Umwelt
Lünen ohne Kiebitz, wenige Feldlerchen: „Kreisweite Entwicklung desaströs“
Der Kiebitz ist in Lünen ausgestorben, die Feldlerche könnte bald folgen. Eine dramatische Entwicklung, die man nicht nur der Landwirtschaft in die Schuhe schieben kann, sagt ein Vogelexperte.
Bereits seit 2020 ist der Kiebitz aus Lünen verschwunden. Neue Brutpaare gab es auch bei der Zählung des Arbeitskreises Umwelt und Heimat für die Kiebitzkartierung 2022 nicht. Ein Negativ-Trend, der sich seit Jahren kreisweit beobachten lässt. „Die Entwicklung innerhalb der vergangenen 23 Jahre ist desaströs“, sagt Falko Prünte. Ehrenamtlich ist er für die ornithologische Arbeitsgemeinschaft Kreis Unna tätig, beruflich als wissenschaftlicher Mitarbeiter ist Prünte für die Biologische Station Kreis Unna / Dortmund im Einsatz.
Mit Blick darauf, dass Kiebitze bis zu 20 Jahre alt werden können, sei es schon „irre, was da passiert ist.“ In Zahlen heißt das: Von 1999 bis 2022 ist die Kiebitz-Population im Kreis von 380 auf 79 Tiere gesunken (rund 80 Prozent). In Lünen von 33 Kiebitzen (1999) auf Null (seit 2020).
Die Ursache allein in der intensiveren Landwirtschaft zu suchen, wäre allerdings zu einfach, sagt Prünte. „Natürlich hat sich da seit den 70er Jahren viel verändert. Die Erträge sind höher, Gülledüngung gab es noch nicht so intensiv.“ Viele Landwirte seien heutzutage viel mehr spezialisiert, nebeneinander liegende Felder unterschiedlicher Art (z.B. Mais und Grünland) selten geworden. „Das sind alles ungünstige Faktoren für den Kiebitz.“ Wenn es um die Markierung von Gelegen auf Feldflächen gehe, etwa vor der Mahd, seien die meisten Landwirte im Kreis kooperativ.
Trockene Sommer sorgen für schlechte Bruten
Aber auch der Klimawandel spiele eine Rolle. „In den Jahren 2018 und 2019 hatten wir sehr schlechte Bruten, weil die Jungtiere auf den trockenen Böden nichts zu fressen gefunden haben.“ Denn, anders als die Feldlerche, ist der Kiebitz ursprünglich in Mooren beheimatet, hatte sich, als diese immer weniger wurden, auf Feuchtwiesen gerettet und zuletzt auf Felder. „Der Kiebitz wird nach und nach Richtung Norden abgedrängt.“ Dort, wo es kühler und feuchter ist.
Hier fliegen die Kiebitze in Selm zusammen mit Staren am Borker Landweg in Selm. Auch der Klimawandel und die trockenen Sommer sind Faktoren, die zum starken Rückgang der Bestände führen. © Norbert Lange / Privat
Hinzu komme ein großer Verlust an Agrarflächen durch den Ausbau von Straßen, Siedlungs und Industriegebieten. „Das Problem eint Umweltschützer und Landwirte.“
Hinzu komme die Prädation. Fuchs, Dachs und seit kurzem auch der Waschbär jagen den Kiebitz am Boden; Krähen, Eulen, Greifvögel oder auch Störche aus der Luft. Das gehört zur Natur mit dazu, stellt Tierschützer aber vor ein weiteres Problem: Die Schutzflächen werden damit noch verletzlicher, wie etwa die „Kiebitz Heide“ in Werne oder weitere vom Land geförderte Feldvogelinseln, spezielle Schutzflächen von bis zu einem Hektar Größe. „Jäger wie Fuchs und Waschbär ziehen hinterher. Hier besteht die Gefahr eines Totalverlustes der Gelege.“
Schlechte Prognose auch für Feldlerchen
Wenig günstig sieht auch die Prognose der Feldlerchen aus. Die Ursachen dafür seien ähnlich. In Lünen wurden bei der diesjährigen Kartierung nur noch drei bis vier Exemplare gezählt, wie der Arbeitskreis Umwelt und Heimat im April mitteilte. Kreisweit ist die Zählung noch nicht vollständig abgeschlossen, auch weil sie aufwändiger ist als beim Kiebitz, weiß Prünte. Aussichten auf gute Nachrichten macht er aber nicht.
„Der Klimawandel kommt der Feldlerche vielleicht noch nicht ganz so stark in die Quere.“ Seit Menschengedenken leben die Vögel, wie der Name schon sagt, auf Feldern und Äckern. Ursprünglich sind sie in Steppen beheimatet. „Wenn es, langfristig gesehen, richtig trocken wird, ist es damit aber auch vorbei.“
Auf den gesamten Kreis sei der Rückgang der Feldlerchen vielleicht noch nicht so stark zu sehen wie beim Kiebitz. Auch, weil es im Süden an den Ausläufern der Soester Börde noch einen Naturraum gebe, der davon sehr wenig betroffen ist.
„Wir sehen aber ganz klar, dass wir trotz Schutzbemühungen nicht an einen Punkt kommen, an dem sich die Bestände erholen. Wir konnten den Rückgang nur verlangsamen.“
Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Artikel unseres Premium-Angebots. Bitte registrieren Sie sich kurz kostenfrei, um ihn vollständig lesen zu können.
Jetzt kostenfrei registrieren
Einfach Zugang freischalten und weiterlesen
Werden auch Sie RN+ Mitglied!
Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.
Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung
Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung durch Klick auf den Link in der E-Mail, um weiterlesen zu können.
Prüfen Sie ggf. auch Ihren Spam-Ordner.
Einfach Zugang freischalten und weiterlesen
Werden auch Sie RN+ Mitglied!
Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.