Schwerer Stand für Mario Löhr Landrat bei stern TV im Kreuzfeuer über Asyl und Flüchtlinge

Live bei stern TV: Landrat stand in Flüchtlingsfrage zwischen den Polen
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Zu dem Thema Asyl und Flüchtlinge, das in vielen Orten wieder hohe Wellen schlägt, lud sich Moderator Dieter Könnes am Sonntagabend Gäste in das Studio von stern TV ein. Inmitten der Talkrunde: Mario Löhr, der Unnaer Landrat.

Den Konfliktstoff bereitete Könnes in der Live-Sendung wohltuend unaufgeregt auf. Zwar war das Ziel von zwei Einspielern klar. Die von Anwohnern in Arnsberg frenetisch bejubelte Absage an ein Flüchtlingsheim in einem ehemaligen Kloster in einem kleinen Stadtteil und die Ängste von Nachbarn der Flüchtlings-Zeltstadt in Selm-Bork spitzten das zu häufig nur emotional debattierte Thema gleich zu Beginn zu.

Sachliche Debatte ohne entscheidende Fragen

Aber die anschließende Debatte im Studio, live am Abend auf RTL ausgestrahlt, blieb anders als sonst viele Sendungen zu einer Streitfrage, die stark polarisiert, überwiegend äußerst sachlich.

Trotzdem konnte sich Dieter Könnes bis zum Ende der Sendung nicht zu entscheidenden Fragen vorarbeiten: Was konkret muss sich eigentlich ändern, damit Flüchtlingen entweder mehr Akzeptanz entgegengebracht wird oder der einheimischen Bevölkerung Sorgen und Ängste genommen werden?

In der Landes-Notunterkunft für Flüchtlinge in Bork leben rund 750 Männer aus verschiedenen Ländern.
In der Landes-Notunterkunft für Flüchtlinge in Bork leben rund 750 Männer aus verschiedenen Ländern. © Hans Blossey

Melanie Offergeld aus Selm-Bork schilderte ihre persönliche Betroffenheit: Statt der angekündigten Ukraine-Flüchtlinge waren in einer provisorischen Zeltstadt, einer Landesnotunterkunft, kurzerhand 750 junge Männer aus anderen Krisengebieten wie Syrien und Afghanistan untergebracht worden.

„Wir fühlen uns hier nicht mehr sicher“ war die zentrale Aussage Offergelds. Als Beleg dienten ein Fahrraddiebstahl – der den Flüchtlingen aber gar nicht eindeutig zugeordnet werden konnte – und die Ermahnung an Teenager, nicht mehr allein auf die Straße zu gehen. Auch ihre Kritik an mangelnder Kommunikation der Behörden mit den Anwohnern und Nachbarn äußerte sie deutlich

Schwache Argumente des Grünen und des Konservativen

Timon Dzienus, Bundessprecher der Grünen Jugend, räumte zwar Versäumnisse von Bundes- und Landesregierung ein, sprach sich aber erwartbar gegen eine Begrenzung des Flüchtlingszuzuges aus. Auch bezahlbar sei das alles für ein reiches Land wie Deutschland.

Am entgegengesetzten Pol argumentierte der eher konservative Kommentator Nikolaus Blome, Chef der RTL-Politikredaktion – er warf der Bundesregierung „Versagen“ vor. Konkreter wurde es bei diesen beiden Talkgästen allerdings auch schon nicht.

Auf der Suche nach geeigneten Standorten für landeseigene Flüchtlingsunterkünfte ist ein Vorhaben am Bürgerwiderstand gescheitert. In Arnsberg im Sauerland zog ein Investor sein Angebot auf einem früheren leerstehenden Kloster zurück.
Auf der Suche nach geeigneten Standorten für landeseigene Flüchtlingsunterkünfte ist ein Vorhaben am Bürgerwiderstand gescheitert. In Arnsberg im Sauerland zog ein Investor sein Angebot auf einem früheren leerstehenden Kloster zurück. © picture alliance/dpa

Einen schweren Stand hatte insofern Mario Löhr, der als politisch neutraler Leiter einer Kreisverwaltung an der Diskussion teilnahm. Der Landrat war erkennbar darum bemüht, sich weder auf die eine noch die andere Seite zu schlagen.

Er nahm zunächst einmal dem Vorwurf, Anwohner von Flüchtlingsunterkünften hätten Angst, sich öffentlich zu äußern, weil sie in die „rechte Ecke“ gestellt würden, den Wind aus den Segeln.

„Ich möchte, dass man sich äußert, wenn die Situation nicht in Ordnung ist“, so Löhr. Allerdings hätten Menschen mitunter wohl auch eine Scheu, sich Medien gegenüber zu öffnen. „Ich bin ja heute Abend auch etwas angespannt hier“, gab Löhr vor laufenden Kameras zu.

Landrat Löhr goss kein Öl ins Feuer

„Das Sicherheitsgefühl wird jedes Mal in Frage gestellt“, meinte Löhr, der vor einigen Wochen als Chef der Kreispolizeibehörde mit massiver Kritik von Anwohner der Selmer Zeltstadt konfrontiert worden war.

Löhr agierte recht geschickt und goss selbst mit dieser Aussage kein Öl ins Feuer. Denn er brachte andererseits auch Verständnis für die 750 jungen Männer auf, die schlicht auf Anordnung der Bezirksregierung hin in das kleine Ghetto in Bork verfrachtet worden waren. „Dann kriegt man einen Lagerkoller“, warb Löhr für Verständnis, dass die Männer sich gruppenweise im Ort tummeln.

Landrat Mario Löhr musste sich als Chef der Kreispolizeibehörde vor einigen Wochen bei einer Bürgerversammlung zur Flüchtlings-Zeltstadt in Selm-Bork viele kritische Fragen zum Thema Sicherheit gefallen lassen. Er sah damals vor allem Stadt und Bezirksregierung in der Verantwortung.
Landrat Mario Löhr musste sich als Chef der Kreispolizeibehörde vor einigen Wochen bei einer Bürgerversammlung zur Flüchtlings-Zeltstadt in Selm-Bork viele kritische Fragen zum Thema Sicherheit gefallen lassen. Er sah damals vor allem Stadt und Bezirksregierung in der Verantwortung. © Archiv/Jura Weitzel

Leider hakte Dieter Könnes nicht nach, als es ebenfalls Löhr war, der im Ansatz bessere Integrationsarbeit und mehr hauptamtliche Hilfe in den Flüchtlingsunterkünften einforderte. Man könne nicht allein auf ehrenamtliche Unterstützung setzen. „Dann wird man scheitern“, appellierte Löhr.

Flüchtlingsfrage kein parteipolitisches Profilierfeld

Der SPD-Politiker machte deutlich, dass die Flüchtlingsfrage für ihn kein parteipolitisches Profilierfeld ist: „Ich unterscheide nicht zwischen Bund und Land“, meinte Löhr. Die Kreisverwaltung habe allerdings dem Land NRW „ein ganz klares Konzept vorgestellt“, warte aber noch auf Reaktionen aus Düsseldorf.

Die Aufgabe von Dieter Könnes wäre es gewesen, nachzufragen, was dieses Konzept verbessern könnte. Stattdessen war die Sendezeit vorbei und der Moderator schloss mit der Bemerkung: „Da liegt noch eine Menge Arbeit vor uns.“ Die hätte sich Dieter Könnes mit gezielteren Fragen allerdings auch selbst machen dürfen.