„Wo sitzt der Landrat?“ Kreis Unna will Sicherheitsschleuse gegen Gewalttäter

Kreis Unna will Sicherheitsschleuse gegen Gewalttäter
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Sieben Obergeschosse im Haupttrakt, Nebentrakte, rund 270 Büros – das Kreishaus in Unna wirkt auf erstmalige Besucher wie ein Labyrinth. Dennoch hat jeder leichten Zutritt – auch wenn er dabei nichts Gutes im Schilde führt.

Landrat Mario Löhr hat nun vor einiger Zeit den Auftrag dazu erteilt, die Arbeitsplätze bei der Kreisverwaltung im wahrsten Sinne des Wortes sicherer zu machen und vor allen bedrohlichen Eventualitäten zu schützen.

Was Behördenmitarbeitern schlimmstenfalls passieren kann, ist in der Vergangenheit leider viel zu häufig Realität geworden. Ein Dienstgebäude des Kreises war zuletzt im vergangenen November betroffen.

Hausverbot und Bombendrohung

Trotz eines Hausverbots hatte sich ein 44-Jähriger im Jobcenter in Kamen aufgehalten. „Ich bin Russe und ich komme mit einer Bombe zurück. Ich mache euch platt“, rief der Mann. Der Vorfall damals ging glimpflich aus.

Die Reihe lässt sich fortsetzen. Oft sind neben Jobcenter oder Arbeitsagentur Beschäftigte in anderen Ämtern mit Konfliktpotenzial nicht nur von verbalen Beschimpfungen, sondern auch Handgreiflichkeiten betroffen: Das kann vom Sozialamt bis zur Straßenverkehrsbehörde reichen.

Neben dem Aufzug führt auch ein Treppenhaus in die oberen Etagen des Kreishauses – ganz ohne Zugangskontrolle.
Neben dem Aufzug führt auch ein Treppenhaus in die oberen Etagen des Kreishauses – ganz ohne Zugangskontrolle. © Udo Hennes

Selbst unter den Amtsgerichten dürfte es in Nordrhein-Westfalen mittlerweile kaum noch ein Gebäude ohne Sicherheitsschleuse geben, nachdem es auch in Straf- oder Scheidungsprozessen schon zu Gewaltexzessen gekommen war.

Eine Art Sicherheitskorridor will der Landrat künftig auch in das Kreishaus an der Friedrich-Ebert-Straße, aber auch in sämtliche Nebenstellen der Kreisverwaltung einziehen. „Es wird an einem Sicherheitskonzept gearbeitet“, bestätigte Mario Löhr im Gespräch mit dieser Redaktion.

Publikumsverkehr und Terminbuchung

Betroffen sein wird der Publikumsverkehr, also alle Dienststellen, die für Anträge oder Beratungen aufgesucht werden können. Der Kreis Unna bietet derzeit ausdrücklich an, Termine zu buchen.

„Besonders bei stark nachgefragten Dienstleistungen ist das sinnvoll“, lässt das Serviceportal wissen. Für die Zulassungs- und Führerscheinstelle, für Angelegenheiten rund um das Elterngeld oder auch Einbürgerungen und Aufenthaltsgenehmigungen können telefonische oder eben auch persönliche Termine gebucht werden.

Im Atrium des Kreishauses sollen künftig an einem Meeting Point Besucher von Mitarbeitern empfangen werden.
Im Atrium des Kreishauses sollen künftig an einem Meeting Point Besucher von Mitarbeitern empfangen werden. © Udo Hennes

Doch wer kommt da am Ende tatsächlich und mit welchen Absichten? „Ich möchte nicht, dass man bei uns in alle Etagen gelangen kann“, sagt der Landrat. Er äußert keinen Generalverdacht, will aber Restrisiken ausschließen, spricht auch die Problematik „Reichsbürger“ an, also Menschen, die die staatliche Ordnung prinzipiell in Frage stellen. „Da möchte ich meine Mitarbeiter einfach schützen.“

Das Sicherheitskonzept wird mindestens zwei Komponenten haben. Alle Besucher melden sich künftig bei ihrem Eintreffen im Foyer an. Die Mitarbeiter der Ämter verlassen dann ihre Dienstzimmer und treffen ihre Kunden im Atrium des Kreishauses. Dort wird eine Art „Meeting Point“ (Begegnungspunkt) eingerichtet. Je nach Komplexität der Angelegenheit könnten sich die Gesprächspartner noch in ein Besprechungszimmer zurückziehen.

Orientierungsplan führt zu Büros

Derzeit ist es so, dass Aufzüge und Treppenhaus im Kreishaus ohne weitere Kontrolle von sämtlichen Besuchern genutzt werden können. Die Frage „Wo sitzt der Landrat?“ muss praktisch auch nicht gestellt werden, weil auf einer Wand des Foyers ein Orientierungsplan den Weg in jeden Trakt und auf jede Etage weist.

  • Das Kreishaus an der Friedrich-Ebert-Straße ist zwischen 1962 und 1964 bezogen worden. Offiziell an die Verwaltung übergeben wurde der Bau im Rahmen einer Kreistagssitzung am 25. Mai 1964.
  • Von August bis 1976 bis August 1978 wurden über zwei Etagen im Lichthof die Sitzungssäle eingebaut. Zugunsten der Raumhöhe wurden damals im 1. Obergeschoss Differenzstufen zum Flur in Kauf genommen.
  • Von 1991 bis 1994 ist das separat stehende Dienstgebäude Platanenallee 16 errichtet worden, in dem Umwelt- und Gesundheitsamt einen neuen Standort fanden.
  • Im Rahmen eines Public-Private-Partnership-Projektes (PPP) mit der Firma Bilfinger Berger ist das Kreishaus von 2004 bis 2006 umfassend saniert worden. Die Kreisverwaltung zog in dieser Zeit mit 4000 Mitarbeitern in ein angemietetes Gebäude in Holzwickede in der Nähe des Dortmunder Flughafens.
  • Mit dem Wiedereinzug Anfang August 2006 übernahm Bilfinger Berger für 25 Jahre Betrieb und Bewirtschaftung des Kreishauses (Hausmeisterdienste, Reinigung, Wartung, Instandhaltung, Energie- und Wasserversorgung).
  • Eine aufwändige Sanierung der Fassade hatte es zuletzt Anfang 2020 gegeben. In diesem Zuge musste nach erheblichem Wassereintritt durch Starkregen auch die Dichtigkeit nachgebessert werden.

Die zweite Komponente des Sicherheitskonzeptes sieht vor, dass die Türen im Kreishaus nur noch von befugten Personen mit einem sogenannten Security-Token geöffnet werden können. Dabei handelt es sich um einen elektronischen Schlüssel, der bei Vorhalt an einem Empfangsgerät das Schloss entriegelt.

Für die Mitarbeitereingänge am Kreishaus nutzen die Beschäftigten einen solchen Chipschlüssel schon seit Längerem. Das System im Inneren des Kreishauses muss hingegen noch installiert werden. Wann das Sicherheitskonzept für die Besucher des Kreishauses sichtbar wird, kann der Landrat noch nicht sagen.

Erst kürzlich hat Mario Löhr die Beitrittsurkunde zu dem Präventionsnetzwerk #sicherimDienst unterzeichnet. Dort tauschen Kommunen aus NRW ihre Erfahrungen mit sicherheitsrelevanten Vorfällen und Schutzkonzepten aus.

Auch wenn sich künftig das Prozedere bei Besuchen an der Friedrich-Ebert-Straße in Unna ändern wird – eines betont der Landrat: „Wir wollen ein offenes Haus bleiben.“