Die Rabatte steigen. In der Gerry-Weber-Filiale an der Lange Straße sieht es richtig leer aus. Nur noch im vorderen Bereich hängen Hosen, T-Shirts, Blusen und Röcke, aber auch Blazer und Winterjacken. Der hintere Teil der 265 Quadratmeter großen Verkaufsfläche ist leergeräumt. 70 Prozent Rabatt gibt es zurzeit auf alles, nicht nur auf Kleidung. Die sechs Schaufensterpuppen sind bereits verkauft, wie auch viele Ständer. Einige Pyramidentische sind noch für 80 Euro zu haben.
Die Lüner Filiale gehört zu den 122 von insgesamt 171 Geschäften des Modeherstellers aus Halle, die geschlossen werden. Der Konzern sieht keine Perspektive, sie profitabel zu betreiben. Die Nachricht machte Ende Juni Schlagzeilen, damals ging das Unternehmen in ein Insolvenzverfahren in Eigenregie.
Am Samstag (22. 9.) wird der letzte Verkaufstag in Lünen sein. 15 Jahre lang hat Gerry Weber in dem historisch restaurierten Gebäude, in dem vor fast hundert Jahren Lünens erstes Kaufhaus eröffnete, Mode im mittleren Preissegment verkauft. In wenigen Tagen ist Schluss. „Sehr bitter“, sagt dazu eine Kundin. Eine Reaktion, die die Verkäuferinnen momentan täglich erleben. Bei manchen Stammkunden fließen Tränen, „wir werden gedrückt. Viele wünschen uns alles Gute“, berichten Gabriela und Viola, die ihren vollen Namen nicht nennen möchten. Von 70 Prozent ihrer Stammkunden wissen sie, wie sie heißen und welche modischen Vorlieben sie haben. „Das wird eine Lücke geben“, sind sie überzeugt. Denn gerade die „ehrliche Beratung“ sei das, was vor allem ältere Kunden schätzten.
Beruflich neu orientieren

Einen Tag, nachdem die Filial-Schließung seinerzeit bekanntgegeben wurde, hatten die fünf Mitarbeitenden in Lünen ihre Kündigung im Briefkasten. Damit hatten sie nicht gerechnet. Ihnen geht es wie 350 Beschäftigten in Vollzeit an den anderen Standorten sowie 75 in den Zentralbereichen in Halle, die ihre Arbeit verlieren. Mit dem Betriebsrat seien ein Sozialplan und Interessenausgleich verbindlich verhandelt worden, hatte das Unternehmen in einer Pressemitteilung erklärt.
Viola (60) ist seit zehn Jahren in der Lüner Filiale tätig, Gabriela sogar noch drei Jahre länger. Sie wird am 15. September 60. Die bewährten Kräfte müssen sich beruflich neu orientieren. Dabei hätten sie nie gedacht, dass Lünen auf die Schließungsliste kommt. Wie ihre Kolleginnen wollen auch sie nicht mehr im beratenden Verkauf tätig sein, sondern in einen ganz andere Bereiche wechseln. Eine von ihnen habe den Sprung schon geschafft.
Wenn am 22. September die letzte Kundin das Geschäft verlassen hat, wollen die Mitarbeiterinnen den Tag gemeinsam ausklingen lassen. Sie seien ein tolles Team gewesen und sind sich sicher: „Da werden Tränen fließen“.
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