
Es gibt extra ausgewiesene Wander-Strecken, die man nackt entlangwandern darf. In Lünen und Selm gibt es immer wieder Fälle von Exhibitionismus. © picture alliance / dpa
Nackt im Wald: So viel Exhibitionismus gibt es in Lünen und Selm
Exhibitionismus
Sich frei fühlen in der Natur, das wird immer beliebter. Immer mehr Menschen gehen nackt wandern. Aber darf man das? So oft ermittelt die Polizei in Lünen und Selm wegen Exhibitionismus.
Hüllenlos, das gibt es nicht nur in Fachblättchen mit Hochglanz. Auch im wahren Leben begegnen einem mehr Menschen, die sich völlig ungehemmt nackt präsentieren. Immer mehr schließen sich dem Trend des Nacktwanderns an, sogar extra Wanderwege dafür gibt es. Aber auch außerhalb der offiziellen „Nacktwanderwege“ zeigen sich mittlerweile häufiger Nudisten, auch in Lünen und Selm?
Elmar Berks, Revierförster beim Grafen von Kanitz in Cappenberg, ist bisher noch kein nackter Mensch bei seiner Arbeit im Wald begegnet. „Gott sei Dank noch nicht“, sagt er im Gespräch mit der Redaktion. Das heißt aber nicht, dass es keine Anzeigen wegen Exhibitionismus gibt in Selm. Aber wo fängt Exhibitionismus an? Und werden jedem Nackten gleich Handschellen angelegt?
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr möglich
„Eine exhibitionistische Handlung nach Paragraf 183 StGB ist dadurch gekennzeichnet, dass der Täter einem anderen ohne dessen Einverständnis sein entblößtes Glied vorweist, um sich dadurch oder zusätzlich durch Beobachten der Reaktion der anderen Person oder durch Masturbieren sexuell zu erregen, seine Erregung zu steigern oder zu befriedigen“, heißt es von der Kreispolizeibehörde Unna auf Anfrage der Redaktion.
Grundsätzlich ist Exhibitionismus eine Straftat nach dem Strafgesetzbuch und kann mit einer Freiheitsstraße bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden. „Die alleinige Entblößungshandlung allein reicht also zur Erfüllung des Tatbestandes nicht aus“, ergänzt der Dortmunder Polizeisprecher Joshua Pollmeier auf Anfrage.
Verletzung des Schamgefühls
Darüber hinaus müsse eine Belästigung erfolgen. Hiermit ist die nicht unerhebliche Beeinträchtigung des Empfindens, also Ekel, Schock, Schrecken oder Verletzung des Schamgefühls gemeint.
Sich ohne sexuelle Bezüge unbekleidet in der Öffentlichkeit zu präsentieren erfüllt zwar nicht den Tatbestand des Paragrafen 183 StGB, ist aber gleichwohl nicht gestattet. Hier könnte ein Verstoß nach Paragraf 118 OwiG (Belästigung der Allgemeinheit) vorliegen. Dies kann selbst dann gelten, wenn man sich auf dem eigenen Grundstück oder in der eigenen Wohnung unbekleidet bewegt, sofern eine Einsicht von außen möglich ist. Dies bedarf jedoch einer Einzelfallprüfung.
Exhibitionismus in Selm
Nicht gestattet sind somit auch Nacktwanderungen. In Selm konnte keine besondere Zu-oder Abnahme an Exhibitionismus-Fällen festgestellt werden. Das teilt Vera Howanietz, Pressesprecherin der Polizei Kreis Unna auf Anfrage der Redaktion mit.
In der Betrachtung der vergangenen fünf Jahre sticht nur das Jahr 2020 hervor. Da wurden, statt wie sonst ein oder zwei Fälle, sogar fünf Fälle von Exhibitionismus angezeigt. Aufgeklärt wurden von den insgesamt elf Fällen sechs. Damit liegt die Aufklärungsquote bei 54 Prozent. Es wurden also mehr als die Hälfte der angezeigten Fälle in Selm aufgeklärt.
Aufklärungsquote in Lünen steigt
Dem Lüner Landwirt Dieter Kuhne, der viele forstwirtschaftliche Flächen bewirtschaftet, ist zwar schon viel untergekommen, „das habe ich aber noch nie erlebt“, sagt er im Gespräch mit der Redaktion. Trotzdem: Auch in Lünen gibt es hin und wieder Exhibitionisten. Joshua Pollmeier, Pressesprecher der Polizei Dortmund, kann aber keine signifikante Häufung feststellen.
Hier scheint die Aufklärungsquote jedoch im Gegensatz zu den Fallzahlen zu steigen. Die Fälle von Exhibitionismus schwankten in den vergangenen fünf Jahren zwischen 10 und 13 pro Jahr. Im Jahr 2017 wurden von den 11 Fällen 54 Prozent aufgeklärt. Im Jahr 2018 wurden 66 Prozent aufgeklärt, in 2019 bereits 69 Prozent und in 2020 schon 70 Prozent. Einen neuen Höchststand was die Aufklärungsquote angeht, erreichte die Polizei in 2021 mit 90 Prozent. Es gab 10 Fälle in 2021.
Einen Tag nach dem Gespräch der Redaktion mit Dieter Kuhne, hat er sich mit Bildmaterial von benutzten Kondomen, Kondomverpackungen und einer schwarzen Männer-Unterhose bei der Redaktion zurückgemeldet. Gefunden hat er die Dinge bei einem Gang durch seinen Wald. Die Bilder liegen der Redaktion vor. Sein Kommentar dazu: „Das wäre mir ja echt egal, aber dass sie ihren Müll nicht mitnehmen, regt mich wirklich auf“, so Dieter Kuhne.
Laura Schulz-Gahmen, aus Werne, ist Redakteurin bei Lensing Media. Vorher hat sie in Soest Agrarwirtschaft studiert, sich aber aufgrund ihrer Freude am Schreiben für eine Laufbahn im Journalismus entschieden. Ihr Lieblingsthema ist und bleibt natürlich: Landwirtschaft.
