Die Lippe ist in Lünen über die Weihnachtstage so stark angestiegen, wie es nur alle 25 Jahre einmal vorkommt - ein besonderes Ereignis, das nicht ohne Folgen bleibt. Teile der Lippeauen, der Segelflugplatz, die Kaskaden in der Innenstadt und viele andere Stellen wurden vom Wasser einfach überflutet. Die Lippe suchte sich ihren Weg, Bäume und Sträucher hielten den Fluss nicht auf. Verletzt wurde zum Glück niemand.
Schon am Montag (25. Dezember) musste die Stadt mehrere Straßen in Lünen sperren, weil sie überflutet wurden und die Gefahr für die Bevölkerung zu groß war. Betroffen hiervon waren ein Spazierweg in der Nähe der Kleingartenanlage am Berggarten, der Kleingartenverein „Grüne Insel“ am Kapellenweg und der Fußweg zum Segelflugplatz. Laut Stadtsprecher Daniel Claeßen seien am Dienstag keine weiteren Sperrungen hinzugekommen, man könne aber auch nicht alle Wege absperren. Daher der Appell an die Bürgerinnen und Bürger, sich von Gewässern in Lünen fern zu halten. „Die Lippe ist unheimlich schnell unterwegs.“

Wie drastisch die Lage ist, zeigt ein Blick auf den Pegel. An der Graf-Adolf-Straße lag er am Dienstagabend (26. Dezember) bei 6,52 Metern - Höchstwert mit Blick auf die vergangenen acht Wochen. Der mittlere höchste Wasserstand ist schon längst überschritten. Der wird vom Emscherverband Lippeverband (EGLV) mit 4,40 Metern angegeben.
Ilias Abawi von der Emschergenossenschaft Lippeverband ordnet die aktuelle Situation an der Lippe wie folgt ein: „Der normale Wasserstand beträgt hier 2,68 Meter. Mittleres Hochwasser verzeichnen wir ab einem Wert von 4,40 Meter. Aktuell steht der Pegel bei 6,48 Meter (Stand Dienstag, 12.15 Uhr).“ Um das Ganze noch besser zu veranschaulichen, fügt der EGLV-Pressesprecher noch die derzeitigen Durchflussmengen an: „Pro Sekunde gehen an der Graf-Adolf-Straße 323 Kubikmeter, also 323.000 Liter, durch.“
EGLV appelliert an die Bevölkerung
So ein Hochwasser gebe es lediglich alle 25 Jahre. „Das ist nicht wenig und ein bedeutendes Ereignis“, so Abawi. Aber: Es sei Hochwasser, keine Überflutung. „Wir haben eine dicke Lippe, aber kein blaues Auge“, sagt er scherzhaft. Gar nicht spaßig findet er hingegen Menschen, die die Gefahr der Wassermassen unterschätzen.
Denn auch wenn die Lippe für die Bevölkerung in Lünen derzeit keine Bedrohung darstellt, hat die Emschergenossenschaft Lippeverband eine klare Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger: „Die Leute sollen sich von den Deichen und Gewässern fernhalten. Wir brauchen keine Schaulustigen oder Hochwasser-Touristen. Das kann gefährlich werden“, so EGLV-Pressesprecher Ilias Abawi. Es reiche ein falscher Schritt. Und dann stehe man nicht mehr nur mit den Knöcheln, sondern komplett im Wasser.
Flugplatz komplett überflutet
Die Lage in der Innenstadt war über die Feiertage relativ entspannt. Auch in den Wohngebieten nahe des Flusses sehe die Situation derzeit gut aus. „Die Auslaufflächen der Lippe erfüllen ihren Zweck“, so Daniel Claeßen. Man sei aber weiterhin wachsam und die Feuerwehr sowie das Ordnungsamt im Dauereinsatz.
Am Flugplatz Lünen-Lippeweiden im Lüner Westen zeigte sich dann, was die Lippe kann, wenn es keine Begrenzungen durch Mauern und Deiche gibt. Normalerweise schlängelt sich der Fluss an der Startbahn vorbei. Doch durch den starken Regen hat sich die Fläche in einen riesigen See verwandelt und ist komplett überflutet. Sogar Wasservögel sind am Dienstag (26. Dezember) zu sehen.

Ein Stück weiter Richtung Osten an der Eisenbrücke nahe der Victoria-Halde blubberte es hingegen aus einer Mauer - auch hier war die Kraft der Lippe Schuld. Das Wasser wurde augenscheinlich von der Lippe unter den Gleisen im Mauerwerk gen Süden gedrückt und kam dann gut 100 Meter weiter auf der Kamener Straße raus. Große Pfützen bildeten sich dadurch in dem Bereich. Auch die Polizei war vor Ort, wie ein Reporter berichtet. Die Deutsche Bahn sei in der Sache federnführend, sagt Feuerwehrsprecher Daniel Magalski. Bei der DB gab es auf Anfrage bis Dienstagabend keine Informationen mehr zu dem Sachverhalt. Eine Sprecherin erklärte lediglich, dass es keine Einschränkungen im Bahnverkehr gebe.

Großeinsatz in der Nacht
Die Feuerwehr war wegen des Hochwassers im Dauereinsatz - aber eher, um die Lage in Lünen zu kontrollieren. Denn viele Einsätze gab es laut Magalski nicht. In der Nacht zu Dienstag musste die Feuerwehr dann aber doch ausrücken. An der Elsa-Brandström-Straße in Höhe der Hausnummer 129 drohte ein Regenrückhaltebecken überzulaufen. Gegen 22.45 Uhr wurde der Löschzug Lünen-Brambauer alarmiert. Kurze Zeit später musste auch der Löschzug 1 Mitte ausrücken.
Vor Ort verlegten die Einsatzkräfte mehrere Hundert Meter Schläuche - vom fast vollen Rückhaltebecken zu einem andere Becken nahe der A2, wie Feuerwehrsprecher Daniel Magalski am Dienstagmorgen erklärte. Dieses Becken habe noch einiges an Kapazitäten gehabt. Es begann die große Umpump-Aktion. In der Nacht gegen 1 Uhr kam dann noch das Technische Hilfswerk zur Einsatzstelle und hat im weiteren Verlauf übernommen. Mit im Gepäck: noch größere Pumpen, mit denen das Umpumpen besser lief.

Die Emschergenossenschaft Lippeverband ist ebenfalls über die ganzen Weihnachtsfeiertage und darüber hinaus im Hochwassereinsatz. Dabei beobachten die Mitarbeiter nicht nur den Niederschlag und die Hochwasserentwicklung, sondern auch die Gewässer- und Deichstrecken. Bis jetzt sieht es an den Orten noch gut aus, erklärte Pressesprecher Ilias Abawi. Gleiches gilt für die Wetterprognose: Denn am Dienstag ist kein Regen mehr in Lünen gefallen. Erst ab Donnerstag/Freitag soll es wieder Niederschläge geben. Wann der Wasserstand der Lippe wieder auf Normalniveau sinkt, sei schwer abzuschätzen. Gerade aus dem Bereich um Lippstadt und Paderborn komme noch einiges an Wasser bis nach Lünen. Aber wenn es nicht regnet, erwarte man keine große Welle mehr, so Abawi.
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