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Mieter geschockt von Kahlschlag in mehreren Wohnquartieren in Lünen
Sträucher entfernt
Mieter von Vivawest sind teils geschockt über massiven Grünschnitt in Lünen. In mehreren Wohnquartieren wurden Büsche und Sträucher gerodet. Es geht um Angsträume, gepflegte Anlagen und Nistplätze.
Der Blick ins Grüne ist für die Mieter der Vivawest an der Christian-Morgenstern-Straße in Lünen Geschichte. In den vergangenen beiden Wochen gab es in der zugehörigen Grünanlage sozusagen Kahlschlag. Ein Unternehmen im Auftrag der Wohnungsgesellschaft hat den Großteil der Büsche und Sträucher auf der Fläche in der zweiten Januarhälfte entfernt.
Weitere ähnliche Arbeiten in der parallel verlaufenden Arndtstraße waren am Mittwoch (3. Februar) bereits fortgeschritten. Und auch Am Triftenteich sind am Mittwoch Büsche und Bäume auf einem Grundstück mit Wohnungen der Vivawest entfernt worden.

An der Christian-Morgenstern-Straße wurden Büsche und Sträucher von einem Gartenbauunternehmen in den letzten beiden Januarwochen entfernt. © privat
Till Steyer lebt seit 13 Jahren an der Christian-Morgenstern-Straße. Auf den radikalen Rückschnitt der Grünanlage reagiert er mit Bedauern und auch Unverständnis. Nicht nur, weil der Blick ins Grüne vom eigenen Fenster aus weggefallen ist.
„Die Rhododendronbüsche waren auch ein Rückzugsort für Vögel und Insekten. Es war die einzige größere Grünanlage in der Gegend“, sagt er im Gespräch mit der Redaktion Auch Igel und Kaninchen, sogar einen Fuchs habe er dort schon gesehen.
Sträucher in trockenen Sommern gepflegt
Betroffen machen ihn und nach seiner Aussage weitere Nachbarn auch, dass die Mieter sich in den vergangenen, sehr trockenen, Jahren selbst um die Pflanzen gekümmert hatten, damit diese nicht vertrocknen. Aufwand, der sich „für die Grünanlagen durchaus positiv auswirkte“, wie Steyer erklärt.
„Besonders verwundert bin ich über dieses Vorgehen, da diese Maßnahme in krassem Widerspruch zu allen Empfehlungen von Experten zum Thema Vermeidung des zunehmenden Artensterbens steht“, so der Mieter.

Auch in der Arndtstraße, die parallel zur Christian-Morgenstern-Straße verläuft, herrscht seit Dienstag (2. Februar) an vielen Stellen vor Häusern der Vivawest Kahlschlag. © privat
In einer Wohnsiedlung der Vivawest in Dortmund, hatte es in den ersten Januarwochen ebenfalls einen radikalen Rückschnitt der anliegenden Grünanlagen gegeben. Auch hier hatte eine Mieterin die Frage aufgeworfen, wie das mit Klimaschutz und dem Erhalt von Grünanlagen zu vereinbaren sei.
Rückbau für gepflegte Anlagen und gegen Angsträume
Eigentümerin Vivawest erklärt dazu auf Anfrage, es handele sich „um eine Rückbaumaßnahme, die aufgrund des überalteten Strauch- und Pflanzenbestandes aus gärtnerischer Sicht erforderlich war.“ Ein reiner Rückschnitt wäre demnach nicht mehr ausreichend gewesen und nur wenige Gehölze hätten mittels Rückschnitt erhalten werden können.
Das Unternehmen lege viel Wert auf ein gepflegtes Erscheinungsbild der eigenen Quartiere, die Außenanlagen sollen deshalb „in einen ordentlichen und gepflegten Zustand “ versetzt und Angsträume beseitigt werden, heißt es weiter. An der Christian-Morgenstern-Straße sollen außerdem veraltete Fahrradständer durch solche mit modernen Bügeln ersetzt werden.

Gleiches Bild in der Straße Am Triftenteich. Auch hier wurden Sträucher und Büsche gerodet. © privat
Die jetzt planierten Flächen sollen künftig zu großen Teilen als Rasenflächen angelegt werden. „Wir werden zusätzlich aber auch einige Neuanpflanzungen vornehmen.“ So hatte Vivawest sich auch zum vergleichbaren Rückschnitte in seiner Anlage in Dortmund im Januar geäußert.
Rasenfläche kein Ersatz für Vögel
Für Tiere ist eine Rasenfläche generell kein Ersatz von Büschen und Sträuchern, erklärt Klaus Papius, vom Arbeitskreis für Umwelt und Heimat in Lünen. „Der ökologische Wert wird häufig unterschätzt.“ Denn Vögel wie Rotkelchen, Heckenbraunelle, Zaunkönig oder auch Meisen nisten ein Höhen von etwa 1,5 Metern. Auch Nistkästen können den Tieren helfen. Die Vögel singen dabei nicht nur schön, sondern sind auch natürliche Fressfeinde von Insekten, im Fall der Meisen zum Beispiel des Eichenprozessionsspinners.

So sah es vorher an der Christian-Morgenstern-Straße aus. © privat
Rein rechtlich ist das Beschneiden oder Entfernen von Sträuchern, Büschen und Hecken im eigenen Garten außerhalb der Schonzeit vom 1. März bis zum 30. September (§ 39 Bundesnaturschutzgesetz) erlaubt.
Anders verhält es sich bei Bäumen ab einem Stammumfang von 80 Zentimetern in der Höhe von einem Meter. Für deren Fällung ist eine Genehmigung nach städtischer Baumschutzsatzung erforderlich, wie Stadtsprecher Benedikt Spangardt erklärt.
Beruflicher Quereinsteiger und Liebhaber von tief schwarzem Humor. Manchmal mit sehr eigenem Blick auf das Geschehen. Großer Hang zu Zahlen, Statistiken und Datenbanken, wenn sie denn aussagekräftig sind. Ein Überbleibsel aus meinem Leben als Laborant und Techniker. Immer für ein gutes und/oder kritisches Gespräch zu haben.
