Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns zur Halbzeit Über Steag-Fläche, Steuern und Stärken

Bürgermeister Kleine-Frauns über Steag-Fläche, Steuern und Stärken
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Fast auf den Tag genau vor drei Jahren hat Jürgen Kleine-Frauns (parteilos) die Stichwahl zum Bürgermeisteramt gegen Rainer Schmeltzer (SPD) gewonnen. Was war wichtig in der zweiten Amtszeit? Was will er in den nächsten zwei Jahren noch erledigen? Und strebt er eine dritte Amtszeit an?

Corona, Krieg, Inflation: Ihre zweite Amtszeit war geprägt durch große Krisen. Eine Folge: der anhaltende Zustrom von Flüchtlingen. Begrüßen Sie die aktuellen Anstrengungen des Landes NRW, eine Notaufnahmeeinrichtung im ehemaligen Caterpillar-Verwaltungsgebäude unterzubringen?

Wir verhandeln da ja nicht mit dem Land, sondern der Eigentümer, also Hauhinco. Ich werde aber nicht dafür werben, dass wir diese Form der Unterbringung nach Lünen holen. Das Land will in seinen Einrichtungen immer eine große Anzahl von Geflüchteten unterbringen. Das erzeugt vielfach Probleme. Ich glaube, eine Stärke von uns in Lünen ist es, dass es hier große Solidarität in der Bürgerschaft mit geflüchteten Menschen gibt. Was die Betreuung und Begleitung von Flüchtlingen betrifft, sind wir sehr, sehr gut aufgestellt. Und grundsätzlich gilt: Ich möchte niemanden, der Hilfe sucht, abweisen.

Springen wir zurück ins Jahr 2020. Wenn Sie zurückdenken an die Kommunalwahl: Was kommt Ihnen da als erstes in den Sinn? Die Freude über den Wahlsieg oder der Ärger über Pannen beim ersten Wahlgang durch teilweise fehlende Wahlunterlagen und lange Warteschlangen?

Wenn ich zurückblicke, dann denke ich an die große Freude, als das sehr knappe Ergebnis bekannt war. Bei der Organisation der Kommunalwahl 2020 ging es darum, in der Corona-Zeit ausreichend Zugänge zu den Wahllokalen zu schaffen. Das war eine Sondersituation, die unmittelbar der Corona-Lage geschuldet war. Ob Corona, Krieg oder Energiekrise: Die letzten drei Jahre waren von Herausforderungen geprägt, denen sich in dieser Ballung kein Lüner Bürgermeister vor mir seit dem Zweiten Weltkrieg stellen musste.

Apropos Panne und Wartezeiten: Im Bürgerbüro hatten Menschen mitunter mehrere Monate auf einen Termin warten müssen. Sind Sie inzwischen zufrieden?

Ja. Dass es überhaupt diese Probleme gab, hing mit Corona-Schutzmaßnahmen zusammen. Selbstkritisch ist aber festzustellen, dass wir zu spät wieder zurückgekehrt sind zu einem System, das vor der Corona-Zeit funktioniert hat: nämlich dass wir nicht ausschließlich mit Terminen arbeiten. Jetzt haben wir das Ruder herumgerissen, das Personal aufgestockt und vor allem das System umgestellt. Womit ich noch nicht zufrieden bin, sind die Wartezeiten in der Ausländerbehörde. Da müssen wir noch nacharbeiten.

„Lünen bewegt sich“, lautete Ihr Wahlkampfslogan. Zu Beginn Ihrer zweiten Amtszeit hat Lünen aber erst einmal auf die Bremse getreten: Tempo 30 auf sechs Hauptverkehrsstraßen. Hat das inzwischen Akzeptanz erfahren?

Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 ist eine Reaktion auf die Lärmaktionsplanung. Angefangen hatten wir damit vor zehn Jahren. Das hier war eine nächste Stufe, weitere werden folgen. Es gibt gesetzliche Verpflichtungen dazu, das EU-Recht vor Ort umzusetzen. Andere Städte schieben das noch vor sich her. Aber ich denke, dass es zeitgemäß ist, sich zu kümmern. Denn Lärm ist auch eine Umweltbelastung.

