Krähe im Seepark Lünen geschossen Großer Schreck für Spaziergängerin

Krähe im Seepark Lünen geschossen: „Ich darf das“
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Es sei ein furchteinflößender Vorfall gewesen, sagt der Lüner Richard Nickel. Der 66-Jährige berichtet, was seine Schwester Miriam Nickel ihm erzählte. Am 8. Februar, einem Samstag, war sie gemeinsam mit einem Bekannten und zwei Hunden im Seepark in Lünen-Horstmar unterwegs. Dort beobachtete sie, wie eine Krähe abgeschossen wurde.

Die Lünerin beschreibt den Vorfall in den sozialen Netzwerken so: „Aus der Richtung des Sees, am Holzsteg vorbei, nahmen wir zwei Männer wahr, die über die Wiese gelaufen kamen. Eine Krähe saß circa sechs Meter neben mir, unsere Hunde waren angeleint und wir standen in unmittelbarer Nähe. Der Mann nahm sein Gewehr mit Zielfernrohr und schoss auf die Krähe, diese flatterte einmal und war tot.“ Daraufhin habe die Spaziergängerin die Männer angeschrien, warum sie geschossen hätten. „Er antworte nicht und ich wiederholte die Frage einige Male. Dann sagte er, er darf das. Ich sagte, ich glaube nicht, dass das erlaubt ist. Er ging zur Krähe und nahm sie mit.“

Anschließend wählte Miriam Nickel die 110. In den 30 Minuten, die sie wartete, sei keine Streife aufgetaucht. Ein Anruf beim Jagdverband ergab: „Man teilte uns mit, dass heute ausschließlich Tauben geschossen werden dürfen, keine anderen Tiere.“ Nichts sei abgesperrt gewesen, Park und Café waren voller Ausflügler. „Ich bin entsetzt und unsagbar traurig“, sagt Miriam Nickel.

Nahaufnahme Krähe
Nur eine Krähe wurde am 8.2. im Seepark Horstmar geschossen. © picture alliance/dpa/TIERGARTEN SCHÖNBRUNN

Auf Anfrage der Ruhr Nachrichten bei der Polizei teilte ein Sprecher mit: „Wir haben deswegen keinen Wagen geschickt, weil wir von dem Einsatz wussten.“ Sie seien im Vorfeld informiert worden. Und zwar durch die Untere Jagdbehörde, die beim Kreis Unna angesiedelt ist. Auf Nachfrage äußert sich Kreissprecher Max Rolke ausführlich: Zunächst bestätigt er den Abschuss einer Rabenkrähe im Seepark an besagtem Tag.

Auf die Frage, warum der für den Abschuss verantwortliche Jäger nicht entsprechend gekennzeichnet gewesen sei, antwortet Rolke: „Jäger haben keine Uniform und sind nicht ohne Weiteres zu erkennen“ – aus gutem Grund. Kleidung in Signalfarben sei lediglich bei Bewegungsjagden vorgeschrieben. „Bei der hier angesprochenen Jagd handelt es sich um eine sogenannte Lockjagd, bei der sehr wenig bis keine Bewegung stattfindet, sodass hier auf Kleidung mit Signalfarben verzichtet wird“, erklärt Rolke. „Vielmehr ist das Gegenteil wichtig: Bei dieser Jagdart kommt der Auswahl der Kleidung eine besondere Gewichtung zu: Tarnung ist Pflicht für den Jäger, wenn die Jagd erfolgreich sein soll.“

Miriam Nickel hätte sich wenigstens Hinweisschilder am Eingang des Parks gewünscht. „Warnschilder müssen bei dieser Art von Jagd nicht aufgestellt oder das Gebiet abgesperrt werden“, gibt Rolke Auskunft. „Eine Beschilderung ist sinnvoll bei Gesellschaftsjagden. Im Herbst und frühen Winter finden Bewegungsjagden statt – auch Treib- oder Drückjagden genannt. Rot umrandete Dreiecke mit Aufdrucken wie ‚Treibjagd‘ oder ‚Vorsicht Jagd‘ machen an Straßen sowie Wald- und Feldwegen auf Bewegungsjagden aufmerksam, um Unfälle zu vermeiden. Bei der zur Rede stehenden Jagd hingegen ist eine Beschilderung nicht notwendig.“

Krähen-Überpopulation

„Jäger sind geschulte Schützen und kennen alle sicherheitsrelevanten Regelungen“, heißt es weiter von der Kreisbehörde. Zu der Frage, warum die Krähe überhaupt geschossen wurde, äußert Rolke: „Die Jäger tragen eine große Verantwortung. Ihre Hauptaufgabe ist es, das Gleichgewicht zwischen Wildtieren und ihrem Lebensraum zu wahren. Sie kontrollieren nicht nur den Wildbestand, sondern kümmern sich zum Beispiel auch um das Wohl der Tiere und den Schutz des Waldes.“

Rabenkrähen dürften in der Zeit vom 1. August bis 10. März bejagt werden. Grund dafür sei eine Überpopulation in diesem Bereich. Schießender sei der Jagdpächter gewesen.

Es handele sich um ein übliches und regelmäßig durchgeführtes Vorgehen im Bereich der Jagd. „Selbstverständlich sollte dabei auf eine behutsame Ausführung der Jagd geachtet werden, um Konflikte mit Erholungssuchenden zu minimieren. Ganz vermeiden lässt es sich aber nicht, dass Erholungssuchende das Jagdgeschehen – wie in diesem Fall - mitbekommen.“

Zu den Sicherheitsauflagen heißt es weiter: „Der zuständige Jäger unterliegt dem Jagdrecht und hat entsprechende Prüfungen absolviert. Bestandteil der Prüfung sind auch Sicherheitsbestimmungen im Umgang mit Schusswaffen und Sicherheitsabstände. Eine solche Jagd muss dann nicht mehr vom Jäger angemeldet werden – der Jäger kann selbst frei entscheiden, wann und wo in seinem Bezirk er auf die Jagd geht. Besondere Sicherheitsauflagen für eine einzelne Jagd gibt es dementsprechend nicht. In diesem Fall hat der Jäger die Polizei aber vorab informiert.“

Mehrmals im Monat könne während der Jagdsaison ein solcher Abschuss erfolgen. In Wohngebieten seien Jagden verboten. „Das hätte alles sein können“, sagt Richard Nickel, der sich mit diesen Antworten nicht zufriedengeben möchte. „Auch ein Verbrechen.“