Rund zehn Monate nach einem perfiden Säure-Anschlag vor einem Café in Bochum ist ein Handwerker aus Lünen zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Das Bochumer Schwurgericht sah es als erwiesen, dass der 37-Jährige dem inzwischen toten Haupttäter aus Bergkamen geholfen hat. Der Säureattentäter wurde praktisch posthum „mitverurteilt“.
Richter Volker Talarowski sprach bei der Urteilsbegründung am Montag (14.4.) wörtlich von einer „fürchterlichen Tat, bei der weniger das Hirn und der Verstand, sondern nur absolute Brutalität eine Rolle gespielt hat“.
Dass der Bergkamener Hauptverdächtige, der damals unweit vom Tatort festgenommen worden war und sich später im Gefängnis das Leben genommen hat, der Attentäter von dem Bochumer Café gewesen ist, könne man nach der Beweisaufnahme „zweifelsfrei feststellen“, hieß es.
„Eine bedauerliche Verwechslung“
Bei der Tat vom 30. Juni 2024 war ein draußen vor dem Café sitzender Student für den eigentlich als Opfer anvisierten Cafébetreiber gehalten und im Vorbeigehen aus einer Getränkedose mit Schwefelsäure übergossen worden.
„Eine sehr bedauerliche Verwechslung“, hieß es in der Urteilsbegründung. Der Student erlitt drittgradige Verätzungen, musste und muss mehrfach operiert werden und ist für sein Leben gezeichnet.
Dass der jetzt verurteilte Lüner in das perfide Attentat entscheidend verstrickt gewesen ist, stellte das Schwurgericht am Ende ebenso sicher fest.
Der 37-Jährige, zum Tatzeitpunkt ein aktives Rockerclub-Mitglied mit 26 Vorstrafen, habe den Attentäter nicht nur mit dem Pkw nach Bochum gefahren. Er habe vielmehr auch von dessen Anschlagsplänen gewusst, habe sie gebilligt und unterstützt. Seine Such-Einträge bei Google nach dem Namen des Cafés, nach dessen Betreiber und nach „Schwefelsäure“ seien mehr als entlarvend gewesen.
Sein diesbezüglicher Erklärungsversuch vor Gericht - er habe Amphetamine herstellen wollen - sei eine bloße Schutzbehauptung. Seiner pauschalen Behauptung, er habe am fraglichen Tag mit anderen Rockerclubmitgliedern in Bochum lediglich gemeinsam gegessen, habe er durch weiteres (unverständliches) Schweigen selbst eine Überprüfung abgeschnitten, hieß es.

Im Prozess, so Richter Volker Talarowski, habe der Lüner ja sogar zugegeben, dass zuvor auch er von einem auf Rache sinnenden Motorradrocker angesprochen worden sei, den Bochumer Cafébetreiber gewaltsam zu attackieren, er das allerdings abgelehnt habe, hieß es. Auch dass der Bergkamener den „Racheauftrag“ dann später angenommen hatte, habe er gewusst.
Insoweit sei es „überhaupt nicht nachvollziehbar“, so der Vorsitzende Richter, dass er versucht habe, allen weißzumachen, er habe am fraglichen Tag nichts von dem Säure-Attentat gewusst.
Außerdem gebe es weder für sein Abtauchen nach dem Anschlag unter falschem Namen in einem Hotel noch für die eilig angeordnete Grundreinigung seines Pkw eine andere Erklärung als die, dass er etwas zu verschleiern gehabt habe.
Auch mit Blick auf das verhängte Strafmaß gegen den Lüner Gehilfen wagte das Schwurgericht einen Schlenker zu dem inzwischen verstorbenen Bergkamener. Dessen Säureanschlag wäre - hätte man ihn verurteilen können - „sicherlich für einen Bereich von neun Jahren Haft geeignet gewesen“, hieß es.

Mit Blick auf die Unterstützungshandlung durch das Fahren des Attentäters zum Tatort seien vier Jahre Haft für den Lüner durchaus angemessen, urteilte das Gericht. Die Staatsanwaltschaft hatte sogar sieben Jahre Haft gefordert.
Das Urteil lautet auf Beihilfe zur absichtlichen schweren und gefährlichen Körperverletzung sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis.
Nicht unerwähnt ließ das Schwurgericht am Ende, dass auf die Anklagebank „eigentlich auch noch jemand anderes gehört hätte“. Nämlich der Auftraggeber des Attentats: ein ehemaliger Lüner Motorradrocker mit dem Spitznamen „Der Dicke“. Der Rocker hatte zuletzt im Prozess eine Zeugenaussage verweigert.
Laut Urteil steht nahezu fest, dass der Rocker, weil vor Jahren von dem Bochumer Cafébetreiber verraten und später bis April 2023 im Gefängnis gelandet, das Attentat in Auftrag gegeben hat. Und dass der Bergkamener diesen Auftrag angenommen hat, um in dem Rockerclub aufsteigen zu können.