterin. „Die Stadt hat ein paar Stellen, in denen sie Frauen unterbringen können“, sagt Thoma und führt fort: „Wir bieten einmal in der Woche hier bei uns ein Treffen für Frauen an. Dann kommt eine Kollegin vom Frauenforum zu uns, die ebenfalls sieben Schlafplätze betreut.“
Übernachtungsschein der Stadt
Wer wohnungslos ist und in Gahmen übernachten möchte, der muss sich bei der Stadt einen Übernachtungsschein ausstellen lassen. „Der gewöhnliche Aufenthaltsort muss natürlich in Lünen sein. Es geht nicht, dass man sich die ganze Zeit in Dortmund aufhält und nur zum Schlafen nach Lünen kommt“, so Thoma.
Außerdem muss man mindestens 18 Jahre alt sein, um den Schein ausgestellt zu bekommen. Dieser wird von der Stadt Lünen immer montags von 8 bis 12.30 Uhr im Rathaus ausgestellt und ist in der Regel eine Woche gültig. Sollte man länger als zwei Nächte in Gahmen übernachten wollen, muss ein ärztlicher Nachweis vorgelegt werden, dass die Lunge TBC-frei ist, „die Kosten für den Nachweis werden übernommen“, heißt es auf der Webseite der Diakonie. Die Übernachtungsstelle für wohnungslose Männer hat täglich von 18 bis 8 Uhr geöffnet.
Tagesaufenthalt in Lünen
Doch was sollen die Wohnungslosen machen, während sie nicht in der Übernachtungsstelle sein können? Thoma erklärt, dass es auch einen Tagesaufenthalt der Diakonie für Wohnungslose an der Pfarrer-Bremer-Straße 6 in Lünen gibt. Diese öffnet von 10 bis 16 Uhr. „Wir bieten dort ein Frühstück an aus belegten Brötchen. Wir bekommen dafür Spenden von Stolzenhoff und Rewe Hübner“, sagt Thoma und drückt dabei ihre Dankbarkeit für die Hilfen aus.
Ansonsten geht es im Tagesaufenthalt darum, den Wohnungslosen einen trockenen und warmen Aufenthaltsort zu geben. Auch für Unterhaltung ist durch einen Fernseher gesorgt.
Angewiesen auf Spenden und Ehrenamt
Bei ihrer Arbeit mit den rund 300 Personen, die von der Beratungsstelle der Diakonie betreut werden, sind Thoma und ihre Mitarbeiterinnen auf Spenden angewiesen. Eine grundlegende Sache ist dabei besonders wichtig: Hygieneartikel. „Was wir immer sehr, sehr viel gebrauchen können, vor allem in der Männer-Übernachtungsstelle, sind zum Beispiel Waschpulver, ein Einmal-Rasierer und Duschgel.“ Gerade das Waschmittel ist besonders wichtig, da die Wohnungslosen in der Übernachtungsstelle die Möglichkeit haben, ihre Wäsche zu waschen und trocknen zu lassen. „Dementsprechend hoch ist der Verbrauch“, so Thoma.
Neben den Spenden kann die Diakonie noch helfende Hände gebrauchen, die sie bei ihrer Arbeit ehrenamtlich unterstützt. Bei dieser Arbeit geht es vor allem darum, Post zu sortieren und zu verteilen – die Diakonie bietet den Wohnungslosen eine Postanschrift – oder im Tagesaufenthalt als eine Betreuungsperson oder als eine angestellte Kraft der Diakonie, dort zu unterstützen. „Es ist schwer, Leute zu finden. Wir bieten auch Stellen für das Freiwillige Soziale Jahr und den Bundesfreiwilligendienst an“, sagt Thoma. Voraussetzungen dafür sind, dass man ein polizeiliches Führungszeugnis vorzeigen und, zumindest für das ehrenamtliche Arbeiten, mindestens 18 Jahre alt sein muss.
Ambulantes Wohnen der Diakonie
Susanne Thoma erklärt zudem, dass es neben der Schlafunterkunft in Gahmen noch weitere Hilfen für Wohnungslose und Menschen gibt, die wohnungslos werden könnten: Ambulant betreutes Wohnen (ABW). „Die Zielgruppe sind Menschen ohne festen Wohnsitz oder Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind“, erklärt die Diakonie-Mitarbeiterin. Um das ABW beziehen zu dürfen, muss man vorher einen Antrag stellen, der dann bewilligt werden muss.
Im ABW werden die Menschen noch enger betreut. Refinanziert wird das vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe. In Absprache mit diesem Verband wird außerdem entschieden, wie viele Fachleistungsstunden der Person zugeordnet werden. „Das ABW ist ein bisschen verbindlicher als die anderen Angebote und es wird nur für drei Monate bewilligt. Man hat einen Betreuer, der einen unterstützt und kontrolliert, dass die Post geöffnet und ein Überblick über Schulden behalten wird“, so Thoma. Zudem wird geschaut, dass die Haushaltsführung stimmt. Das ist vor allem dann wichtig, wenn man lange Zeit keine eigene Wohnung hatte und man sich dann die Arbeiten und das Verhalten wieder antrainieren muss. Insgesamt bietet die Diakonie vier Plätze mit zwei Wohnungen dafür an: eine Wohnung mit zwei Plätzen für Frauen und eine Wohnung für zwei Männer.
Probleme bei Job- und Wohnungssuche
Doch eine eigene Wohnung zu finden, wenn man wohnungslos ist, fällt im Moment vielen Menschen schwer. „Das war früher mal ganz anders“, weiß Thoma. Zwar bezahlt das Jobcenter oft diese kleinen Wohnungen, allerdings ist das Angebot weniger geworden und es gibt noch ein zweites Problem: viele der Wohnungslosen, die eine Wohnung suchen, haben Schulden. „In vielen Fällen auch Mietschulden“, weiß Thoma.
Ähnlich schwierig gestaltet sich die Suche nach einer Arbeitsstelle für die Wohnungslosen. Thoma erklärt, dass viele sich erst eine Arbeit suchen wollen, wenn sie eine eigene Wohnung haben. „Ich denke, das hat mit den schlechten Erfahrungen zu tun, die sie erlebt haben. Ich glaube, wenn man das nicht erlebt hat, kann man das nicht nachvollziehen. Vielleicht hat es auch damit was zu tun, dass man keinen privaten Rückzugsort hat“, vermutet sie.
Dementsprechend schwer ist es für Thoma und ihre Mitarbeiter, an dieser Stelle Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn für viele kann schon ein sogenannter „Ein-Euro-Job“ eine große Hilfe sein, wie Thoma erklärt: „Man hat eine Tagesstruktur und soziale Kontakte. Wenn man mit der Arbeitskleidung unterwegs ist, beispielsweise in der Bahn, wird man ganz anders wahrgenommen.“