Für das eine oder andere Mitglied des Lüner Stadtentwicklungs-Ausschusses ist der im Mai 2019 an den Start gegangene „Lüner Beirat für Stadtgestaltung und Baukultur“ (LBSB) immer noch ein unbekanntes Wesen. Das zeigte sich in der jüngsten Sitzung des Ausschusses (17. Mai) im Rathaus, als es darum ging, die „bisherigen fünf aktiven Beiratsmitglieder des LBSB für eine weitere Amtszeit - Beiratsperiode 2023 bis 2025 - zu berufen.“
Dass dies schon vor Monaten hätte passieren müssen, spielte eine untergeordnete Rolle. Lünens Technischer Beigeordneter Arnold Reeker sagte, dass es die Geschäftsstelle des Gestaltungsbeirates im vergangenen Jahr versäumt habe, die Mitgliedschaft der aktiven Mitglieder zu bestätigen, beziehungsweise durch die Politik bestätigen zu lassen.
Um es vorwegzunehmen: Der Ausschuss stimmte in der Sitzung trotz offener Fragen zu der bisherigen Beratertätigkeit des LBSB rückwirkend für eine Verlängerung der Zusammenarbeit. Diese Kooperation kostet die Stadt Lünen nach Angaben der Verwaltung maximal 10.000 Euro an Aufwandsentschädigungen pro Jahr. Die endgültige Entscheidung in der Sache trifft der Stadtrat in seiner Sitzung am Mittwoch (7. Juni).
Wissenslücken?
Während die Ratsherren Arno Feller (CDU) und Andreas Dahlke (GFL) gut über die Beiratsarbeit informiert zu sein schienen, sah das unter anderem bei SPD-Ratsherr Klaus Lamczick nicht ganz danach aus. Dabei wird der Experten-Beirat von fünf „passiven Mitgliedern“ (kein Stimmrecht, Anm. d. Red.) aus den Reihen des Stadtrates ergänzt. So sieht die Satzung bislang vor, dass die drei größten Ratsfraktionen durch je eine Person vertreten werden und zwei weitere Personen die restlichen Fraktionen vertreten. Ziel soll es dabei unter anderem sein, dass die Ergebnisse des Beirates auf diese Weise in die Fraktionen transportiert werden. Das scheint nicht in jedem Fall gelungen zu sein.
Arno Feller und Andreas Dahlke jedenfalls waren voll des Lobes der Beiratstätigkeit, ohne konkrete städtebauliche Projekte zu benennen, zu denen der Beirat seine Einschätzung abgegeben hat - entsprechend seinem Arbeitsauftrag. Dazu findet sich auf der Hompage der Stadt Lünen folgender Hinweis:
„Als unabhängiges Sachverständigengremium unterstützen die Mitglieder die politischen Institutionen ebenso wie die Fachverwaltung in Fragen der Architektur, der Stadt- und Freiraumplanung und des Stadtbildes. Der Beirat wird Vorhaben von städtebaulicher Bedeutung in ihrer Auswirkung auf Stadtgestalt und Stadtstruktur begutachten, um Politik und Verwaltung fachlich kompetente Empfehlungen als Entscheidungsgrundlagen geben zu können.“

Keine Informationen
Wie es in der Beschlussvorlage der Verwaltung für die Sitzung des Stadtentwicklungs-Ausschusses heißt, fand Ende April 2023 die neunte Sitzung des Beirates statt: „In der Regel finden diese in Präsenz statt. Während der Corona-Pandemie wurden die Sitzungen als Videokonferenzen durchgeführt. Bisher konnten so bereits 26 konkrete Bauvorhaben beraten werden. Darüber hinaus konnten weitere Themen im Rahmen von Mitteilungen oder Kurzberichten aus der Verwaltung behandelt werden“.
Weitere Angaben dazu finden sich in der Vorlage keine. Dazu flossen auch vonseiten der Verwaltung in Person von Arnold Reeker in der Ausschusssitzung keinerlei Informationen. Auch zum Leidwesen von SPD-Ratsherr Klaus Lamczick, der gern mehr gewusst hätte, aber auf den „nicht-öffentlichen Teil“ der Ausschuss-Sitzung vertröstet wurde - immerhin.
Denn die breite Öffentlichkeit erfährt grundsätzlich nichts mehr über die Arbeit des Expertenbeirats. Schon gar nicht von dem Gremium selbst. Das hat seine Gründe, wie Recherchen dieser Redaktion Anfang 2020 rund um die ehemalige Mercedesfläche und die Pläne des Bauvereins zu dem Gelände ergaben. Damals hatte Beiratschef Boris Biskamp (Architekt) auf eine Anfrage dieser Redaktion zu dem Mercedes-Entwurf des Bauvereins geantwortet und sich damit viel Ärger mit der Verwaltung eingehandelt.
Mit Blick auf die Beiratssatzung hatte der damalige Stadtsprecher Benedikt Spangardt klargestellt, dass Biskamp laut Satzung zur Verschwiegenheit über die internen Beratungen und Wahrnehmungen verpflichtet sei und dass die Verletzung der Verschwiegenheit mit dem Ausschluss vom Gestaltungsbeirat bedroht sei. Die Stadt sprach seinerzeit im Zusammenhang mit Biskamps Aussagen von einem „Vertrauensbruch“, aus dem nachher „Unstimmigkeiten“ wurden. Davon ist heute keine Rede mehr.
Großes Schweigen
Wer die Sitzung des Stadtentwicklungs-Ausschusses am 17. Mai verfolgte, muss davon ausgehen, dass die Verwaltung auch in Zukunft über die Beiratsarbeit weitestgehend den Mantel des Schweigens hüllt - zumindest für die breite Öffentlichkeit. Anders sieht es mit der Politik aus. Damit die künftig besser informiert ist, soll jede Fraktion ein Mitglied in den Beirat entsenden und einen Stellvertreter benennen.
- Der Gestaltungsbeirat besteht aus fünf Mitgliedern, die vom Stadtrat berufen wurden: Boris Biskamp (Architekt), Dirk Godau (Architekt), Juliane Kopperschmidt (Landschaftsarchitektin), Ulrich Paßlick (Raumplaner) und Gunnar Ramsfjell (Architekt).
- Zum Vorsitzenden wählten die Beiratsmitglieder in ihrer ersten Sitzung im Mai 2019 Boris Biskamp, sein Stellvertreter ist Gunnar Ramsfjell.
- Die Mitglieder des LBSB müssen laut der Satzung des Beirats „externe Fachleute in den Gebieten Architektur, Landschaftsplanung und Städtebau oder vergleichbarer Fachbereiche“ sein. Daher kommen alle fünf Experten nicht aus Lünen und bringen unterschiedlichste praktische Erfahrungen mit.
- Satzungsgemäß dürfen sie in ihrer Amtszeit auch keine Bau- oder Planungsprojekte in Lünen angehen. Damit soll die Unabhängigkeit des Gremiums gesichert werden.
- Der Experten-Beirat wird vervollständigt von fünf sogenannten „passiven Mitgliedern“ aus den Reihen des Rates der Stadt Lünen. Diese haben kein Stimmrecht.
- Die Satzung sieht vor, dass die drei größten Ratsfraktionen durch je eine Person vertreten werden und zwei weitere Personen die restlichen Fraktionen vertreten.
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