Für das erste Dankeschön nach seiner Wahl blickte Arnold Reeker (64) am Donnerstag (6. 3.) nach oben auf die Tribüne des Ratssaals. Zwischen den zahlreichen Gästen, die von dort aus die Ratssitzung verfolgten, saßen seine engsten Mitarbeiter: „Tolle Kolleginnen und Kollegen“, wie der alte und neue Technische Beigeordnete der Stadt Lünen sagte: „Ohne Euch hätte ich das nicht hingekriegt in den zurückliegenden acht Jahren“, rief ihnen ihr Chef unten vom Podium zu.
Das zweite Dankeschön richtete der 64-Jährige an seine Ehefrau Iris, die ebenfalls im Zuschauerraum saß. Gemeinsam mit ihr hatte er 2017 entschieden, nicht nur beruflich nach Lünen zu wechseln, sondern auch von Bad Oeynhausen dorthin zu ziehen. Ein Schritt, den beide nie bereut hätten, wie er sagt. Auch wenn die Geschichten, die er ihr aus dem Rathaus erzähle, „nicht immer lustig sind“. Die Episode seiner Wiederwahl an diesem ungewöhnlich sonnigen Märzabend könnte zur „Weniger lustig“-Kategorie gehören.
SPD, CDU, GFL, B90/Die Grünen und FDP im Rat der Stadt Lünen hatten in seltener Einmütigkeit am 17. Februar gemeinsam beantragt, den Beigeordneten Reeker wiederzuwählen. Das hätte ein überwältigendes Wahlergebnis nahe gelegt. Tatsächlich fiel es aber knapper aus als gedacht: 36 Ja-Stimmen, 13 Nein-Stimmen, eine Enthaltung.
Auch Mitglieder der Fraktionen, die die Wiederwahl beantragt hatten, müssen dagegen gestimmt haben - und das ganz ohne innerparteiliche Erklärungsnot. Denn es handelte sich um eine geheime Abstimmung in einer eilig aufgebauten Wahlkabine. Mustafa Kurt (Die Linke) hatte das mehr als halbstündige Prozedere beantragt. Arnold Reeker machte keinen Hehl daraus, dass ihm dieses Vorgehen nicht gefiel.

„Vielfalt macht die Stadt aus“
„Ich hätte mir eine offene Abstimmung mit dem selben Ergebnis gewünscht“, sagte der Stadtplaner, der sich besonders dem Thema Nachhaltigkeit verpflichtet sieht. Dass Teile des Rates seine Arbeit durchaus kritisch sähen, sei ihm bekannt. Das liege in der Natur der Sache. Ob zum neuen Landschaftspark Viktoria auf der IGA-Fläche, zur Steag-Fläche oder zu anderen Projekten: Harte Diskussionen gab es in den vergangenen Jahren immer wieder.
Das sei zwar mitunter anstrengend, aber nicht schlimm, meinte der gebürtige Münsterländer aus Dreierwalde. Ganz im Gegenteil: „Das macht eine Stadt aus.“ Um das zu untermauern, bemühte er den antiken Philosophen Aristoteles: „Eine Stadt besteht aus unterschiedlichen Menschen. Gleichartige Menschen bringen keine Stadt zuwege.“ Um so wichtiger sei das Engagement von Ehrenamtlichen, „nicht nur in der Politik, sondern auch in Organisationen wie Pro Lünen, aber auch bei Fridays for Future und Omas gegen Rechts“.
Nachfolger von Buckesfeld
Fast genau acht Jahre zuvor hatte der Lüner Rat Reeker einstimmig gewählt. „Da kannten sie mich nur flüchtig“, scherzte der einstige Fachbereichsleiter für Stadtentwicklung und Bauen der Stadt Bad Oyenhausen. Zum 1. Juli 2017 hat er seine Arbeit in Lünen aufgenommen. Reeker war damals der Nachfolger des inzwischen verstorbenen Matthias Buckesfeld geworden. In der bundesweit bekannt gewordenen Knöllchenaffäre von Jürgen Kleine-Frauns - der Bürgermeister hatte sich 2016 geweigert,ein Park-Knöllchen zu zahlen - sah sich Buckesfeld des Vorwurfs ausgesetzt, der Whistleblower aus dem Rathaus zu sein. Ein Gericht sprach ihn aber vom Vorwurf des Geheimnisverrats frei.
Motive für die Wiederwahl
Anders als bei seinem Amtsantritt 2017 ging es bei Reekers Wiederwahl am Donnerstag aber nicht um acht Jahre. Das hat nichts mit dem Votum des Stadtrates zu tun, sondern mit seinem Geburtsdatum: 5. Mai 1960. „In zwei Monaten werde ich 65“, rechnete der Wahlbeamte vor: „Sie haben mich also nicht für weitere acht Jahre gewählt.“ Denn seine Berufung endet laut Ratsvorlage „grundsätzlich mit Eintritt in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze zum 1.10.2026“. Es ist aber durchaus möglich, auf Antrag des Rates auch über das Erreichen der Altersgrenze hinaus bis zum 70. Lebensjahr tätig zu bleiben, wie der Bürgermeister während der Sitzung erklärte. Theoretisch könnte Reeker also auch noch als Beigeordneter im Frühjahr 2027 in Lünen sein größtes Projekt eröffnen: die Internationale Gartenausstellung in der Metropole Ruhr.
Davon war am Donnerstag aber nicht die Rede, auch nicht von den Motiven der Politik, überhaupt die Wiederwahl des vierten Dezernenten zu beantragen. Fest steht: Die just in die Haushaltssicherung gerutschte Stadt spart sich erst einmal die Ausschreibung der Stelle. Außerdem sichert Reeker auch nach den Kommunalwahlen Kontinuität im Lüner Verwaltungsvorstand. Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns (parteilos) und Beigeordneter Dr. Christian Klicki (CDU) bewerben sich schließlich beide für das Bürgermeisteramt in Lünen und der Erste Beigeordnete Axel Tschersich (SPD) für das in Recklinghausen.
„Alles andere als konfliktscheu“
Reeker, der sich selbst als „alles andere als konfliktscheut“ bezeichnet, hatte es schon einmal erlebt, der einzige verbliebene Beigeordnete zu sein. Das war im September 2022. Damals waren seine Beigeordneten-Kollegen Horst Müller-Baß und Bettina Brennenstuhl in Lünen aus dem Amt geschieden - der eine in den Vorruhestand, die andere in die Chefetage des Dortmunder Hafens. Reeker wurde deshalb Ende September 2022 übergangsweise Erster Beigeordneter und damit trotz inhaltlicher Differenzen allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters: „ein Lückenbüßer“, wie er es ausdrückte.
Mit Amtsantritt seiner neuen drei Kollegen 2023 ging diese Aufgabe an Axel Tschersich über. Zur Erinnerung: Trotz Protests hatte eine knappe Ratsmehrheit den Verwaltungsvorstand auf vier Beigeordnetenstellen vergrößert, um die Leitung zu entlasten und zu verbessern, wie es damals hieß. Damit ging ein neuer Aufgabenzuschnitt einher, dem Reeker kritisch gegenüberstand.

Ärger im Lüner Rathaus: Arnold Reeker droht Verlust und gleichzeitig Beförderung