Medikamente in Lünen und Selm weiter knapp „Die Lage hat sich noch verschlimmert“

Medikamente weiter knapp: „Die Lage hat sich noch verschlimmert“
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Bereits im vergangenen Jahr beklagten die Apotheker in Lünen und Selm, dass dringend benötigte Medikamente nicht geliefert werden können, darunter auch Mittel gegen Durchfall und Fieber bei Kindern. Seit vergangenem Herbst hat sich die Situation durch eine Welle an Influenza-Fällen nicht verbessert. Im Gegenteil.

„Die Lage hat sich noch verschlimmert“, berichtet Volker Brüning, Sprecher der Apothekerschaft im Nordkreis Unna. Zwar würden Säfte für Kinder wegen der Lieferschwierigkeiten mittlerweile vor Ort von den Apothekern hergestellt, aber auch hier wird es mittlerweile eng: „Es kommen kaum noch Wirkstoffe nach, die wir brauchen, um die Medikamente selbst herzustellen.“

Auch Antibiotika wie das vielseitig einsetzbare Amoxicillin oder bestimmte Magenmittel, die von vielen älteren Menschen gegen die Nebenwirkungen von Schmerzmitteln eingenommen werden, sind immer schwieriger zu bekommen, warnt Brüning. „Da muss man dann immer improvisieren.“ Bei kleineren Lieferungen sei es besonders wichtig, die Verteilung zu koordinieren und sich bei Notdiensten gegenseitig auszuhelfen.

Die Apotheker stünden mit den verordnenden Ärzten in ständigem Austausch über die Verfügbarkeit von Medikamenten und möglicher Alternativen. So kann bereits bei der Verschreibung von Medikamenten auf die aktuelle Lage reagiert werden.

Exportstopp aus China

Als eine Ursache für Lieferprobleme bei fiebersenkender Arznei sieht Brüning aktuell die Folgen einer Lockerung der Covid-Politik in China – und der deshalb steigenden Zahl von Corona-Fällen: „Da ist gerade ein massiver Bedarf an Paracetamol und Ibuprofen.“ Weil aus diesem Grund auch dort die Medikamente knapp werden, stoppte das asiatische Land im Dezember den Export der dafür benötigten Wirkstoffe. Über 90 Prozent der weltweit produzierten Ausgangsstoffe für fiebersenkende Medikamente kommen aus China, klärt Brüning auf.

Selbst, wenn es die Wirkstoffe nach Europa schaffen, werde Deutschland mit den produzierten Medikamenten oft nur nachrangig bedient: „Teilweise haben Hersteller schon nicht mehr für Deutschland produziert.“ Der Grund liegt in der Einkaufspolitik der Krankenkassen. Weil die an Festbeträge und Rabattverträge gebunden sind, ist ein Verkauf in Deutschland für die Pharmaindustrie oft nicht wirtschaftlich, heißt es. „Es geht immer um den Preis“, weiß Brüning.

„Kosten entstehen woanders“

Damit der Preis kein Grund mehr für Lieferengpässe ist, soll eine Gesetzesänderung dafür sorgen, dass für bestimmte Medikamente von den Krankenversicherungen mehr gezahlt werden darf, um die Verfügbarkeit sicherzustellen. Von denen wird das als „Geschenk für Pharmaunternehmen“ kritisiert. Apotheker Volker Brüning sagt dazu: „Da verstehe ich die Krankenkassen überhaupt nicht.“

Es gehe schließlich vor allem um die Notfallversorgung, unter anderem von Säuglingen. „Die Kosten entstehen ganz woanders.“ Im Gegensatz zu innovativen und teuren Medikamenten spreche man bei Fiebersenkern wie Paracetamol von Mehrkosten im Cent-Bereich.

Um Probleme bei der Medikamentenversorgung künftig zu verhindern, unterstützt Brüning die Forderung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nach einer europäischen Lösung für wichtige Medikamente. „Warum müssen die Wirkstoffe um die halbe Welt reisen? Früher war Deutschland die Apotheke der Welt“, merkt Brüning an und nennt Aspirin als Beispiel. Er fragt sich: „Warum sollten wir die Medikamente nicht wieder selbst herstellen?“