Eine nächtliche Polizeikontrolle am 6. November 2009 in Lünen verlief nicht so, wie sich die Polizeibeamten gedacht hatten. Gegen 3.20 Uhr kontrollierten sie die Fahrerin (43) eines weißen Wagens auf der Konrad-Adenauer-Straße in Höhe des Parkhauses des St. Marienhospitals. Den Beamten war die Frau aufgefallen, weil sie ihren Wagen verlassen und einen desorientierten Eindruck gemacht hatte.
Doch die 43-jährige Fahrerin wehrte sich gegen die Kontrolle. Es kommt zu einer Rangelei und ein Schuss fällt – die Frau hatte der Polizeibeamtin die Waffe entwendet. Gegen sie wird zunächst wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt – im Laufe des Verfahrens wird sie als schuldunfähig eingestuft.
Bis zum Beginn des Berufsverkehrs sperrte die Polizei die Konrad-Adenauer-Straße, was zu langen Staus und einem Verkehrschaos führte. Um 8.40 Uhr wurde die Straßensperrung aufgehoben.
Anwohner hören nichts
Die vielen Polizeibeamten am frühen Morgen setzten die Anwohner in Erstaunen – etwas von dem Streit vernommen hatten sie laut eigenen Angaben nicht. „Nein“, sagte Franz-Josef Hövener damals im Gespräch mit der Redaktion, „davon habe ich nichts mitbekommen. Eine Frau hat einer Polizistin die Schusswaffe entrissen? Was für eine verrückte Geschichte.“
Irma Ochs, eine weitere Anwohnerin, stand um vier Uhr auf und wunderte sich über die vielen Beamten auf der Straße. „Einen Schuss habe ich nicht gehört. Aber komisch fand ich das schon, überall Polizei. Ich habe noch gedacht, bestimmt ist das wegen eines Schwertransporters oder so.“

Psychischer Ausnahmezustand
Nach der Auseinandersetzung wurde die 43-Jährige psychiatrisch untersucht – mit dem Ergebnis, dass die Frau in eine psychiatrische Klinik gebracht wurde. Dort wurde eine mögliche Schuldunfähigkeit geprüft.
Im April 2010 sprach das Landgericht Dortmund nach dreistündiger Verhandlung das Urteil. In der Verhandlung erklärte die Lünerin, Mutter zweier Kinder, dass sie unter privatem Stress leide, der sie erdrücke. Sie habe sich eingebildet, von allem und jedem verfolgt zu werden, weshalb sie auf dem Weg zur Polizeiwache gewesen sei. „Ich wollte nur, dass man mir hilft“, sagte sie in der Verhandlung.
Als sie dann auf die Polizeistreife traf, habe sie angenommen, dass es sich nicht um echte Polizisten handele, weswegen sie sich gewehrt habe. „Rückblickend ist mir die ganze Sache sehr unangenehm“, so die 43-Jährige vor Gericht.
Das Gericht entschied, dass die Lünerin zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer akuten Psychose schuldunfähig gewesen sei. Der ursprüngliche Antrag der Staatsanwaltschaft, sie zwangsweise unbefristet in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik unterzubringen, wurde zurückgewiesen. Denn das Gericht ging davon aus, dass von der Frau keine akute Gefahr mehr ausgehe – nach einer intensiven Medikamenten-Behandlung schien sie gesund zu sein.
Historische Kriminal-Serie
In dieser Serie blicken wir in unregelmäßigen Abständen auf historische Kriminalfälle in Lünen.