Lünen-Süd: Ein Stadtteil mit guter Nahversorgung und wenig Gastronomie

© Günther Goldstein

Lünen-Süd: Ein Stadtteil mit guter Nahversorgung und wenig Gastronomie

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Viel Grün und gute Nahversorgung. Damit kann Lünen-Süd an der Stadtgrenze zu Dortmund punkten. Doch der vom Bergbau geprägte Ortsteil hat in manchem auch Nachholbedarf.

Lünen-Süd

, 20.03.2019, 05:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Es war eine bewusste Entscheidung. Silke (49) und Dietmar (57) Glahn sind vor 13 Jahren in ein Zechenhaus nach Lünen-Süd gezogen. Mit ihren Kindern Luca (17), Mika (13) und Luna (12) wohnen sie in dem Ortsteil, den Blüte und Niedergang des Bergbaus prägt. „Wir leben gerne hier“, sagen sie. Sie schätzen die nette Nachbarschaft in der Siedlung. Für Silke Glahn war es eine Rückkehr zu ihren Wurzeln: Sie stammt aus der Alsenstraße und „kennt hier jeden Strauch“. Familiär sind die Glahns dem Bergbau verbunden.

Den Einkauf erledigt die 49-Jährige komplett in Lünen-Süd. Es gibt Rewe, Rossmann, Penny, Aldi und Getränke Gefromm. So wie sie sehen es auch andere im Ort: Bei der Frage nach der Nahversorgung schneidet Lünen-Süd im Stadtteilcheck mit acht von zehn möglichen Punkten ab und liegt damit knapp unter dem stadtweiten Wert von neun Punkten. Was sich Silke Glahn allerdings wünscht, ist ein traditioneller Bäcker, so wie es ihn früher einmal gab. Weggebrochen ist der Wochenmarkt auf dem neuen Bürgerplatz. Die erforderliche Nachfrage war nicht da.

Das Gefühl, in Lünen-Süd ganz gut aufghoben zu sein, deckt sich mit dem der 120 Lünen-Süder, die am Stadtteilcheck teilgenommen haben: Die Lebensqualität wurde mit sieben von zehn Punkten bewertet. Für Lünen insgesamt gab es acht Punkte.

Ein Blick in die denkmalgeschützte Zechenkolonie Ziethenstraße: Das Thema Wohnen ist mit sieben Punkten besser bewertet worden als im Stadtdurchschnitt mit sechs.

Ein Blick in die denkmalgeschützte Zechenkolonie Ziethenstraße: Das Thema Wohnen ist mit sieben Punkten besser bewertet worden als im Stadtdurchschnitt mit sechs. © Magdalene Quiring-Lategahn

Auch Thomas Melson, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Lünen-Süd, wohnt gerne hier. „Hier ist noch Arbeitermentalität zu spüren. Die Menschen sind herzlich und hilfsbereit.“ Reinhold Bauhus, Leiter der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule und Vorsitzender des Projektbeirats „Stadtumbau Lünen-Süd“, sagt: „Lünen-Süd wird von den Bürgern im Stadtteil selbst anders wahrgenommen als von außen.“ Aus der Außenperspektive gebe es Vorurteile, die wenig berechtigt seien. Er sei überrascht, wie groß das Interesse der Lünen-Süder an der Entwicklung ihres Ortsteils sei.

Daten und Fakten zum Stadtteil Lünen-Süd.

Daten und Fakten zum Stadtteil Lünen-Süd. © Hasken

Seit 2011 begleiten Bürger am „Runden Tisch“ den Erneuerungsprozess, seit 2014 läuft das Stadtumbauprojekt. Seitdem sind 1,25 Millionen Euro in den Stadtteil geflossen, unter anderem in den neuen Bürgerplatz und das Stadtteilmanagement.

Ein Blick auf den neuen Bürgerplatz.

