
© Günther Goldstein
Mieterin sauer: Sanierung steht in der Warteschleife beim Bauverein Lünen
Wohnen
In schlechtem Zustand sei ihre Wohnung, sagt Mieterin Stephie Stamm. Durch die Fenster zieht es, das Bad müsste dringend saniert werden. Der Bauverein sieht das anders.
Es ist der Blick auf die andere Straßenseite des Espelwegs in Brambauer, der Stephie Stamm wütend macht. Denn dort wurden kürzlich Sanierungsarbeiten abgeschlossen: 54 Wohnungen in den Häusern 1 bis 13 wurden nachgerüstet, sodass sie jetzt CO2-neutral sind.
Dämmung der Außenfassade, klimaneutrale Sanierung der Balkone und deren Renovierung, Erneuerung der Heizungsanlagen. „Auf der anderen Seite vom Espelweg warten wir schon seit über 20 Jahren darauf, dass wir Balkone bekommen und hier wird alles nur notdürftig instand gehalten, statt vernünftig neu zu machen“, schreibt Stephie Stamm in einem Kommentar auf Facebook.
Fenster undicht, hoher Stromverbrauch
Seit 1998 bewohnt die 45-Jährige im Espelweg eine Wohnung mit gerader Hausnummer auf der Straßenseite gegenüber. „Das Bad ist sehr alt, das WC tropft und stinkt. Die Leitungen sind eine Katastrophe und die Fenster und Türen sind undicht. Es zieht“, erzählt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Im Bad gibt es einen Durchlauferhitzer. „Wir haben zu zweit den Verbrauch einer dreiköpfigen Familie“, sagt sie. „Da frage ich mich, an welchem Ende ich noch sparen kann, um die hohen Stromkosten begleichen zu können.“

Die Fenster seien nicht dicht, bemängelt Stephie Stamm, Mieterin im Espelweg. © Stephie Stamm
An sich wohnt Stephie Stamm gerne im Espelweg. Aber die Wohnsituation stört sie inzwischen so massiv - vor allem mit Blick auf frisch sanierte Häuser -, dass sie jetzt doch überlegt auszuziehen. „Wir kriegen wahrscheinlich erst ein neues Bad und Balkone, wenn ich hier mit den Füßen voran rausgetragen werden“, resigniert die Hauswirtschaftskraft.
Ganz so lange wird es wohl nicht dauern. Aber wohl noch eine Weile. Balkone aber, so viel direkt, sind definitiv keine vorgesehen. Die Sanierung der Häuser am Espelweg mit den ungeraden Hausnummern sind Teil des „Klimapfads“, des Bauvereins zu Lünen. Die Genossenschaft vermietet auch die Wohnungen auf der anderen Straßenseite.
Bis 2045 sollen alle 5500 Wohnungen, die dem Bauverein gehören, klimaneutral sein. Das heißt: Durch Erneuerung der Heizungsanlagen, eine Fassadendämmung und einem Austausch der Fenster soll der energetische CO2-Ausstoß durch die Wohnhäuser neutralisiert werden.
„Den Fahrplan haben wir gemessen an den Bausubstanzen, dem CO2-Ausstoss und dem Alter der Objekte entwickelt“, erläutert Bauverein-Chef Andreas Zaremba. „Es ist eine sehr große Herausforderung, der wir uns aber stellen können.“ Nicht an jeder Stelle sei das sofort machbar, aber der Bauverein sei gut aufgestellt, um die gesetzten Ziele einzuhalten.

Auch die Toilette sei undicht und müsse dringend erneuert werden, beklagt Mieterin Stephie Stamm. © Stephie Stamm
Wärmedämmung vorhanden
Jedes Jahr soll es nun Sanierungsarbeiten geben - angepeilt sind zu Beginn drei bis vier Objekte pro Jahr, für die fünf bis sechs Millionen Euro aus EU-Fördergeldern vorgesehen sind. Wird die Fördersumme, voraussichtlich in circa zwei Jahren, auf elf Millionen Euro erhöht, seien mehr Objekte pro Jahr denkbar, so Zaremba.
Wie bei den Häusern im Espelweg 1 bis 13 zuvor, gibt es einige Bauverein-Objekte, deren Fassade gar nicht gedämmt ist. Die stehen ganz oben auf der Prioritätenliste der Sanierungen, erklärt Karsten Unterberg, den Andreas Zaremba als „Architekten der Entwicklung der energetischen Sanierung“ bezeichnet.
Im Haus, das die Familie Stamm bewohnt, gebe es bereits eine sechs Zentimeter dicke Wärmedämmung, weiß Unterberg. „Auch der CO2-Austoß wurde gemessen. „Das ist ein kostengünstiges Wohnen“, sagt er. „Die Heizkosten sind angemessen. Im Vergleich zu anderen Objekten haben wir hier keinen großen Wärmeverlust.“
Mieter zu Balkonen befragt
Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre seien die Häuser aus den 1950ern modernisiert worden. Seitdem gibt es die Dämmung und eine Doppelverglasung der Fenster. „Die Fenster entsprechen dem Standard, der vor 20 Jahren galt“, erklärt er, „Ich finde es auch immer gut, wenn ein gewisser Luftaustausch stattfindet.“
Bezüglich der Balkone habe eine frühere Mieterbefragung ergeben, dass eine Steigerung der Miete, wenn Balkone angebaut würden, nicht gewünscht sei. Dass die Balkone auf der anderen Straßenseite erneuert wurde, habe etwas mit der CO2-Neutralität zu tun gehabt. Es sei darum gegangen, die Kältebrücken zu beseitigen. „Dort haben wir jetzt Neubaustandard. Wir müssen ja auch in die Zukunft blicken und die Wohnungen für die nächsten 50, 60 Jahre bewohnbar machen“, sagt Unterberg.
Die Objekte auf der anderen Straßenseite seien hingegen noch nicht akut sanierungsbedürftig: „Das ist eine Situation, in der man gut leben kann.“ Eine Instandhaltung finde ständig statt.
Mieter erst ins Boot holen
Irgendwann sollen dann aber auch diese Häuser energetisch saniert werden. „Es sind aber auch gut gedämmte Objekte dabei, bei denen nur die Heizungen ausgetauscht werden müssen. Auch solche, die aufgrund ihres Alters vom Markt genommen werden und CO2-neutral neu gebaut werden müssen“, sagt Unterberg zum Vorhaben.
Welches Objekt der Fahrplan wann vorsieht, könne er nicht im Einzelnen darlegen. Zuerst müssten die Mieter mit ins Boot geholt werden. „Denn eines muss klar sein: Klimaneutralität wird nicht zum Nulltarif zu erreichen sein.“
In und um Stuttgart aufgewachsen, in Mittelhessen Studienjahre verbracht und schließlich im Ruhrgebiet gestrandet treibt Kristina Gerstenmaier vor allem eine ausgeprägte Neugier. Im Lokalen wird die am besten befriedigt, findet sie.
