Haftstrafe im Missbrauchsprozess So reagieren Politik und Bürgermeister auf das Wolski-Urteil

So reagieren Politik und Bürgermeister auf das Wolski-Urteil
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Das Landgericht Bochum hat Lünens ehemaligen Vize-Bürgermeister und langjährigen SPD-Ratsherrn Daniel Wolski (41) nach 201 Tagen Untersuchungshaft am Dienstag (14. Mai) wegen sexuellen Missbrauchs und Besitzes von Kinder- und Jugendpornografie zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Gleichzeitig wurde der Haftbefehl aufgehoben. Damit ist Wolski vorerst wieder ein freier Mann - bis zur Rechtskraft des Urteils. Die Untersuchungshaft von rund sieben Monaten wird auf die Freiheitsstrafe angerechnet. Wir haben neben sämtlichen Ratsfraktionen auch Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns Mittwoch (15. Mai) schriftlich um eine Stellungnahme zu dem Urteil gebeten: Hier lesen Sie die ungekürzten Antworten im Wortlaut.

SPD: Rechtsstaat funktioniert

Für die Lüner Sozialdemokraten antworten SPD-Fraktionschef Rüdiger Billeb und Martina Meier, stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende, so: „Wie von uns erwartet, haben Polizei und Justiz ihre Arbeit zügig und gewissenhaft erledigt. So können wir nur festhalten, dass unser Rechtsstaat funktioniert. Es kommt einer politischen Partei nicht zu, zu einem Urteilsspruch in einem Strafverfahren Stellung zu nehmen. Das Gericht hat nach Abwägung der Sach- und Rechtslage eine Entscheidung gefällt. Es obliegt allein den Prozessbeteiligten, das Urteil zu bewerten und etwaige weitere Verfahrensschritte einzuleiten. Aus Gründen mangelnder Detailkenntnisse aus dem Verfahren können und möchten wir das Urteil nicht weiter kommentieren. Jedwede weitere persönliche Einschätzung oder Bewertung verbietet sich hier, zumal es sich hierbei um ein Urteil gegen eine Privatperson handelt.“

CDU: Vertrauen in Gerichtsbarkeit

CDU-Fraktionschef Christoph Tölle lässt die Redaktion wissen: „Die CDU hat die exklusive Berichterstattung der Ruhr Nachrichten aus dem Bochumer Landgericht interessiert verfolgt. Wir legen unser vollstes Vertrauen in die Gerichtsbarkeit und gehen davon aus, dass die Kammer intensiv abgewogen hat, wie sie zu dem Urteil gelangt ist. Uns als Politik steht es nicht zu, darüber zu urteilen, ob das Strafmaß angemessen angewendet wurde.“

FDP: Taten sind abstoßend

FDP-Fraktionschef Karsten Niehues stellt fest: „Ein Urteilsspruch war nach dem Geständnis des Angeklagten zwingend absehbar. Da die Einzelheiten zu den Vorwürfen nicht vollständig bekannt sind, vermögen wir zum Strafmaß keine Bewertung abzugeben. Die Taten, die der ehemalige erste Stellvertreter des Bürgermeisters, der SPD-Ratsherr Wolski zugegeben hat, sind abstoßend. In Anbetracht der Dauer, in der die vorgeworfenen Taten stattgefunden haben, erstaunt es, dass es Herrn Wolski möglich gewesen sein soll, diese ohne jedwedes Wissen Dritter durchzuführen. Wir hoffen, dass es den Opfern nach therapeutischer Begleitung möglich sein wird, die Taten zu verarbeiten und dass die jungen Menschen durch die Gesellschaft aufgefangen werden. Diesen Opfern wünschen wir alles Gute.“

GFL: Angemessenes Urteil

Für die Wählergemeinschaft Gemeinsam für Lünen (GFL) erklärt ihr Fraktionsvorsitzender Andreas Dahlke: „Aus Sicht der GFL-Ratsfraktion hat das Gericht alle wesentlichen Straftatbestände geprüft - und ist nach unserer Einschätzung zu einem angemessenen Urteil gekommen. Es ist allerdings verwunderlich, dass das soziale Umfeld des Ex-Bürgermeisters von der Unmenge an Nachrichten, die über längere Zeiträume an potenzielle Opfer verschickt wurden, nichts mitbekommen haben will.“

Grüne: Fokus liegt auf Politik

Grünen-Fraktionschef Reiner Hohl schreibt: „Bündnis 90/Die Grünen begrüßen die Tatsache der erfolgten Urteilsfindung und hoffen, dass sich der öffentliche Fokus zukünftig wieder vermehrt politischen Sachthemen wird zuwenden können.“

Bürgermeister schweigt

Lünens Pressesprecher Daniel Claeßen erklärt der Redaktion nach Rücksprache mit Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns: „Seit dem Rücktritt von Herrn Wolski als stellvertretender Bürgermeister der Stadt Lünen ist das gegen ihn gerichtete Strafverfahren keine Angelegenheit mehr, zu der sich Herr Kleine-Frauns als Bürgermeister äußert. Und seit der Niederlegung seines Ratsmandats ist es auch keine Ratsangelegenheit mehr, zu der sich ein Bürgermeister als Vorsitzender der Ratsversammlung äußern kann.“

Laufende Ermittlungen

Dass Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns keine Stellungnahme zu dem Wolski-Urteil abgibt, könnte auch daran liegen, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dortmund gegen Kleine-Frauns wegen des Verdachts der Weitergabe von Dienstgeheimnissen sowie versuchter Strafvereitelung im Zusammenhang mit dem Missbrauchsfall Daniel Wolski andauern.

Wie berichtet, hatte Lünens Bürgermeister im Januar 2023 Hinweise auf Fehlverhalten seines Stellvertreters Daniel Wolski, die er per Mail erhalten hatte, in den Papierkorb verschoben und Wolski danach vor einer Verleumdungskampagne gewarnt. Auf diese Nachricht hatte Wolski „etwa eine Stunde später mit dem wörtlichen Kommentar reagiert, dass das ja ‚unglaublich‘ ist“ - nachzulesen in der Stellungnahme von Kleine-Frauns vom 8. Dezember 2023.

Chatverkehr wieder Thema

Der Chatverkehr war erstmalig am Dienstag (9. April), dem dritten Prozesstag gegen Wolski am Landgericht Bochum, zur Sprache gekommen, als der Vorsitzende Richter Nils Feldhaus aus Wolskis Kalendereinträgen unter anderem zitierte: „JKF Danke sagen, wenn alles gutgegangen ist.“ Wobei es sich bei „JKF“ offenbar um Jürgen Kleine-Frauns handelt - Lünens Bürgermeister.

Die Whats-App-Nachricht fand auch am Dienstag (14. Mai) im Rahmen der Urteilsverkündung durch den Vorsitzenden Richter Nils Feldhaus Erwähnung, als dieser erneut erklärte, wie der Fall seinerzeit ins Rollen kam. Feldhaus sprach von einer Mail, die der Bürgermeister am 23. Januar erhalten und einfach abgetan habe.

Das Bild zeigt den verurteilten Daniel Wolski nach Aufhebung des Haftbefehls am Dienstag (14. Mai) beim Verlassen des Landgerichts Bochum.
Das Bild zeigt den verurteilten Daniel Wolski nach Aufhebung des Haftbefehls am Dienstag (14. Mai) beim Verlassen des Landgerichts Bochum. © Daniel Brill

Bürgermeister und die Wolski-Ermittlungen: Staatsanwaltschaft im Austausch mit zwei Ministerien