Ein Blick auf den neuen Bürgerplatz. © Magdalene Quiring-Lategahn

80 Prozent der Gelder stammen aus dem Förderprogramm „Stadtumbau West“. Ein Stadtteilbüro an der Jägerstraße ist Anlaufstelle. Durch das Fassadenprogramm für den Bereich Jägerstraße bekamen zehn Häuser eine neue Optik, weitere Anträge liegen vor. Es sind viele kleine Schritte, die etwas bewirken sollen. Wie die Info-Börse gegen Leerstand auf der Jägerstraße. Silke Glahn erinnert sich noch an Spielwaren- und Kramläden. Dass Geschäfte aufgegeben haben, sieht sie im Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung im Einzelhandel.

Lünen-Süd hat in einigen Bereichen Nachholbedarf. Es gibt keinen Jugendtreff, was Silke Glahn schon wichtig findet. Auch das Thema Gastronomie bekommt nur vier Punkte. „Wenn wir nett ausgehen möchten, ist Lünen-Süd nicht unser Ziel“, sagen die Glahns. Sie könnten sich Gastronomie am Bürgerplatz vorstellen, auch, um den neu gestalteten Bereich mehr zu beleben.

Das wurde (noch) positiv bewertet:

Grünflächen: Der Stadtteil wird als grün wahrgenommen. Acht Punkte haben die Lünen-Süder vergeben, das deckt sich mit dem Stadtschnitt. Es gibt den Südpark, der von den ehrenamtlich engagierten Südparkfreunden mit Unterstüzung der Stadt herausgeputzt wurde.

Der Leezenpatt ist ein beliebter Radwanderweg.

Der Leezenpatt ist ein beliebter Radwanderweg. © Magdalene Quiring-Lategahn

Der Leezenpatt, auf dem früher eine Zechenbahn die Kohle der Zeche Gneisenau zum Preußenhafen transportierte, ist zu einem grünen Band, einem Radwanderweg geworden. Die Halde Victoria 3/4 bekommt neue Aufenthaltsqualität. Durch Spazierwege und „einen Radweg, der bis zum Südpark führen wird“, erläutert Reinold Bauhus. Die Route soll so verlängert werden, dass Lünen-Süd umrundet werden kann.

Verkehrsanbindung: Mit acht Punkten bewerten die Lünen-Süder die Verkehrsanbindung und liegen damit gleichauf mit Lünen insgesamt. Silke und Dietmar Glahn pendeln beruflich mit dem Auto nach Dortmund und schätzen die verkehrsgünstige Lage. Hauptsächlich drei Buslinien (C5, C4 und R11) sind regelmäßig zwischen dem Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) und Dortmund Schulte-Rödding (C5) unterwegs, verbinden Lünen-Süd mit dem Schulzentrum Brusenkamp (C4) und mit dem Cappenberger See und Bergkamen (R11). Für Dieter Börner, stellvertretender Vorsitzender des Projektbeirates, zeigt auch der neue Kreisverkehr an der Bebelstraße Wirkung.

Radfahren: Das Thema steht in Lünen-Süd mit 7,5 Punkten gut da, allerdings erreicht es nicht die 8 Punkte des Stadtdurchschnitts. Grund könnte eine Stadtteil-Check-Anmerkung sein: „Die Radverkehrssituation auf der Jägerstraße ist hochgefährlich.“ Marco Symkowiak vom Stadtteilbüro Lünen-Süd sagt: „Viele Einfahrten und Bäume an der Jägerstraße machen das Radfahren vor allem für Kinder unübersichtlich. Eine Engstelle gibt es vor Rewe.“ Ein Wunsch nach Tempo 30 auf der Jägerstraße ist in den Anmerkungen genannt worden. Dazu heißt es seitens der Stadt: Seit Kurzem lässt die Straßenverkehrsordnung zu, Abschnitte von Hauptverkehrsstraßen auf 30 km/h zu reduzieren. Diese Möglichkeit sei für die Jägerstraße durchaus interessant und schon diskutiert worden.

Das wurde negativ bewertet:

Sauberkeit: Der Wert für Sauberkeit liegt mit vier Punkten in Lünen-Süd deutlich unter dem Stadtdurchschnitt (7). Das deckt sich mit den Anmerkungen unserer Check-Teilnehmer. „In erster Linie stört mich der Schmutz, einschließlich des Hundekots“, heißt es. Ein anderer schreibt: „Kanalbrücke der Bebelstraße beiderseits der Fahrbahnen ist mehr Müllkippe als Grünfläche.“ Auch der neu angelegte Bürgerplatz bliebe nicht verschont. Luca Glahn (17) kann das bestätigen: „Ja, es gibt vermüllte Plätze. Aber ich fühle mich deshalb nicht unwohl. Jeder sollte mithelfen, dass kein Müll rumliegt.“ Laut Stadt seien täglich Mitarbeiter der Wirtschaftsbetriebe Lünen (WBL) im Ortsteil unterwegs.

