Mehrfacher Kindsmord in Lünen-Gahmen 2016 ersticht Mutter zwei Kinder – das dritte überlebt

Kindsmord in Gahmen: 2016 ersticht Mutter zwei Kinder
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Zwei kleine Kinder, ein Junge und ein Mädchen, wurden am 2. November 2016 in Lünen-Gahmen im Hirtenweg von ihrer Mutter (28) mit mehreren Messerstichen erstochen. Danach verletzte sie sich selbst schwer und wurde im Krankenhaus in ein künstliches Koma versetzt. Das dritte Kind, ein Säugling, überlebte. Entdeckt wurden die Leichen und die verletzte Frau vom Vater der Kinder. Im Gerichtsverfahren wurde die Frau für schuldunfähig erklärt.

Teddys und Kerzen an einer Hauswand
Nach dem Mord an den Kindern wurde ihrer mit Kerzen und Teddybären gedacht. © Fröhling (A)

Vor dem Krieg geflüchtet

Beide Eltern kamen aus Syrien. Im Netz der städtischen Flüchtlingsbetreuung habe sich die Familie allerdings nicht befunden. So hat die Recherche der Redaktion in dem Fall damals ergeben, dass die Familie ungefähr ein halbes Jahr vor der Tat aus Bayern nach Gahmen gezogen sei – als anerkannte Flüchtlinge konnten sie ihren Wohnort frei wählen.

Den Nachbarn im Hirtenweg war vor allem die kleine Tochter bekannt. Eine Nachbarin erzählte, dass die Vierjährige häufig draußen zum Spielen gewesen sei. „Das war ein fröhliches Kind, wir haben uns mit Händen und Füßen verständigt“, erzählte eine Nachbarin.

Trauer um die Kinder

Kurz nach der Tat zündeten die Nachbarn Kerzen am Hauseingang an, legten Kuscheltiere dazu und gedachten der getöteten Geschwister. Auch der damalige und heutige Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns äußerte sich zu der Tat: „Das ist eine entsetzliche und unfassbare Tragödie. Ich glaube, es macht uns alle in der Stadt sehr traurig, aber auch wütend, weil hier die Schwächsten und Hilflosesten betroffen sind.“

Bei den Schilderungen, wie die Familie sich untereinander verhielt, unterschieden sich die Erzählungen der Nachbarn. Die einen sprachen davon, dass die Familie sehr ruhig und liebevoll gewesen sei, die anderen teilten mit, dass es häufig sehr laut gewesen sein soll.

Mehrfach auf Kinder eingestochen

Die Einsatzkräfte von Polizei und Rettungsdienst wurden am Mittwochabend (2. November 2016) gegen 22 Uhr von einem Nachbarn alarmiert. Als die Rettungskräfte im Hirtenweg eintrafen, waren die beiden Kinder schon tot. Im Laufe der Ermittlungen wurde festgestellt, dass die Mutter ihre beiden Kinder mit einem Küchenmesser tötete, indem sie mehrfach auf sie einstach. Gleichzeitig befanden sich ihr Mann mit dessen Bruder und dem Säugling in der Wohnung – allerdings in einem anderen Raum. „Für ihn kam alles völlig überraschend“, sagte Staatsanwalt Carsten Dombert damals.

Viel gemerkt sollen die Kinder nicht haben. So soll sich die 28-Jährige gegen 21 Uhr in das Zimmer geschlichen und zugestochen haben, als die beiden schliefen. Der vierjährigen Tochter habe sie mit einer Hand den Mund zugehalten, falls diese doch wach werden würde. Der einjährige Sohn und die vier Jahre alte Tochter sollen demnach keine Überlebenschance gehabt haben. Nach der Tat verletzte sich die Mutter noch selbst schwer. Laut dem direkten Nachbarn soll der Vater der Kinder immer wieder „Warum?“ und „Oh Gott“ auf Arabisch gerufen haben. Die danach sich selbst zugefügten Verletzungen hatten zur Folge, dass die damals 28-Jährige laut Staatsanwalt Schulte-Göbel zeitweise in ein künstliches Koma versetzt werden musste.

Bis tief in die Nacht waren Einsatzkräfte und Spurensicherung im Einsatz.
Bis tief in die Nacht waren Einsatzkräfte und Spurensicherung im Einsatz © Archiv

Mutter schuldunfähig

Als mögliches Tatmotiv gab die Frau in der ersten Vernehmung „Unstimmigkeiten familiärer Art“ an und gestand die Tat. In Untersuchungshaft hatte sie sich in Absprache mit der Verteidigung dazu entschieden, sich nicht zu äußern. Einen Monat später, im Dezember 2016, ging die Staatsanwaltschaft Dortmund von einer möglichen Schuldunfähigkeit der Mutter aus. Das habe ein psychiatrisches Kurzgutachten ergeben, wie Staatsanwalt Jörg Schulte-Göbel damals erklärte. Zwar sei die Frau zu diesem Zeitpunkt körperlich gesund gewesen, da jedoch die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Erkrankung bestand, wurde sie zur „Unterbringung“ in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses gebracht.

Im Prozess musste dann geprüft werden, ob sie auf unbestimmte Zeit in einer Straftäterpsychiatrie bleiben muss. Die Staatsanwaltschaft hielt dies für unausweichlich. „Ohne Behandlung würde es zu einer weiteren Verfestigung des Wahnsystems kommen“, sagte Anklagevertreter Carsten Dombert. Am ersten Verhandlungstag im April 2017 wurde festgestellt, dass die Frau vorläufig als schuldunfähig gelte. Verteidiger Michael Liedtke erklärte zwar, dass die Angeklagte grundsätzlich Angaben machen wolle, da der psychiatrische Sachverständige zu Prozessbeginn fehlte, kam die Mutter dieser Ankündigung am ersten Prozesstag jedoch nicht nach.

Im Juni 2017 dann die Gewissheit: Psychiater Bernd Roggenwallner diagnostizierte bei der 28-Jährigen eine schwere paranoide Schizophrenie. Schlimme Wahnvorstellungen sollen sie schon seit längerer Zeit gequält haben, und am Tag der Tat soll die Frau deswegen in einem Krankenhaus gewesen sein. Da die Richter davon überzeugt waren, dass die Lünerin ohne Behandlung weiterhin gefährlich sei – sie hatte ja noch ein drittes Kind – wurde sie zwar für schuldunfähig erklärt, aber für unbestimmte Zeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Die kleine Tochter wurde daraufhin vom Vater allein betreut: Er wolle, wie von uns berichtet, auf die Ehefrau warten, bis diese geheilt die Klinik verlassen würde.

Doch darauf muss der Mann jetzt noch weiter warten. Auf Nachfrage der Redaktion erklärt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dortmund, Henner Kruse, dass die Frau sich bis heute in der psychiatrischen Klinik befindet. „Jedes Jahr findet eine Überprüfung statt, die nächste findet im Mai 2025 statt“, so Kruse.

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