Eigentlich wollte Ulrike Hirschberg (r.) im Mai nach Kos fliegen. Daran ist kein Gedanke. Die 52-Jährige, hier mit Tochter Marie, hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Nach zwei Nächten auf der Isolierstation des St.-Marien-Hospitals kämpft sie darum, gesund zu werden. Es ist auch ein Kampf gegen die Einsamkeit.

© Hirschberg

Corona-Patientin: Allein mit der Angst und dankbar für jeden Zuspruch

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Ulrike Hirschberg hat Corona. Zwei Nächte lag sie auf der Isolierstation. Auch zuhause muss sie im eigenen Raum sein. „Alle sind sehr fürsorglich, aber man ist doch allein mit seiner Angst.“

Lünen

, 31.03.2020, 18:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Nach Corona wird nichts mehr so sein wie bisher. Davon ist Ulrike Hirschberg (52) überzeugt. Die Medizinische Fachangestellte hat`s erwischt. Der Corona-Test ist positiv. 30 Jahre ist sie mit ihrem Mann verheiratet. Jetzt muss sie allein im Schlafzimmer sein. Immer auf Distanz, wo Nähe so gut tun würde. Nähe darf nicht sein, sie ist sogar gefährlich. Wenn sie sich einen Kaffee holen möchte, muss sie vorher rufen. Ein deprimierendes Lebensgefühl. „Alle sind sehr fürsorglich, aber man ist doch allein mit seiner Angst“, sagt Ulrike Hirschberg.

Vieles, was bis vor Kurzem noch wichtig war, ist für die Medizinische Fachangestellte zur Nebensache geworden. Eigentlich wollten die Hirschbergs im Mai nach Kos fliegen. Darauf hatten sie sich gefreut. Die Reise ist kein Thema mehr. Jetzt geht es nur noch darum, gesund zu werden und wieder mit Familie und Freunden zusammen sein zu können.

Erst Gliederschmerzen, dann Fieber

Ihre Geschichte ist eine, die in diesen Tagen wohl viele auf ähnliche Weise erleben. Plötzlich hat sie Gliederschmerzen, es kommen Fieber und Durchfall dazu. Das Fieber steigt auf 40 Grad. Sie ruft den Ärztlichen Notdienst an. Dort wird Ulrike Hirschberg an das Krankenhaus verwiesen. Ihr ist längst klar, dass sie sich mit dem Coronavirus infiziert haben muss.

Auf einer Isolierstation im St.-Marien-Hospital werden Corona-Patienten versorgt. Kontakt läuft überwiegend über das Handy.

Auf einer Isolierstation im St.-Marien-Hospital werden Corona-Patienten versorgt. Kontakt läuft überwiegend über das Handy. © Goldstein

Sie schilderte am Kliniktelefon ihre Symptome und macht deutlich: „Ich brauche einen Test“. Es ist Sonntag. Eine nette Ärztin im Ganzkörperschutzanzug holt sie am Eingang ab, nimmt Abstriche aus Mund und Nase, versorgt sie mit Medikamenten und entlässt sie nach Hause.

Schon einen Tag später bestätigt das Gesundheitsamt die dunkle Vorahnung. Der Test ist positiv. Sie hat Covid 19. Dem Amt geht es jetzt um die Kontaktkette. Arbeit, Freunde, wer könnte sich angesteckt haben? „Es gab eine Einführung, wie ich mich verhalten soll“, erinnert sich Ulrike Hirschberg. Doch sie fühlte sich so schlapp, sie wollte eigentlich nur schlafen.

Für die Sanitäter der erste Corona-Fall

Am Dienstag brach sie bewusstlos zusammen. Seit Tagen hatte sie kaum etwas essen und trinken können, dazu kamen Durchfall und Atemnot. Die Familie rief den Rettungsdienst. „Junge, freundliche Sanitäter fuhren vor. Ich war ihr erster Corona-Fall“, erinnert sich Ulrike Hirschberg. Sie musste längere Zeit im Rettungswagen bleiben. Der hielt am Hintereingang des St.-Marien-Hospitals. Derweil bereiteten Mitarbeiter ihr Quarantäne-Zimmer auf der Isolierstation vor. „Ein Super-Team“, ist sie begeistert von der Versorgung.

Die ist bei Corona-Patienten sehr aufwendig. „Die Schwestern müssen sich bis zum Schlüpfer ausziehen und Schutzkleidung anlegen. Jedes Mal, wenn sie ins Zimmer kommen“, berichtet Ulrike Hirschberg. Ihr Zimmer: Ein Bett, ein Handy, mehr nicht. Es gibt keinen Fernseher. Der Kontakt läuft überwiegend per Handy. Dort war die Stationsnummer schon eingespeichert.

Ulrike Hirschberg bekam Infusionen und den gewünschten Kamillentee. Zweimal am Tag brachte das Personal Essen, nahm Blut ab und prüfte den Blutdruck. Ansonsten Gespräche nur per Handy. Aus den Nachbarzimmern hörte Ulrike Hirschberg das Husten von Patienten. Sie war allein mit sich, ihren Gedanken und Gefühlen. „Alle dort haben einen tollen Job gemacht“, sagt Ulrike Hirschberg, und dass das Klinik-Personal auch nicht wisse, was noch auf das Krankenhaus zu käme.

Zuhause, aber immer auf Abstand

Nach zwei Nächten kommt Ulrike Hirschberg nach Hause. Sie ist bis auf Weiteres in Quarantäne. Mann und Tochter halten sich auf unterschiedlichen Etagen auf. Die Mahlzeiten dürfen nur nacheinander eingenommen werden. Sie ist bei ihrer Familie, aber doch getrennt. „Alles ganz schrecklich“, findet Ulrike Hirschberg, zumal es von ihr abhängt, wann die Familie wieder das Haus verlassen darf.

Wie schön ist es dann, wenn der Hausarzt klingelt, aus der Entfernung ruft: „Sie schaffen das“ und zwei Daumen hochhält. Ulrike Hirschberg kommen bei der Erinnerung die Tränen, so gerührt ist sie. Oder die Kollegen, die sich melden. Die Patentante der Tochter, die einkauft und die Sachen vor die Tür legt. Sie kann sie nur durch die Scheibe sehen.

Ulrike Hirschberg ist unendlich dankbar. Für die vielen Zeichen der Zuwendung und Unterstützung. „Ich erlebe viel Freundlichkeit, Liebe und Hilfsbereitschaft.“ Das helfe ihr beim Gesundwerden.

Jetzt wartet sie auf den Termin zum zweiten Test. Der soll in dieser Woche sein. Ist er negativ, darf die Familie nach den 14 Tagen die Quarantäne beenden. Über die andere Variante will sie gar nicht nachdenken.

Ulrike Hirschberg hat die Krankheit verändert. „Vieles, wie shoppen gehen, hat für mich jetzt eine andere Bedeutung“, sagt sie. Was früher selbstverständlich war, wie das Zusammensein mit der Familie, habe einen neuen Stellenwert. Die Medizinische Fachangestellte hat schon Pläne für die Zeit nach Corona: „Wenn ich das überstanden habe, kann ich gut helfen.“ Denn sie hat selbst erlebt, wie man sich als Covid-19-Patient fühlt, sie kennt die Traurigkeit und das Alleinsein, aber auch die tiefe Dankbarkeit für jegliche Zuwendung.