Leser Sebastian Auferoth aus Lünen schreibt zu der Berichterstattung um die CDU-Reaktionen auf die Abstimmung am Mittwoch (29. Januar) im Bundestag: „Ich bin zutiefst schockiert über die Rechtfertigungen der CDU Lünen und des MdB Hubert Hüppe. Absolut nichts – auch kein Gewaltverbrechen – rechtfertigt das Einreißen der Brandmauer zur rechtsextremen AfD. Wer das Gegenteil empfindet, hat die Mitte unserer Gesellschaft längst verlassen. Friedrich Merz hat aus dem „Land, auf das wir wieder stolz sein können“, ein Land gemacht, in dem Holocaust-Überlebende angewidert ihre Bundesverdienstkreuze zurückgeben. Getrieben von Machtgier und einer Ego-Show des Vorsitzenden ordnete sich die CDU-Fraktion fast ausnahmslos der Parteispitze unter.
Merz selbst sagte vor weniger als drei Monaten, dass es keine „zufälligen oder tatsächlich herbeigeführten“ Mehrheiten mit der AfD geben solle. Nun ist genau das geschehen. Friedrich Merz und die überwiegende Mehrheit der Bundes-CDU zeigten sich hiermit als wortbrüchig, populistisch und rechtsoffen. Als möglicher Kanzler ist er weder gesetzesfest noch inhaltlich tragbar. Wenn ein Antrag nur mit Stimmen der Rechtsextremen verabschiedet werden kann, dann ist es ein rechtsextremer Antrag, der nicht verabschiedet werden sollte. Leider zeigte sich auch die FDP als unzuverlässig in ihrem Verantwortungsbewusstsein. Besonders perfide ist die Behauptung, man habe „egal mit welcher Partei“ abgestimmt, weil andere demokratische Parteien nicht mitzogen. Das ist keine Strategie, sondern Erpressung. Wir brauchen Bündnisse und keine Erpressung.
Wie soll das eigentlich künftig in einer möglichen Koalition unter Merz aussehen? Wann immer Koalitionspartner inhaltlich nicht zustimmen, zieht er es eben mit der AfD durch? Wenn gebrochene Versprechen von Friedrich Merz durch Herrn Tölle so beiläufig relativiert werden, wie glaubwürdig sind dann gleichzeitige Versprechen der Lüner CDU? Können diese auch aufgrund „dynamischer Situationen“ jederzeit gebrochen werden?
„Rechtswidrige Vorschläge“
Zum Antrag selbst: Herr Hüppe und der Vorsitzende der CDU Lünen scheinen den Antrag zu befürworten. Doch dieser enthielt rechtswidrige Vorschläge, die weit über das Ziel hinausschießen. Er betraf nicht nur verurteilte Straftäter, wie Hüppe suggeriert, sondern eben alle Menschen, die aus verschiedensten Gründen vollziehbar ausreisepflichtig sind. Zudem fordert er die Einführung dauerhafter Grenzkontrollen an unserer gesamten knapp 3.750 Kilometer langen Grenze. Dies verstößt gegen EU-Recht, ist praktisch nicht umsetzbar und würde der Wirtschaft erheblichen Schaden zufügen. Die offenen Grenzen in der Europäischen Union sind eine der größten Errungenschaften unserer Zeit. Wie man eine Quasi-Abschaffung dieser für richtig halten kann, ist mir schleierhaft.
Dass sich selbst die Bundespolizei, die Kirche, der Zentralrat der Juden, das Internationale Auschwitz-Komitee und Angela Merkel entschieden gegen den Antrag positionieren und ihn als nicht umsetzbar betrachten, spricht Bände. Angela Merkel hatte sich fest vorgenommen, sich nach ihrer Kanzlerschaft nicht mehr in die Politik einzumischen. Dass sie es nun doch tut, zeigt, wie ernst die Lage ist und sollte vor allem für ihre Anhänger in der CDU ein Weckruf sein.
„Andere Debatten notwendig“
Meines Erachtens sind ganz andere Debatten notwendig. Eine verantwortungsvolle Politik sollte – ganz im Sinne der angesprochenen christlichen Nächstenliebe – darüber sprechen, wie Integration erleichtert und beschleunigt, Behörden effizient unterstützt und psychisch Kranken geholfen und falls notwendig eine sichere Unterbringung sichergestellt werden kann. Das sind doch die eigentlichen Probleme.
Mein Appell: Politiker sollten die Größe haben, Fehler einzugestehen, anstatt sich hinter hohlen Phrasen zu verstecken. Insbesondere Parteimitglieder haben nicht nur das Recht, Kritik an der Parteiführung zu äußern, sondern vielmehr die Pflicht, politische Entscheidungen kritisch zu hinterfragen. Niemand ist gezwungen, aus Parteitreue für eine Politik zu stimmen, die mit den eigenen Werten nicht vereinbar ist.
Die CDU hat mit dieser Abstimmung unserer Demokratie geschadet. Es liegt an uns allen, solchen Entwicklungen entschieden entgegenzutreten.“
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