Mit einem vorerst schweigenden Angeklagten (37) aus Lünen hat am Bochumer Schwurgericht der Prozess um das perfide Säure-Attentat vor einem Bochumer Café begonnen. Die Anklage lautet unter anderem auf Beihilfe zum versuchten Mord.
Als der Lüner am Mittwoch, 26. Februar, auf der Anklagebank Platz nimmt, hält er sich vor sein Gesicht einen roten Aktenordner, um sich vor den Kameras zu schützen. Die anschließende Verlesung der Anklageschrift lässt der 37-Jährige regungs- und wortlos über sich ergehen. Reden, so seine Verteidigerin Ina Klimpke, will der 37-Jährige erst am nächsten Sitzungstag (5.3.). Dann soll auch das scheinbare Verwechslungsopfer des Säureangriffs, ein Bochumer Student, als Zeuge aussagen.
Staatsanwältin Svenja Große-Kreul wirft dem Lüner vor, den inzwischen verstorbenen, mutmaßlichen Haupttäter (43) des Säureanschlags am 30. Juni 2024 mit seinem Auto zu Hause in Bergkamen abgeholt und in Bochum abgesetzt zu haben.
Dass der Bergkamener in Bochum einen Säureanschlag auf den Cafébetreiber verüben wollte, soll der Lüner nicht nur gewusst, sondern auch befürwortet und unterstützt haben.

Laut Anklage soll der 37-Jährige unter anderem im Internet nach den Begriffen „Schwefelsäure“ und „wie man Schwefelsäure erwerben kann“ gesucht haben.
Bei dem Anschlag war einem Studenten (31) im Vorbeigehen vor dem Café „mit einem Stoß“ aus einer Jack-Daniels-Dose „hochkonzentrierte Schwefelsäure“ über den Kopf geschüttet worden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Bochumer Student „aufgrund äußerlicher Ähnlichkeiten“ versehentlich für den Cafébetreiber gehalten wurde.
Der Student erlitt drittgradige Verätzungen an acht Prozent seiner Körperoberfläche. „Auch nach vollständiger Wundheilung ist mit bleibenden Narben zu rechnen“, heißt es in der Anklage.
Auch zahlreiche weitere Personen wurden damals durch Spritzer der Schwefelsäure getroffen und erlitten gravierende Verätzungen.
In Auftrag gegeben wurde das Säureattentat vor dem Bochumer Café laut Anklage aus der Rockerszene. Der mutmaßliche Haupttäter aus Bergkamen soll schon zuvor Auftragstaten für Motorradrocker angenommen haben.
Durch das Säureattentat wollte er angeblich seinen Traum verwirklichen, endlich zum Club der „Einprozenter“ (Gesetzlosen) gehören.
Cafébetreiber gibt Drogenkarriere zu
Der Cafébetreiber enthüllte jetzt als Zeuge das mögliche Motiv für den Anschlag. Vor rund zehn Jahren („etwa 2016“) habe er selbst in Lünen gelebt und sei auch in Drogengeschäfte verwickelt gewesen.
Nach einer Wohnungsdurchsuchung habe er damals „aus einer Kurzschlussreaktion heraus“ von der Polizei beschlagnahmte Drogen alleine seinem Untermieter – einem hochrangigen Lüner Motorradrocker – zugeschoben. Spätere Revidierungen habe man ihm bei der Polizei nicht mehr abgenommen. Der Lüner Rocker sei verurteilt worden.
Ewig lange Zeit habe er danach keine Berührungspunkte mit Rockern gehabt. Bis zwei Wochen vor dem Säureattentat.
„Da habe ich plötzlich einige Leute vor dem Café gesehen. Ich hatte danach schon ein komisches Bauchgefühl“, berichtete der Zeuge. Er habe die Männer damals auch angesprochen, die hätten aber nur rumgedruckst.
Einer davon sei – das habe er später anhand von Fotos erkannt – der mutmaßliche Attentäter aus Bergkamen gewesen, ein anderer ein Rockerfreund des von ihm damals „verratenen“ Lüner Rockers gewesen. Und auch den jetzt Angeklagten, so der Cafébetreiber, kenne er „von damals aus Lünen“, bei der „seltsamen“ Begegnung zwei Wochen vor der Tat sei der nicht dabei gewesen.
Der mutmaßliche Säureattentäter aus Bergkamen war erst festgenommen worden, hatte sich später in seiner Gefängniszelle das Leben genommen.
Im Prozess vor dem Schwurgericht, so Richter Volker Talarowski, stünden dadurch nun „zwei Verfahren in einem“ zur Prüfung. Was hat der Bergkamener getan? War der Lüner daran beteiligt?
Der Prozess wird fortgesetzt.