Kostenexplosion bei Lüner Brücken für den IGA-Radweg Lünen hofft „auf ein Quasi-Wunder“

Ganz oder gar nicht? Rat findet dritten Weg bei IGA-Brücken
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Entweder ganz oder gar nicht. Spielraum dazwischen sieht der Lüner Beigeordnete Arnold Reeker nicht trotz der enormen Preissteigerung auf dem Bausektor. Und vor allem: Spielraum sehen auch nicht die Fördergeldgeber von Bund und Land, wie der Beauftragte der Stadtverwaltung Lünen für die Internationale Gartenbauausstellung 2027 (IGA) immer wieder sagt. Entweder die Stadt Lünen baut beide Brücken für den IGA-Radweg - sowohl die aufwendige über die Lippe (nach aktuellen Kostenberechnungen 4,8 Millionen Euro teuer statt 3,4 Millionen) als auch die einfachere über die Kamener Straße (1,7 Millionen Euro statt 1,3 Millionen), - oder sie verzichtet ganz auf das IGA-Projekt. Dann bliebe sie aber auf 1 Million Euro Planungskosten sitzen, muss 5,8 Millionen Euro Fördergelder wieder zurückzahlen und den für den Brückenbau bereits gefällten Wald wieder aufforsten. Hopp oder top? Der Lüner Stadtrat fand am Mittwoch (7. 6.) in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause, zunächst einen dritten Weg.

Karsten Niehues (FDP) nannte die Strategie „Warten auf ein Quasi-Wunder“. Robert Habecks Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz liegt inzwischen ein Antrag der hochverschuldeten Stadt Lünen vor, statt der bereits bewilligten 5,8 Millionen Euro doch besser 8,5 Millionen zur Verfügung zu stellen: die einzige Möglichkeit, damit die auf ein Haushaltssicherungskonzept zusteuernde Stadt Lünen festhalten könne an dem Projekt IGA-Radweg. Dabei handelt es sich immerhin um „das Rückgrat des Zukunftsgartens Lünen-Bergkamen“, also einen zentralen Beitrag für die IGA der Metropole Ruhr.

Bliebe die Finanzspritze aus Berlin für Lünen aus, würde auch Bergkamen in die Röhre schauen. Denn für die Nachbarstadt gilt ebenso wie für Lünen: Nur wenn der Förderzweck - also eine autofreie Verbindung zwischen Bergkamen und Lünen - erfüllt ist, fließen die Fördergelder. Der 20 Kilometer lange Weg über Straße und Fluss, der hinter der Marina Rünthe an den Radschnellweg 1 (von Duisburg nach Hamm) anschließen soll und am Lüner Hauptbahnhof an das innerstädtische Wegenetz in Richtung Dortmund, lässt sich nur gemeinsam bauen. Sonst bleibt er Stückwerk. Und dafür gibt es kein Geld.

Ausschreibung noch im Juni

Wie realistisch ist es, dass das „Quasi-Wunder“ eintritt? Arnold Reeker ist optimistisch. Schließlich habe es bereits im Vorfeld genaue Prüfungen gegeben. Die Tatsache, dass Lünen anschließend überhaupt den Antrag stellen durfte auf Aufstockung der Fördersumme, wertet der Beigeordnete als gutes Zeichen. Aber wie es mit Wundern so ist: Sie lassen sich nicht garantieren, erst recht nicht termingerecht. Noch ist keine Förderzusage da, und die Zeit drängt.

„Zwingend“ müssten beide Brückenbauwerke im laufenden Monat Juni ausgeschrieben werden, sagte Arnold Reeker in der Ratssitzung. Sonst ließen sich die Bauarbeiten nicht bis Ende 2025 beenden. Das wiederum sei unbedingt nötig, damit die Umwandlung der 40 Hektar großen Victoria-Brache in einen IGA-Landschaftspark mit verschiedenen, kostenlos zu nutzenden Spiel- und Freizeitangeboten beginnen kann. Mehr als 90 Jahre industrieller Nutzung durch Zeche und Kokerei haben dort hochgiftige Spuren im Boden hinterlassen. In den zurückliegenden Jahrzehnten war es nicht gelungen, die Sanierung anzugehen. Das soll sich durch die IGA und den Bau der forensischen Klinik auf einer 3,7 Hektar großen Teilfläche des Geländes ändern.

Sanierung der Victoria-Brache

Die Altlastensanierung soll im zweiten Quartal 2024 beginnen. Im dritten Quartal setzt die Modellierung der Landschaft ein zu einem Naturraum für Spiel, Erlebnis und Erholung. Unter anderem sind Anlagen für Roll- und Skatesport vorgesehen. Ebenfalls 2024 will das Land NRW mit dem Forensik-Bau beginnen. Ende 2025 sollen Aufforstung und Bepflanzung des Landschaftsparks Viktoria folgen. Die Lippebrücke inklusive 90 Meter langer Sitzbank muss dann längst fertig sein. Denn schweres Gerät für die Vormontage der Brückenteile und ihren Vorschub zum Fluss würde sonst alles zerstören, was gerade gestaltet wurde.

Entscheidung im September

„Das ist eine Verquickung unglücklicher Umstände“, brachte es CDU-Fraktionschef Christoph Tölle auf den Punkt. Dennoch fanden er und die Mehrheit des Rates Gefallen an einem dritten Weg. Die Stadtverwaltung schreibt im Juni den Bau beider Brücken aus. Ende August werden dann die Angebote vorliegen, wie Dezernent Reeker sagte. „Und sie können dann in der nächsten Ratssitzung am 21. September entscheiden“, ergänzte er an die Adresse der Politikerinnen und Politiker. Kritik daran gab es aus zwei unterschiedlichen Richtungen.

Die Wählergemeinschaft GFL hatte sich bereits in der Vergangenheit gegen den Bau der Brücke über die Kamener Straße ausgesprochen. Dafür großflächig Wald abzuholzen, sei nicht hinnehmbar. Dass diese Rodung im Winter bereits stattgefunden hat, änderte nichts daran, dass GFL-Fraktionsvorsitzender Andreas Dahlke und seine Fraktion weiter an ihrem Widerstand gegen die Brücke festhielten. Friederike Hagelstein (AfD) lehnte nicht nur Brücken und Radweg ab, sondern die gesamte IGA-Teilnahme. Die Victoria-Brache, sagte sie, solle lieber komplett Industriefläche bleiben: etwas, das aufgrund des Forensik-Baus aber gar nicht mehr möglich ist.

Die Victoriabrache soll bei der IGA 2027 Teil des Zukunftsgartens von Lünen und Berkamen werden.
Die Victoriabrache soll bei der IGA 2027 Teil des Zukunftsgartens von Lünen und Berkamen werden. © Goldstein (A)

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