Lüner Matthias Laarmann (59) geht sein Glaube tief unter die Haut Mutter Gottes auf dem Oberarm

Dem Theologen Matthias Laarmann geht sein Glaube tief unter die Haut
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Matthias Laarmann, 59 Jahre alt, schlank, bärtig, leger gekleidet in Jeans und T-Shirt, verheiratet und Vater dreier erwachsener Kinder, ist seit einiger Zeit mehrfach tätowiert. Dabei zieren nicht Anker oder Herzchen seinen Körper, sondern großflächige christliche Bilder: ein Marienbildnis auf dem rechten Oberarm und ein 50 Zentimeter großer Jesus am Kreuz auf dem Rücken.

Dabei war es nicht einfach für ihn, sich für den Körperschmuck zu entscheiden.

Als Matthias Laarmann zum Termin in der Redaktion erscheint, bringt er einen großen Stoffbeutel voller Bücher mit: Schriften, die belegen, dass Tattoos seit zwei Jahrtausenden Ausdruck des Glaubens im Christentum waren. Er spricht von dem Entdecker James Cook, der die Bezeichnung „Tattoo“ aus der Südsee nach Europa brachte, von Jerusalem-Pilgern, von Gesichtstattoos, die vor Zwangsverheiratungen schützen sollten, von frühen Christen und mittelalterlichen Bischöfen, die diese Form der Zugehörigkeitsmerkmale kritisierten. Spricht davon, dass diese Form der Körperkunst historisch gesehen als soziale Signale, Erkennungszeichen, als Bekenntnis dienten.

Es ist ihm wichtig, diesen Bezug herzustellen. Denn als Lehrer für Latein, Philosophie und katholische Religion an einem Dortmunder Gymnasium, promovierter katholischer Theologe, Privatdozent an der Theologischen Fakultät Paderborn, Mitglied verschiedener kirchlicher Gremien, im Bistum Münster, in Lünen, im Kreisdekanat Coesfeld sowie im Diözesankomitee der Katholiken (DKK) im Bistum Münster hat er eine gewisse Vorbildfunktion. Unter anderem ist er als Laienvertreter zuständig für 170.000 Katholiken.

Es ist ihm wichtig, sich als Christ zu positionieren, sich dabei aber nicht zur Schau zu stellen, zu indoktrinieren oder gar zu provozieren.

„Wir leben in einer Zeit, in der alle zeigen, wofür sie stehen“, begründet der Lüner. „Und auch ich möchte nach außen tragen, wofür ich stehe, mich positionieren und damit meiner Vorbildfunktion gerecht werden.“

Die Maria mit Jesuskind auf dem Oberarm, das Coesfelder Kreuz auf dem Rücken.
Die Maria mit Jesuskind auf dem Oberarm, das Coesfelder Kreuz auf dem Rücken. © Kristina Geratenmaier

In der Familie missbilligt

Trotz dieser starken Motivation mussten fast sechs Jahrzehnte seines Lebens vergehen, bevor er sich zu den Körperbildern entschloss. Denn regelmäßig rufe er mit seinen Tattoos neben Bewunderung auch Irritation hervor, zum Beispiel im Urlaub am Strand, erzählt der Lüner. Und: „Tattoos stehen ja schnell für etwas Kriminelles“, erzählt er. „Es gibt doch diesen Spruch: ‚Ist das erste Tattoo erst mal da, ruft dich schon die JVA.“ Auch in seiner Familie war das die Blickweise auf die Körperbilder. Laarmanns Großvater zum Beispiel hatte als Seemann einen Anker und ein Kreuz tätowiert. Später ließ er sich beide Bilder entfernen. Zu sehr sah er sich in seinen Augen wegen der Tattoos mit einer gewissen Zwielichtigkeit in Verbindung gebracht.

