Lüner Kinderarztpraxis seit zehn Jahren in der Mersch Medien verändern Entwicklung von Kindern

Kinderarztpraxis seit zehn Jahren im Facharztzentrum in der Mersch
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Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Kinderarztpraxis in der Mersch feiert ihr zehnjähriges Bestehen.
  • Gegründet wurde die Praxis an der Münsterstraße.
  • Das Team besteht aktuell aus den Kinderärztinnen Miriam Uding, Susanne Kretschmann, Elham Zamani und der Weiterbildungsassistentin Sarah Mertens.
  • In den letzten Jahren haben sich die Aufgabenbereiche der Praxis verändert, wobei besonders die Zunahme von sozialpädiatrischen Fällen durch veränderten Medienkonsum und damit verbundene Entwicklungsprobleme bei Kindern bemerkt wurden.
  • Der Kreis Unna ist mit 26,5 Kinderarztstellen für 67.265 Kinder unter 18 Jahren derzeit zu 110,5 Prozent besetzt, was keine weiteren Niederlassungsmöglichkeiten für Kinderärzte zulässt.

Viele Jahre hatte die seinerzeit von Dr. Bernhard Günther gegründete Lüner Kinderarztpraxis ihre Räume an der Münsterstraße. Vor zehn Jahren zogen die dort tätigen Kinderärztinnen Dr. Christiane Ruppert, Miriam Uding und Susanne Kretschmann ins neue Facharztzentrum in der Mersch. Damals seien ihnen die neuen Räumlichkeiten groß vorgekommen, heute könnten sie noch größer sein, schildert Susanne Kretschmann. Vor einem Jahr hat sich Christiane Ruppert nach Österreich verabschiedet. Für sie kam Elham Zamani ins Team der Fachärztinnen für Kinder- und Jugendmedizin. Weiterbildungsassistentin Sarah Mertens gehört seit zwei Jahren dazu.

Im Vergleich zu 2014 habe sich die Arbeit der Medizinerinnen verändert. Der Bereich der Sozialpädiatrie nehme zu. Denn auch der Alltag der Kinder ist heute durch Medienkonsum ein anderer. Kinder bewegten sich nicht mehr viel draußen. Die Ärztinnen sehen, dass ihre kleinen Patienten weniger selbstständig sind und praktische Fertigkeiten wie Schuhbinden später lernten. Es gebe zunehmend Probleme bei der Sprachentwicklung. Der Förderbedarf wie Ergotherapie oder Logopädie sei gestiegen. Auch das Sozialverhalten habe sich verändert.

In der schnelllebigen Zeit fehle Eltern oft die Ruhe zu warten, bis ein Kind von selbst den Entwicklungsschritt mache. Alles müsse heute sofort und perfekt sein. Auch der Umgang mit Krankheiten sei ein anderer. Es mangele an Gesundheitskompetenz. Hätten früher Eltern bei Fieber auch mal auf Hausmittel von der Oma zurückgegriffen, gingen sie heute ins Internet und dann von dem Schlimmsten aus.

Team der Kinderarztpraxis
Kompetenz für junge Patienten: Das gesamte Team der Kinderarztpraxis in der Mersch. © Kinderarztpraxis

Herausforderung Pandemie

Bereits ein Jahr nach dem Praxisumzug in die Mersch waren die Kinderärztinnen auf ganz andere Art gefordert. 2015 kamen viele Geflüchtete mit ihren Kindern nach Lünen. Aus den Flüchtlingsunterkünften wurden die Kleinen in die Praxis gebracht. Es ging um Impfungen, Untersuchungen und Behandlungen. Zusätzliche Arbeit, die die Praxis stemmen musste. 2020 kam die Corona-Pandemie. Die Kinderärztinnen organisierten an Wochenenden große Impfaktionen. Sie richteten am Parkhaus für ihre Praxis eine Corona-Teststelle ein, wo Mitarbeitende oft im zugigen Wind Abstriche nahmen.

In der Praxis musste die Trennung von infektiösen und nicht-infektiösen Patienten eingerichtet werden. „Vorher kam niemand auf die Idee, eine Maske zu tragen“, schildert Susanne Kretschmann. Plötzlich wurde das zu einem großen Thema. Die strikte Trennung von kranken und gesunden Kindern sei bis heute geblieben. Was bei den Eltern gut ankomme. Sie schätzten, dass gesunde Kinder, die zur Vorsorgeuntersuchung kämen, nicht mit ansteckend Erkrankten in einem Warteraum sitzen müssten.

Frauendomäne in Lünen

Nicht nur in der Kinderarztpraxis in der Mersch, sondern in ganz Lünen ist Kinderheilkunde eine Frauendomäne. Sechs Arztsitze verteilen sich auf vier Praxen in der Stadt. In der Praxis in der Mersch muss vor allem in Monaten mit vielen Infekten mit Wartezeiten gerechnet werden. Die Ärztinnen setzen auf Terminvergaben, um diese möglichst gering zu halten. Einen Aufnahmestopp gibt es nicht.

Weil Kinderärzte durch zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen immer mehr zu tun haben, stellt sich die Frage der Bedarfsplanung. Die legt der Gemeinsame Bundesausschuss fest, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Für die Planung der kinderärztlichen Versorgung wird der Kreis Unna zugrunde gelegt. Hier leben 67.265 Kinder unter 18 Jahren, wie es bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) heißt, sei der Kreis Unna mit 26,5 Kinderarztstellen zu 110,5 Prozent (Stand 27. Mai 2024) besetzt. Damit gilt der Bereich als gesperrt. Weitere Niederlassungsmöglichkeiten bestehen derzeit nicht.

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