Zur Eröffnung der Lünsche Mess 2023 hat Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns das Fass im Schützenzelt angestochen - zur Hälfte der zweiten Amtszeit bereits mit Routine.
Zur Eröffnung der Lünschen Mess 2023 hat Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns das Fass im Schützenzelt angestochen - zur Hälfte der zweiten Amtszeit bereits mit Routine. © Günther Goldstein

Ihre Wahlkampftour hatten Sie mit dem Fahrrad gemacht. Wie fördern Sie in Ihrer zweiten Amtszeit des Radverkehr?

Große Lösungen, etwa eigene Radspuren wie in Kopenhagen, können wir nicht umsetzen. Dafür fehlt uns angesichts der großen Besiedlungsdichte der Platz. Stattdessen setze ich auf viele kleine Maßnahmen. Da geht es darum, Barrieren auf den Radwegen zurückzubauen. Ich wünschte mir auch, dass wir die Fahrradwege farblich kenntlich machen. Das wäre in meinen Augen ein großer Zugewinn. Das möchte ich bis 2025 umsetzen.

Nicht nur Auto- und Radfahrer müssen sich Straßenraum teilen, sondern auch Radfahrer und Fußgänger. Das führt in der City immer wieder zu Konflikten. Braucht Lünen eine reine Fußgängerzone?

Diese Forderung finde ich überzogen. Wir sollten eine solche Frage, ob eine Regelung gut ist, nicht von einzelnen Verkehrsrowdys abhängig machen. Gleichzeitig glaube ich, dass wir einen Leezenpatt brauchen, der seinen Namen verdient: eine Straße, in der man barrierefrei und zügig mit dem Fahrrad fahren kann - von der Cappenberger Straße aus, an der alten Sparkasse vorbei, über die Graf-Adolf-Straße zur Salford-Brücke. Aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Freuen Sie sich über die Fertigstellung des A2-Vollanschlusses?

Ja, den finde ich richtig gut, weil er wirklich eine Entlastung bringt. Er wird noch größere Bedeutung bekommen, wenn es die Gewerbegebiete Klötersfeld und Derner Straße geben wird. Noch sind wir da in der baurechtlichen Prüfung, aber ich würde es begrüßen, wenn es dazu käme. Wir haben in Lünen immer noch 10 Prozent Arbeitslosigkeit.

Und wie geht es auf der Steag-Fläche weiter?

Die Stadt Lünen ist ja nicht Eigentümerin. Daher ist es gut, sich Zeit zu nehmen, damit unsere klar formulierten Interessen auch gehört und umgesetzt werden. Sie fließen ein in die aktuelle Bauleitplanung. Die Fläche ist das Zukunftspotential für den Wirtschaftsstandort Lünen.

Wie sieht es mit Lünens ältester Gewerbefläche aus auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Viktoria: Kann auf dem Weg zur IGA noch etwas schiefgehen?

In jedem Falle wird dort ein Naturraum entstehen mit Freizeitwert, der zur Erholung dienen wird. Ich bin davon überzeugt, dass es er auch das IGA-Label führen wird, insbesondere, nachdem Bergkamen, unsere Partnerin bei der Gestaltung des Projekts, im Boot geblieben ist. Ich freue mich auf die IGA. Dass man notfalls auf bestimmte Elemente aus diesem Landschaftsgarten verzichten muss, wenn sich die Finanzierung nicht darstellen lässt, kann ich aber nicht ausschließen.

Die Haushaltskrise prägt Ihre zweite Amtszeit. „Lünen steuert gegen“ heißt das aktuelle Motto. Hätten Sie nicht schon vor Jahren damit anfangen können?

Bis zur Pandemie gab es eigentlich keine Veranlassung gegenzusteuern, weil wir auf einem guten Kurs waren. Wir hatten ausgeglichene Haushalte in den ersten Jahren meiner Amtszeit: 2016, 17, 18 und auch 19. Wir waren auf Konsolidierungskurs. Corona hat uns dann aber in die Schieflage gebracht. Statt Bilanzierungshilfen brauchen die Städte dringend frisches Geld, mit dem sie die Aufgaben bewältigen können, die Bund und Land ihnen auftragen.

Der Kämmerer hat auf schmerzhafte Einschnitte eingestimmt. Haben Sie schon schlaflose Nächte, weil Sie fürchten müssen, in Ihrer Amtszeit etwa das Lükaz oder die Musikschule dichtmachen zu müssen?

