Sie wollten nicht locker lassen, hatten Politiker in der jüngsten Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses am 9. Oktober angekündigt. Die Fragen nach den Kosten der Großveranstaltung „Lüner Gespräche“ Mitte April im Erlebnisreich-Campus möchten sie beantwortet wissen – und das nicht hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich. Schließlich handele es sich um das Geld der Steuerzahlerinnen und -zahler. Am Mittwoch (4.12., 17 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses) zeigt sich, ob sie sich damit durchsetzen können. Noch sieht es nicht danach aus.
Der Rechnungsprüfungsausschuss der hoch verschuldeten Stadt tritt an diesem Tag erneut zusammen. Nur drei Tagesordnungspunkte stehen dann auf der Tagesordnung: erstens Einwohnerfragestunde, zweitens Mitteilungen der Verwaltung, drittens mündliche Anfragen. Einen Tagesordnungspunkt, der Licht ins Dunkel der offenen Fragen nach den Kosten der von mehr als 350 Menschen besuchten Tagesveranstaltung bringen könnte, sucht man vergebens. Ob Kämmerer Jethon dieses Mal persönlich anwesend sein wird, ist noch offen. An der vorangegangenen Sitzung hatte er nicht teilgenommen, weil er „einen wichtigen externen Termin wahrgenommen hat, über den aus Gründen der Vertraulichkeit keine weiteren Angaben gemacht werden können“, wie die Stadtverwaltung auf Anfrage mitteilte. Drei Tage später, also am 11. Oktober, hatte Jethon bei einem schweren Fahrradunfall in Münster ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten.
Dabei ging es in den ersten Lüner Gesprächen genau darum: nicht die Augen zu verschließen vor dem drohenden finanziellen Kollaps der Kommunen. „Ziel muss sein, Öffentlichkeit herzustellen, Verständnis füreinander zu wecken, Stadtgesellschaft und Wirtschaft mitzunehmen, politischen Entscheidern Botschaften mit nach Berlin und Düsseldorf zu geben“, formulierte es damals André Jethon, der Initiator der Gespräche. Öffentlichkeit herstellen über die Kosten der nach eigenen Angaben mit zwölf externen Rednerinnen und Rednern „hochkarätig besetzten“ Veranstaltung wollte er bislang nicht. Die Zahl, die hinter vorgehaltener Hand in der Politik kursiert, ließ die Stadtverwaltung bislang unkommentiert.

Kosten von ewa 70.000 Euro?
Miete, Catering, Referentinnen und Referenten: Stets ist nur von einer Gesamtsumme die Rede. Mal von 70.000 Euro, mal von 75.000 Euro. Sind diese Werte aus der Luft gegriffen, kann die Stadt sie bestätigen, oder will sie die Zahl dementieren? Nichts davon: „Die Nennung einer Gesamt- oder auch einer Teilsumme würde hier bestehende vertragliche Verschwiegenheitspflichten verletzen. Von daher werden wir diese Frage nicht kommentieren“, lautet die Auskunft aus dem Rathaus. Auch zu der Summe der angeblich hohen Sponsorengelder, die die Stadt im Vorfeld eingenommen hatte, wollte sie nichts sagen.
Zu dem Vorwurf aus Teilen der Politik, die Stadt habe ihrer desolaten Haushaltslage zum Trotz Geld zum Fenster herausgeschmissen, gibt es aber durchaus eine Stellungnahme - von Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns selbst: „Dieser Einwand spiegelt wider, dass Teile der Politik entweder unwillig oder unfähig sind, gemeinsam Auswege aus der Unterfinanzierung der Kommunen zu suchen“, erklärt er. Denn genau das sei der Inhalt der Lüner Gespräche gewesen: „Und genau daran arbeitet die Verwaltung mit ihrem Konzept ,Lünen steuert gegen‘.“
Kleine-Frauns kritisiert Politik
Kleine-Frauns lässt keinen Zweifel, dass ihn die hartnäckige Diskussion um die Kosten ärgert: „Von der Politik kommt hier wenig Konstruktives. Stattdessen wird in feiger Anonymität eine unsachliche und unqualifizierte Kritik an einer Veranstaltung geäußert, die viele positive Effekte für unsere Stadt hatte.“ Welche genau das sind, schreibt er nicht. Und weiter: „Würde die von der Politik immer wieder angeführte desolate Haushaltslage zum maßgeblichen Kriterium erhoben, ob etwas für Lünen gut ist oder nicht, hätte die Politik zum Beispiel auch nicht die Entwicklung eines Kulturplans beschließen dürfen, für den neben zusätzlichen Personalkosten Finanzmittel in beachtlicher Höhe eingesetzt werden.“
„Lüner Gespräche“ Teil 2
Ob die gescholtenen Politikerinnen und Politiker sich das zu Herzen nehmen und auf weitere Nachfragen in der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses verzichten werden? Die CDU hatte bereits in der vorangegangenen Sitzung angekündigt, dieses Mal (4.12.) nähere Informationen bekommen zu wollen. Möglicherweise werden sich da noch andere anschließen. Dass das etwas ändern könnte, gilt als unwahrscheinlich. „Mit Blick auf die Schutzbedürftigen Interessen Dritter wird der Kämmerer keine Zahlen nennen“, hat die Stadtverwaltung wiederholt erklärt.
„Die Kommunen brauchen finanzielle Hilfe“, lautete ein Appell der Lüner Gespräche. Lünens Kämmerer Jethon forderte konkret eine Entlastung der Städte und Gemeinden bei der Eingliederungshilfe: ein Appell, der bislang ebenso wenig Gehör fand wie der Ruf der NRW-Kommunen nach einem Schuldenschnitt. Für die Verantwortlichen der Stadt Lünen ist das Anlass, die Lüner Gespräche fortzusetzen. „Über den Turnus und die inhaltliche Ausgestaltung wird noch beraten.“ Über die Kosten wohl auch.