Sicherheit: Das Thema Sicherheit bewegt die Menschen. Fünf Punkte erreicht Lünen-Süd, Lünen insgesamt bekommt sechs. Silke Glahn sagt: „Ich fühle mich hier sicher.“ In den Anmerkungen zum Stadtteilcheck nannte ein Teilnehmer ein „Drogencafé“. Die Polizei kann das nicht bestätigen. In den letzten sechs Monaten seien fünf Strafanzeigen wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz an verschiedenen Örtlichkeiten eingeleitet worden. Allgemein unterscheiden sich „die Einsatzzahlen nicht von denen anderer Stadtteile“, so die Polizei.

Angebote für Jugendliche: Mit vier Punkten stimmt die Bewertung mit der für ganz Lünen überein. Reinhold Bauhus bestätigt, es fehlten Räume, wo sich Jugendliche wohlfühlten. Mit der Eröffnung der Halte-Stelle an der Jägerstraße gibt es einen Anlaufpunkt. Silke Glahn findet das einen guten Ansatz.

Der neu gestaltete Spielplatz an der Eichendorffstraße: Neben Klettergeräten gibt es auch eine digitale Torwand.

Der neu gestaltete Spielplatz an der Eichendorffstraße: Neben Klettergeräten gibt es auch eine digitale Torwand. © Magdalene Quiring-Lategahn

Auch der neue Spielplatz an der Eichendorffstraße spreche mit digitaler Torwand und Parkour Jugendliche an. Geplant ist, im Ziethenpark einen zwanglosen Jugendtreff zu errichten.

Reinhold Bauhus verweist auf das Campus-Konzept Lünen-Süd: In den kommenden Jahren sollen 20 Millionen Euro investiert werden. Kein Zaun mehr, stattdessen eine Neugestaltung des Schulhofes der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule mit Ruhezonen und Freizeitfläche, eine neue Turnhalle und Bau einer Musikinsel mit Tonstudio auch für Bands. Dazu die Reaktivierung des Schulgartens. Das alles solle neue Nutzergruppen und auch Jugendliche ansprechen.

Eine Postkarte (schwarz-weiß) zeigt die Jägerstraße in Lünen-Süd. Sie hieß bis 1900 schlicht „Weg nach oben“. Vorne links geht es in die Bahnstraße, weiter hinten rechts in die Alsenstraße.

Eine Postkarte (schwarz-weiß) zeigt die Jägerstraße in Lünen-Süd. Sie hieß bis 1900 schlicht „Weg nach oben“. Vorne links geht es in die Bahnstraße, weiter hinten rechts in die Alsenstraße. © Angelika Büscher

Historie

Keimzelle von Lünen-Süd ist die Kolonie Ziethenstraße

  • Lünen-Süd ist vom Bergbau geprägt, obwohl es dort keine Zeche gab. Aber 1898 änderte sich das landschaftliche Bild, als die Harpener Bergbau AG mit dem Bau der ersten Zechenhäuser in der Ziethenstraße begann. Die Kolonie ist Keimzelle des Stadtteils und heute denkmalgeschützt.
  • Die Bewohner fanden Arbeit in den Zechen Preußen I (Gahmen), Preußen II (Horstmar) und auf Gneisenau (Derne).
  • Bis 1900 hieß die Jägerstraße schlicht „Weg nach oben“. Ihr Ausbau zwischen der Zechenbahn und der katholischen Kirche erfolgte bis 1914.
  • 1903 entstand die katholische Pfarrkirche Heilige Familie.
  • Um die Kohle zu transportieren, wurde 1924 der Preußenhafen eröffnet.
  • 1907 und 1908 entstand die ev. Pfarrkirche Preußen. Kaiserin Auguste Viktoria stiftete die Altarbibel.
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