Eisbrecher war schließlich Matthias Laarmanns 22-jährige Tochter: Als sie sich die Worte „Spes“ und „Caritas“ - Hoffnung und Liebe - auf beide Fersenbeine tätowieren ließ, war für den Theologen der Weg geebnet. „Die Zeit war jetzt reif, jetzt hatte ich die biographische Reife“, begründet er den Zeitpunkt. „Mit 40 habe ich Tattoos als spannend empfunden, hätte es aber nicht gewagt. Mit zunehmendem Alter bin ich ganz klar mutiger geworden.“

Das gilt auch für sein gesamtes Erscheinungsbild: Ältere Bilder zeigen ihn glatt rasiert an Kopf und Kinn. Jetzt trägt er seine Haare zwar noch immer sehr kurz, aber viel Haar ums Kinn, das sein Erscheinungsbild komplett verändert. „Der Bart ist nicht mit den Tattoos gekoppelt“, erklärt er, „aber als 2020 der Lockdown kam, hatte ich auf Wunsch meiner Frau und meiner Tochter die Chance, auszuprobieren, wie ich mit Vollbart aussehe.“ Seine Frau, mit der er seit 40 Jahren zusammen ist, unterstützte ihn auch bei den Tattoos.

Sechs Stunden lang stach der Tätowierer Matthias Laarmann in einem Schwerter Studio das Coesfelfder Kreuz unter die Haut.
Sechs Stunden lang stach der Tätowierer Matthias Laarmann in einem Schwerter Studio das Coesfelfder Kreuz unter die Haut. © Bistum Münster

Im Entscheidungsprozess für die Körperkunst hat er sich mit deren Wirkung und vor allem auch mit den Motiven genau auseinander gesetzt. Vor allem ästhetisch sollten sie sein, präzise und kunstvoll gestochen. Die Motive sind Bilder, die eng mit seiner Biographie und seiner persönlichen Überzeugung verknüpft sind. Den Oberarm ziert eine Maria zusammen mit dem Jesuskind. Schon immer sei er Marienverehrer gewesen, erzählt er. Maria sei eine starke Frau gewesen, die ihrem Kind immer beigestanden habe. In einem Bildband fand er zufällig die „Mutter der Demut“, das Bild eines italienischen Malers aus dem frühen 15. Jahrhundert. „Die Gottesmutter bekommt vom Jesuskind eine mystische Rose geschenkt. Das hat mich sofort begeistert“, erklärt er.

Auf dem Rücken trägt er das Bildnis des „Coesfelder Kreuzes“, das in der Coesfelder Pfarrkirche St. Lamberti steht. Da ein Teil seiner Familie aus der Nähe von Coesfeld stammt, sieht er es als Familienkreuz an. Auch in seinem eigenen Zuhause hängt es, geschenkt zur Hochzeit, an der Wand. „Hier ist Jesus als wirklich leidender Jesus dargestellt“, erklärt er. „Der Tag, an dem die Kreuzigung geschah, ist der Tag, an dem man Gott wirklich erkennt. Das ist mein Verständnis von Glauben.“

Sechs Stunden hat es gedauert, sich dieses Motiv stechen zu lassen und war teilweise recht schmerzhaft. „Hier gibt es auch eine Parallele zum leidenden Jesus“, erklärt der 59-Jährige: „Sich zur Kirche zu bekennen, bedeutet heute mitunter besonderes Leidensrisiko und besonderes Durchhaltevermögen.“

Matthias Laarmann bringt ein T-Shirt mit, zu dem er schmunzelnd bemerkt: „Sehen Sie, sogar der Papst ist tätowiert."
Matthias Laarmann bringt ein T-Shirt mit, zu dem er schmunzelnd bemerkt: „Sehen Sie, sogar der Papst ist tätowiert." © Kristina Gerstenmaier

„Ich sehe die Tattoos so ähnlich wie Kerzen, die man vor einer Ikone oder einem Heiligenbild aufstellt und die durch ihr Leuchten ein stummes Gebet sprechen“ , erklärt Laarmann. „Ich möchte das verkörpern, was ich verkünde. Für mich ist das auch eine Art der Selbstvergewisserung“, sagt er. „Wir leben in einer Gesellschaft, in der alle zeigen, was sie denken. Wenn man sich nicht zeigt, wird man von der Gesellschaft übersehen. Ich wollte einfach ein stummes Zeichen setzen und über die Tattoo-Motive Ausdruck finden.“

Das nächste Motiv - den anderen Oberarm soll es schmücken - steht bereits fest: Die „Apokalyptische Frau“, eine in der Bibel erwähnte Vision des Johannes.