Es war ein gesundheitlicher Notfall: Als sein kleiner Sohn (3) plötzlich stark blutete und die Blutung sich nicht stillen ließ, wählte ein Vater aus Lünen-Brambauer per Smartphone den Notruf 112. Das passierte am Samstagabend (12.10.) um 18.43 Uhr. Eine Situation, in der sich die Eltern Sorgen machten und um Hilfe baten. Doch dann geschah etwas, was ungewöhnlich erscheint: Sein Notruf lief nicht, wie erwartet, in der zuständigen Rettungsleitstelle des Kreises Unna auf, er landete in der Rettungsleitstelle in Recklinghausen. „Dort war man sehr verwundert“, schildert der Vater.
Die Familie wohnt in Brambauer, einige 100 Meter von der Grenze nach Waltrop im benachbarten Kreis Recklinghausen entfernt. Hat sich das Handy möglicherweise in einen dortigen Funkmasten eingewählt? War das ein Einzelfall für Brambauer? Oder ist es ein grundsätzliches Problem? Der Fall wirft Fragen auf.
In der Leitstelle Recklinghausen wurde dem Vater gesagt, dass man die zuständige Leitstelle bzw. den zuständigen Rettungsdienst im Kreis Unna im Nachgang manuell informieren werde. Ein telefonischer Umweg. Der kann problematisch sein, wenn es um lebensgefährliche Situationen geht, in denen jede Minute zählt.
Vater des Jungen hat viele Fragen
Dem kleinen Jungen geht es zum Glück wieder gut. Doch der Vater hat Fragen. Die stellt er der Feuerwehr Lünen, der Stadt Lünen, dem Bürgermeister, der Kreisleitstelle Unna, der Leitung der Leitstelle Kreis Unna und der Telekom. Auch unsere Redaktion hat er angeschrieben, die nachgehakt hat. Die Antworten der Pressestelle des Kreises Unna und der Stadt Lünen lassen eine entscheidende Frage offen.
Warum der Notruf aus 44536 Lünen aus dem Mobilfunknetz der Deutschen Telekom in der Leitstelle Recklinghausen einging, „kann durch den Kreis Unna nicht beantwortet werden“, teilt der Leiter der Kreispressestelle, Volker Meier, auf Nachfrage der Redaktion mit. „In der Regel gehen Notrufe bei der Leitstelle ein, in deren Zuständigkeitsgebiet der Sendemast steht, bei dem das Smartphone der oder des Anrufenden eingeloggt ist“, so Meier.

Weiter heißt es in seinem Schreiben: Ob dies im vorliegenden Fall so war und das Gerät des Vaters möglicherweise an einem Sendemast im nahegelegenen Waltrop eingebucht war, eine falsche Zuordnung ursächlich war oder andere Gründe vorlagen, könne durch den Kreis Unna nicht überprüft werden. Ähnlich äußert sich die Stadt Lünen.
Eines kann Volker Meier aber sagen: Der Notruf sei mit den dafür vorgesehenen Abläufen, dazu gehören Anruf und gleichzeitige Datenübermittlung, umgehend an die Leitstelle in Unna weitergeleitet worden. Weil der in Brambauer stationierte Rettungswagen zu diesem Zeitpunkt im Einsatz war, kam der RTW aus der dann nächstgelegenen Wache Kupferstraße mit längerer Fahrzeit. Die dauerte 13 Minuten.
Das stärkste Signal
Volker Meier erklärt, im Rahmen der Qualitätssicherung und des Beschwerdemanagements würden die angegebenen Daten derzeit überprüft. Als Richtwert gelte eine Reaktionszeit von acht Minuten, bis die Rettungskräfte eintreffen. Allerdings dann, wenn der Rettungswagen der nächstgelegenen Rettungswache zum Einsatz komme. In diesem Fall war der Rettungswagen am Standort Brambauer aber anderweitig im Einsatz.
Wie oft ein Notruf nicht direkt über die Leitstelle Kreis Unna auflaufe, darüber werde beim Kreis Unna keine gesonderte Statistik geführt. Ohnehin hätte der Kreis Unna keine Handlungsoption, da der Standort des Funkmastes des Netzbetreibers entscheidend sei, sagt dazu Volker Meier.
Licht ins Dunkel bringt die Sprecherin der Telekom. Ihr Fazit lässt aufhorchen. Danach könne es immer wieder vorkommen, dass ein Notruf per Handy aus Brambauer in der Rettungsleitstelle Recklinghausen lande. „Das wird sich nicht verhindern lassen“, teilt die Telekom-Sprecherin mit. Ein Mobiltelefon verbinde sich stets mit der Mobilfunkzelle, die das stärkste Signal bietet, um die bestmögliche Versorgung und das beste Nutzungserlebnis zu gewährleisten.
„Routing korrekt funktioniert“
Im Fall Brambauer teilt sie mit: Decke eine Mobilfunkzelle nur ein Gebiet ab, sei die Zuordnung zur Leitstelle im Falle eines Notrufs eindeutig. „Deckt eine Mobilfunkzelle jedoch mehrere Gebiete ab, wird das Gebiet mit der größten Abdeckung ausgewählt.“ Da jeder Mobilfunkzelle nur eine Leitstelle für Notrufe wie 110 und 112 zugeordnet werden könne, müsse eine Entscheidung für eine Leitstelle getroffen werden. Im Mobilfunknetz entscheidet die Mobilfunkzelle anhand ihrer Signalstärke, welche Leitstelle ausgewählt wird.
Im vorliegenden Fall, so die Telekomsprecherin weiter, steht der Mobilfunkmast bzw. befindet sich die Mobilfunkzelle unmittelbar an der Grenze zum Gebiet der Leitstelle Recklinghausen, deckt also deren Gebiet hauptsächlich ab. Deshalb wurde auch die Leitstelle Recklinghausen und nicht die Leitstelle Unna adressiert. „Das Routing hat also korrekt funktioniert.“
Festlegung durch Innenminister
Zum Hintergrund: Die Innenministerien der Bundesländer legen fest, welche Gebiete die einzelnen Rettungsleitstellen abdecken. Über die Bundesnetzagentur werden diese Informationen an die Netzbetreiber weitergegeben, die sie umsetzen. Dabei werde die berechnete Abdeckung der einzelnen Mobilfunkzellen mit der Gebietszuordnung der Leitstellen übereinandergelegt, heißt es von der Telekom.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 17. Oktober 2024.