Man stelle sich vor, junge Fahranfänger dürften zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens kein Auto mehr führen. Sie dürften mit maximal 110 Km/h unterwegs sein und das auch nur in Kleinwagen. Wenn sie uneingeschränkt fahren wollen müssten sie nach frühestens zwei Jahren und mit mindestens 21 Jahren eine Art Upgrade ihres Führerscheins machen.
Darüber hinaus gibt es Überlegungen, das erst im vergangenen Jahr eingeführte begleitete Fahren ab 17 Jahren wieder abzuschaffen. Und außerdem müssten Führerscheinbesitzer jeden Alters eine ärztliche Untersuchung durchlaufen; Fahrzeugführer ab 70 Jahren in regelmäßigen Abständen. All das ist unter anderem Gegenstand verschiedener Anträge, die den Verkehrsausschuss des Europaparlaments vorliegen. Ziel all dieser Neuerungen soll es sein, die Unfallzahlen weiter zu reduzieren. Der Ausschuss tagt im Dezember und diskutiert und beschließt dann die eingereichten Vorschläge.
Lüner Fahrschulbetreiber- und lehrer stehen einem Großteil dieser Neuerungen skeptisch gegenüber. „Diese ‚Vision Zero‘, also keine Unfälle mehr zu haben, das klappt nur dann, wenn wir das Autofahren verbieten“, sagt Önder Aytekin, Leiter der Fahrschule Europa. Ansonsten ist er der Meinung, dass es tatsächlich Sinn mache, Führerscheininhaber sogar schon ab 60 Jahren regelmäßig einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. „Berufskraftfahrer müssen das auch“, sagt er, „warum sollte diese Regelung also nicht für alle gelten?“
Nachtfahrten sind nicht das Problem
Ansonsten sei es tatsächlich so, „dass die 18- bis 25-Jährigen mehr Unfälle bauen, als alle anderen zusammen“. Der Grund seien aber nicht schwere Autos oder nächtliches Fahren, sondern ein Mangel an Erfahrung. „Weil die Unfallzahlen in dieser Altersklasse eben so hoch waren, ist die Theorieprüfung schon viel schwerer geworden. Es wird viel mehr theoretisches Wissen abgefragt, sodass die Hürde höher liegt und auch in der praktischen Prüfung fällt man inzwischen viel schneller durch“, weiß er. Um der mangelnden Erfahrung entgegen zu wirken, sei das begleitete Fahren mit 17 Jahren eingeführt worden.
„Da bin ich ein echter Freund von“, so Aytekin, „dadurch bekommen die Jugendlichen unterm Strich viel mehr Erfahrung. Es wäre sogar gut, das auf 16 Jahre abzusenken. Das würde noch mehr Erfahrung reinbringen. Es ganz abzuschaffen halte ich für grundfalsch.“ Denn ohne dieses Fahren, bei dem bei Fahranfängern ein Erwachsener neben ihnen sitzt, würden die Unfallzahlen wieder hochgehen, ist er sich sicher.
„Vorschläge führen zu mehr Unfällen“
Auch die Geschwindigkeitsbegrenzung mache keinen Sinn: „Bei geringerer Geschwindigkeit wäre man länger mit dem Überholen beschäftigt und würde auch häufiger überholt werden“, erklärt Europa-Fahrschullehrer Enrico Liehr. Dadurch nehme ebenfalls die Unfallgefahr zu.
„Alles was vorgeschlagen wird, führt nur zu noch mehr Unfällen. Der Knackpunkt ist, dass die Erfahrung fehlt, da muss man ansetzen“, fasst Önder Aytekin zusammen. Überhaupt entwickele sich der Führerschein inzwischen zu einem Accessoire für Besserverdiener. Dass man die vollen Rechte im Straßenverkehr nur stufenweise erreichen können soll, mache es nicht besser.
„Nur die Vernunft zählt“
Jürgen Scheller, Fahrlehrer im Ruhestand, ist dieser Diskussionen überdrüssig. „Bei egal, was man gemacht hat, weiß man von Anfang an, wer vernünftig fährt und wer ein Draufgänger ist. Die Vernunft der Menschen ist es, die zählt.“ Auch Enrico Liehr sagt: „Noch mehr Regeln würden die Unfallzahlen nicht senken. Fahrsicherheitstrainings, regelmäßige Auffrischungen und Sehtests aber schon.“
Fahrschulinhaber Ferdinand Kraatz empfindet ebenfalls: „Der Führerschein mit 17 und das damit verbundene begleitete Fahren war eine gute Sache.“ Noch tiefer sollte man das Alter, mit dem man begleitet fahren darf aber nicht schrauben. Unterm Strich denkt er: „Bei den Jugendlichen ist alles in Ordnung. Die Älteren sind oft ein Problem, weil sie zum Beispiel eine viel längere Reaktionszeit haben. Ab einem gewissen Alter sollte es einen verbindlichen Gesundheitscheck gebe.“