Ich will jetzt nicht auf einzelne Einrichtungen eingehen. Da will ich erst gar keine Ängste schüren. Generell möchte ich sagen, dass wir das Bisschen, was wir noch an Selbstverwaltungsmöglichkeiten haben, unbedingt erhalten müssen. Freiwillige Leistungen sind so etwas wie der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Wenn wir ehrenamtliche Arbeit nicht mehr unterstützen könnten mit freiwilligen Leistungen, dann würden wir als Stadtgesellschaft unsere Identität verlieren.

Müssen sich die Lünerinnen und Lüner auf eine Anhebung der Hebesätze einstellen?

Ich persönlich kann mir das nicht vorstellen. Es kann ja nicht sein, dass der Bund die Menschen entlastet und die Kommune ihnen dann hinterher das zusätzliche Geld durch Steuererhöhungen wieder aus der Tasche zieht. Zu 100 Prozent ausschließen kann ich es aber auch nicht. Aber wie der Kämmerer sagt: Steuererhöhungen sind die Ultima Ratio. Ich hätte Sympathie für ein Eskalationsszenario gegenüber dem Land, bei dem wir im Fall der Fälle sagten: Nein, Steuererhöhungen machen wir nicht. Schickt uns doch einen Kommissar, der uns dann sagt, wie wir hier unsere Arbeit leisten können, ohne die Stadtgesellschaft kaputtzumachen.

Apropos Mehrkosten: Seit Anfang 2023 hat Lünen eine vierte Beigeordnetenstelle. Das war eine sehr umstrittene Entscheidung. Sie hatten sich dafür entschieden eingesetzt. „Durch Entlastung stärken“, hieß das Motto. Ist die erwünschte Entlastung eingetreten?

Ja, ich bin sehr zufrieden. In diesem Jahr haben wir einen großen Zuwachs an Gästen bei städtischen Veranstaltungen registrieren können: Besucherrekorde beim Weinfest, beim Brunnenfest, bei der Lünschen Mess oder auch die Arbeit in den Bereichen Mobilität, Smart City und Umwelt. Das hätten wir mit drei Beigeordneten nicht schaffen können. Es bedarf letzten Endes der Steuerung durch einen Beigeordneten, damit man die ganzen Potenziale herauskitzeln kann. Das gilt auch für Förderprogramme. Was wir in diesem Jahr an zusätzlichen Fördermitteln eingeworben haben, ist ein Vielfaches der zusätzlichen Kosten für die neue Stelle.

Auch Ihr Dezernat ist spürbar entlastet worden. Sie haben die Bürgerdienste und den Bereich öffentliche Ordnung abgegeben und konzentrieren sich auf Verwaltungsleitung, Repräsentation und Städtepartnerschaften. Sind Sie auf kommunaler Ebene jetzt mehr Bundespräsident als Bundeskanzler?

Der Bundespräsident ist doch noch deutlich weiter weg von den Bürgerinnen und Bürgern. Die Begegnungen mit den Menschen sind mir am wichtigsten. Tatsächlich sind mir jetzt viel mehr Begegnungen möglich. Wir sind immer mehr darauf angewiesen, dass das Ehrenamt einen Teil der Aufgaben trägt, die ursprünglich mal klassischerweise zur kommunalen Daseinsvorsorge gehört haben. Das funktioniert nur, wenn die, die sich engagieren, auch Wertschätzung erfahren. Darum kümmere ich mich.

Gucken wir in die Zukunft. Wenn die aktuelle Amtsperiode zu Ende geht, sind Sie 58. Werden Sie für eine dritte Amtszeit kandidieren?

Mir macht diese Aufgabe wirklich Freude. Insofern: Wenn ich es heute entscheiden müsste, würde ich sagen: Ja. Aber ich muss es nicht heute entscheiden und kann es auch nicht. Diese Entscheidung werde ich auch nicht alleine, sondern mit meiner Frau zusammen treffen.

Deutet Ihre deutlich gestiegene Social-Media-Repräsentanz seit diesem Jahr nicht schon darauf hin, dass Sie eine dritte Amtszeit anstreben?

Das ist auch Teil der Arbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern. Ich versuche den Menschen zu vermitteln, was alles in der Stadt stattfindet. Das hat nichts mit Wahlambitionen zu tun.

Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns im Frühjahr 2021. Seine zweite Amtszeit läuft noch bis Herbst 2025.
Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns im Frühjahr 2021. Seine zweite Amtszeit läuft noch bis Herbst 2025. © Stadt Lünen

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