Musikalische Knüller statt nervtötende Knaller, nach dieser Devise wird seit langem das neue Jahr im Heinz-Hilpert-Theater Lünen begrüßt. Wer Freitagabend (3.1.) die heiter gelöste Stimmung unter den 750 Gästen im ausverkauften Haus erleben durfte, konnte feststellen, dass diese Methode die geeignetere ist, um böse Geister und dunkle Gedanken aus dem Kopf zu vertreiben.
Garanten dafür waren die etwa 50 Künstler der Neuen Philharmonie Westfalen unter der temperamentvollen Leitung des französischen Star-Dirigenten Olivier Tardy, der herausragende junge Violinen-Solist Tassilo Probst und der Moderator Markus Wallrafen, der wieder einmal das Publikum kenntnisreich und gleichzeitig humorvoll durch das gut zweistündige Programm führte.

Höhepunkt früh am Abend
Das unter dem Titel „Molto Virtuoso“ stehende Konzert, was am treffendsten mit „überaus wirkungsvoll“ oder „vortrefflich“ zu übersetzen ist, erfüllte diesen Anspruch gleich beim ersten Beitrag, der volkstümlich schwungvollen Ouvertüre zur „Verkauften Braut“ von Bedrich Smetana. Der zweite Konzerttitel, das Caprice Nr.24 a-moll des Teufelsgeigers Nicolò Paganini, das wegen seiner hohen Anforderungen als nahezu unspielbar gilt, war bereits ein Höhepunkt des Abends.
Der gerade mal 23-jährige Tassilo Probst meisterte ohne Notenvorlage alle Hürden mit Bravour und verband vortrefflich Leichtigkeit mit einer Präzision, die das Publikum staunen und den Verdacht aufkommen ließ, dass zumindest ein Stück des paganinischen Teufels auch in ihm stecken muss.
Das zeigte er auch später bei den „Zigeunerweisen“ von Pablo de Sarasate, bei denen er im ständigen Einklang mit dem Orchester Schwermut mit plötzlich durchbrechender Lebensfreude zu verbinden verstand. Beim Czárdás von Vittorio Monti wurde sicherlich bei vielen der Zuhörenden gleichzeitig das Kopfkino eingeschaltet, in dem die Weite der ungarischen Puszta vor dem inneren Auge in „Cinemascope“ erschien.
Apropos Kopfkino. Das einzuschalten gelang Moderator Wallrafen beim „Säbeltanz“ von Aram Chatchaturjan. Er erinnerte an Billy Wilders legendäre Filmkomödie „Eins, zwei, drei“, in der Lilo Pulver im gepunkteten Rock zu der Melodie auf dem Tisch tanzte, übertrug diese Situation auf die Ampelkoalition. So konnte mancher aus dem Publikum gar nicht anders, als sich beim Erklingen des Säbeltanzes Christian Lindner tanzend im Punktekleid vorzustellen.
Natürlich dürfen bei einem traditionsbewussten Neujahrskonzert die Melodien der Strauß-Dynastie nicht fehlen. Da sorgten die Schnellpolkas von Eduard Strauß „Mit Dampf“ und „Ohne Bremse“ für einen schnellen Geschwindigkeitsrausch, da vermittelte Bruder Johann zum Konzertschluss mit dem Walzer „Wiener Blut“ in Dreivierteltakt Lebenslust und Lebensfreude aus der Donaustadt.
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Traditionsbewusst forderte das Publikum die obligatorische Zugabe, die beim Neujahrskonzert nicht erst seit Karajans Zeiten der Radetzky-Marsch von Johann Strauß Vater ist. Die Dirigenten präsentieren diese Draufgabe stets mit ihrer eigenen persönlichen Note. Olivier Tardy zog sich ganz zurück, überließ das Orchester sich selbst und der ersten Konzertmeisterin Sun Keiner und dirigierte von der Bühnenseite lediglich das rhythmische Klatschen des begeisterten Publikums.