Luftfilter für Lüner Schulen? Politik widerspricht Stadtverwaltung

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Luftfilter für Lüner Schulen? Politik widerspricht Stadtverwaltung

rnSchulausschuss

Kalt und zugig wird es im Winter in den rund 700 Lüner Klassenräumen werden. So viel steht fest. Ob mobile Luftfilter die Situation verbessern helfen, ist noch offen. Hoffnung gibt es aber.

Lünen

, 04.09.2021, 19:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die ersten Schulklassen in Lünen wollen selbst initiativ werden. Eltern haben sich bereits erkundigt, ob sie nicht zusammenlegen und selbst Luftfilteranlagen für ihre Kinder kaufen können. Lieber zahlen sie selbst als den Nachwuchs ohne technische Unterstützung im zweiten Corona-Winter in der Schule schlottern zu lassen.

„Das kann es doch nun wirklich nicht sein“, sagte Prof. Dr. Johannes Hofnagel (GFL), als er davon am Donnerstag (2. 9.) im Ausschuss für Bildung und Sport erfuhr. Nicht der Geldbeutel der Eltern dürfe über die Gesundheit der Kinder entscheiden. Darin waren sich alle Fraktionen einig. Auch darin, dass andere Lösungen nötig seien, und die ganze Sache inzwischen eilt.

Online-Petition mit inzwischen 1328 Unterschriften

Welche Lösungen das sein sollten, steht für Robert Goelzner und 1328 andere Mütter und Väter klar fest: mobile Luftfilteranlagen. „Wir als Vertretung der Elternschaft und der Schülerschaft der Stadt Lünen wollen weiter keine gesundheitliche Gefährdung billigen.“ Das hatte Goelzner, der Vorsitzende der Stadtschulpflegschaft und selbst Vater von drei Kindern, so im Aufruf zu einer entsprechenden Online-Petition geschrieben. Und genauso formulierte er es auch am Donnerstag an die Adresse der Politikerinnen und Politiker. „Sie haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass unsere Kinder nicht krank werden in der Schule.“

Selbst wenn in Lünen die Geräte pünktlich ihren Dienst aufnehmen könnten: Es wird in diesem Winter kalt werden in den Schulräumen, kälter als vielen Kindern und Jugendlichen - zumal denen, die direkt am Fenster sitzen - und den Lehrkräften lieb sein wird. Denn die Notwendigkeit zum Lüften wird bleiben, wie Bildungsdezernent Horst Müller-Baß betonte: „Mobile Luftreinigungsgeräte sind nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zum aktiven Lüften geeignet, da mit ihnen keine Raumluft gegen Außenluft ausgetauscht wird.“ Immerhin seien dann aber wohl nicht alle 20 Minuten für drei bis fünf Minuten die Fenster weit aufzureißen, hoffen die Vertreter aus Eltern-, Schüler- und Lehrerschaft.

Alle 20 Minuten bis zu 5 Minuten lüften

Goelzner zeigte von vorne herein Kompromissbereitschaft. Es gehe ja gar nicht darum, tatsächlich alle 26 Schulen komplett auszustatten. Ein mobil einzusetzendes Gerät für je 100 Schülerinnen und Schüler würde schon helfen. Tobias Ortmann (CDU) fand es besonders wichtig, dass Räume, in denen vier Stunden lang oder länger Klausuren geschrieben werden, vorrangig bedient werden müssten. Solche Einschränkungen fand GFL-Fraktionschef Hofnagel falsch. In jedem Unterrichtsraum sei ein Gerät sinnvoll. Die Stadtverwaltung war zu einem ganz anderen Schluss gekommen.

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„Wir sehen keine Notwendigkeit“, sagte der Beigeordnete Horst Müller-Baß. Die Stadt habe sich 2020 einen Überblick verschafft. Das Ergebnis: „Alle Räume sind gut zu belüften“ - durch regelmäßiges weites Fensteröffnen. Wie dabei eine Raumtemperatur von 19 Grad zu erreichen sei, ließ der Beigeordnete offen. Auf heftigen Widerspruch stieß er aber noch aus einem ganz anderen Grund.

Widerspruch aus der Politik: Fenster sind nicht zu öffnen

„In der Realschule Altlünen gibt es mehrere Räume, in denen sich jeweils nur ein Fenster wirklich öffnen lässt“, sagte Tobias Ortmann (CDU). Und selbst wenn: „In inklusiven Klassen darf man die Fenster nur auf Kipp stellen“, sagte Iris Lüken, die Schulleiterin der Osterfeldschule und zugleich Sprecherin der Lüner Grundschullehrerinnen und -lehrer, mit Verweis auf die Unfallkasse. Brandschutztüren - und darum handele es sich bei Klassentüren - offen stehen zu lassen, verbiete die Unfallkasse ebenfalls. „So lässt sich nicht im gewünschten Umfang stoßlüften.“ Die Erkenntnis öffnet neue Möglichkeiten.

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Hatte die Verwaltung noch gesagt, alle Räume seien zu belüften - also mit weit geöffnetem Fenster -, ließ sich das jetzt nicht mehr halten. Das macht einen Unterschied - nicht nur für das Raumklima und die Virenlast in der Atemluft, sondern auch bei der Förderfähigkeit. Laut Umweltbundesamt sind in gut zu lüftenden Räumen keine Luftreiniger nötig. Bei eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit - und dazu zählen wegen des Fenster-Öffnungsverbots wohl eine ganze Reihe Lüner Klassen - sind „rasch zu installierende Zu- und Abluftanlagen“ oder der „Einsatz mobiler Luftreiniger“ sinnvoll: die Voraussetzung, dass für den Kauf staatliche Zuschüsse gibt.

Zuschüsse von Land und Bund sind nötig

Ohne die wäre die Investition für die überschuldete Stadt Lünen ohnehin kaum zu stemmen, erst recht nicht rechtzeitig. Bei etwa 700 Klassenräumen und Kosten von 4500 Euro je Luftfilter liegen die Anschaffungskosten bei 3,15 Millionen Euro. „Dann müsste ein Nachtragshaushalt her“, sagte Ausschussvorsitzender Hugo Becker (SPD). Das ließe sich nicht vor November realisieren. Bis dann tatsächlich bestellte Geräte eintreffen könnten, sei der Winter fast vorbei. Johannes Hofnagel setzt auf Unterstützung aus Düsseldorf. In einem offenen Brief an Bürgermeister Kleine-Frauns und den Dezernenten Müller-Baß hatte die GFL appelliert, sich für bessere Förderbedingungen stark zu machen.

Bis zur nächsten Ausschusssitzung in sechs Wochen soll die Verwaltung ermitteln, wie viele Räume tatsächlich nur bedingt zu lüften sind und mit welcher Förderung zu rechnen sei. Auf der Basis werde dann entschieden. Und bestellt - vielleicht. Denn ob Luftfilteranlagen der Weisheit letzter Schluss sind, blieb trotz einstimmigen Prüfauftrags am Ende offen. Was allen zu denken gab: In Bönen stehen 13 bereits angeschaffte Geräte im Abstellraum - wegen der störenden Geräusche.