Auch die Fleischerei-Verkäufer (hier exemplarisch die Stolzenhoff-Metzgerei) verdienen mit hoher Wahrscheinlichkeit unter zwölf Euro. © Goldstein
Arbeitnehmerrechte
Lüner Arbeitgeber stehen sehr unterschiedlich zu höherem Mindestlohn
Mindestens zwölf Euro sollten Arbeitnehmer pro Stunde verdienen. Das fordern SPD, Grüne und auch Die Linke. Lüner Unternehmer sehen diesen Vorstoß der Politik mit gemischten Gefühlen.
Seit sechs Jahren gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn. Derzeit liegt er bei 9,60 Euro, bis Juli 2022 soll er auf 10,43 Euro steigen. Mehreren Parteien reicht das nicht aus: Der Mindestlohn soll angehoben werden, auf zwölf Euro, wenn es nach SPD und Bündnis 90 / Die Grünen geht; 13 Euro fordert Die Linke.
In einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung werden 50 Berufe mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit für Löhne unter zwölf Euro aufgezählt. Darunter sind die Friseure, Bäckereifachverkäufer, Hotelfachmänner- und frauen, Helfer in Produktion und Fertigung, Altenpfleger oder medizinische Fachangestellte.
Hört man sich bei Lüner Unternehmen, also Arbeitgebern um, wie sie zum Thema Mindestlohnerhöhung stehen und was das für ihr Unternehmen bedeuten würde, haben die drei befragten Unternehmen drei unterschiedliche Meinungen und stehen somit exemplarisch für den Facettenreichtum der Meinungen zu diesem Thema.
„Arbeit muss sich lohnen“
Dennis Stolzenhoff, Geschäftsführer des gleichnamigen Catering-Unternehmens, sagt mit Nachdruck: „Der Mindestlohn muss dringend auf zwölf Euro oder mehr angehoben werden.“
Allerdings sei es als Einzelbetrieb nicht schaffbar, mit einem Sonderweg wettbewerbsfähig zu bleiben. „Die Löhne wurden ja wegen des Marktverhaltens jetzt schon angehoben“, bemerkt Stolzenhoff, „aber der Abstand zwischen den Arbeitenden und den Nicht-Arbeitenden muss weiter größer werden und das ganz unabhängig von Tarifverträgen. Denn Arbeit muss sich lohnen.“ Stolzenhoff selbst zahlt im Rahmen eines Haustarifvertrags aktuell zehn Euro Mindestlohn.
Preisanhebung der Produkte möglich
Wilhelm Kanne, Geschäftsführer der Bäckerei Kanne GmbH, spricht sich ebenfalls für eine Erhöhung des Mindestlohns aus, „wenn er für alle gleich wäre. Es darf keine Wettbewerbsverzerrung wegen schwarzer Schafe geben“, sagt auch er. Allerdings sieht er deutliche Folgen dieser politischen Strategie.
Gemäß des Endgeldvertrags für das Bäckerhandwerk ist die unterste Tarifstufe bei Kanne knapp oberhalb des Mindestlohns angesiedelt. Auch eine ungelernte Kraft verdient etwas über 9,60 pro Stunde.
Das Unternehmen ist zur Zeit also nicht vom Mindestlohn tangiert. Wenn es eine Anhebung des Mindestlohns gäbe, dann würden auch die Tarifverträge des Bäckerhandwerks angepasst, vermutet Kanne.
„Wenn wirklich eine Anhebung kommt“, gibt Kanne zu Bedenken, „dann müsste eine Anpassung und langfristig eine Preisanhebung unserer Produkte folgen.“ Bisher habe das Unternehmen das trotz „explodierender Rohstoff- und Energiekosten“ vermeiden können.
Wenn jetzt aber höhere Personalkosten hinzukämen, sei das nicht mehr zu vermeiden. „Wir müssen ja dann auch irgendwann die Wirtschaftlichkeit bedenken“, sagt Kanne. „Ich glaube auch, dass wir das eine oder andere Problem weniger hätten, wenn wir mehr Wertschätzung gegenüber unseren Lebensmitteln hätten“, fügt er hinzu.
Tarifautonomie muss bewahrt bleiben
Remondis wiederum zahlt flächendeckend Tariflöhne. Je nach Region, Niederlassung und zuständiger Gewerkschaft sind dies überwiegend Haustarife oder der Tarif des Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) und hat sich nach eigenen Angaben als erstes Unternehmen in der Kreislaufwirtschaft für einen Branchenmindestlohn stark gemacht. „Dieser, von Remondis angeregte Branchenmindestlohn liegt mit aktuell 10,45 Euro deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn von 9,60 Euro“, so Unternehmenssprecher Michael Schneider.
„Es wäre sicher übertrieben zu sagen, dass uns die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns durch die Politik in Bedrängnis bringen würde. Fakt ist jedoch, dass ein solcher Eingriff in die Tarifautonomie seitens der Politik immer kritisch gesehen werden muss, denn er verletzt nicht nur die Tarifautonomie der Verhandlungspartner, sondern führt in der Konsequenz immer auch zu spürbaren Kostensteigerungen, die dann wiederum an die Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler sowie andere Abnehmer der kreislaufwirtschaftlichen Dienstleistungen weitergegeben werden müssten“, gibt Schneider im Namen des Unternehmens zu Bedenken.
Deswegen plädiere Remondis dafür und wünsche sich von der Politik, sich nicht in die Tarifautonomie einzumischen.
Ulrich Stallmann ist Betriebsratsvorsitzender bei Remondis. Er ist bezüglich der Mindestlohn-Frage zwiegespalten. „Für die Branche gibt es aktuell einen Mindestlohn“, sagt er, „wer aber darauf angewiesen ist, bei dem kommen wirklich nicht die großen Reichtümer zustande. Auch nicht, was die Rente betrifft.“ Andererseits wäre durch einen Vorstoß der Politik die Tarifautonomie der Unternehmen gefährdet, sagt auch der 54-Jährige, der in der Logistik beschäftigt ist. Ganz deutlich spricht er sich aber dafür aus - und folgt damit einer Forderung der SPD - dass sich Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen an Tarifverträge zu halten hätten.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ist klar für eine Erhöhung des Mindeststundengehalts. „Wir fordern seit langem einen armutsfesten Mindestlohn von 12 Euro je Zeitstunde als unterste Haltelinie. Darunter darf in Deutschland nichts gehen.“, sagte DGB-Vorsitzender Rainer Hoffmann. „Wer (in Vollzeit) arbeitet, muss in einem wohlhabenden Land wie Deutschland davon auch gut leben können!“ Der aktuelle Mindestlohn reiche für den allgemeinen Lebensunterhalt, gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe nicht aus. Ebenso wenig wie für eine Rente oberhalb der Grundsicherung.
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