Die Koalitionsverhandlung in Berlin sind im vollen Gange. Während CDU und SPD derzeit noch am Verhandlungstisch sitzen, hat sich der neue Bundestag bereits am vergangenen Dienstag (25. März) zur konstituierenden Sitzung getroffen. Ebenfalls mit von der Partie: Michael Thews (SPD), der als Abgeordneter für den Wahlkreis Hamm-Unna II Lünen, Werne und Selm im Parlament vertritt. Im Gespräch mit der Redaktion äußert sich Thews zu den wichtigsten Momenten der Sitzung.
Gregor Gysis Rede
„Ich bin ja jetzt zum vierten Mal dabei“, bemerkt Thews, „der Ablauf ist meisten relativ gleich: In der ersten Sitzung geht es vor allem um die Wahlgänge und die Reden“. Die Ansprache des Alterspräsidenten Gregor Gysi (Die Linke) etwa fiel ungewohnt lasch aus – „Ich habe auch schon bessere Reden von ihm gehört“, erinnert sich der Bundestagsabgeordnete. Gysi, der eigentlich für seine Leidenschaft und Scharfzüngigkeit bekannt ist, streifte in knapp 36 Minuten ein buntes Themen-Potpourri. Neben dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine oder US-Präsident Donald Trump kritisierte der Linken-Politiker unter anderem auch den Umgang mit Ostdeutschland nach der Wende. „Das war ein bisschen schade. Er hätte die Gelegenheit nutzen können, um mehr auf die großen Themen einzugehen, stattdessen kam viel Ost-West-Abrechnung“, findet Thews.

Trotzdem habe Gysi „auch jede Menge gute Sachen angesprochen“, so der 60-Jährige weiter. Dem Antrag der AfD, statt des Dienstältesten im Parlament den Ältesten (AfD-Mitglied Alexander Gauland) das Amt des Alterspräsidenten zu verleihen, kann Thews übrigens nur wenig abgewinnen. Die entsprechende Änderung der Geschäftsordnung wurde 2017 getroffen, „und das ist immerhin schon eine Weile her. Aber man kann offenbar lange jammern.“
Die neue Parlamentspräsidentin
Auch Julia Klöckner (CDU) bekleidet seit Dienstag ein Amt im Bundestag: Die frühere Agrarministerin ist mit knapp 60 Prozent zur neuen Bundestagspräsidentin gewählt worden – ein vergleichsweise knappes Ergebnis. Zuvor gab es Spekulationen, ob einige Abgeordnete der Grünen und der SPD ihre Zustimmung verweigern. Michael Thews fand ihren Einstieg jedenfalls „in Summe ok. Gerade, weil bei der konstituierenden Sitzung viele neue Bundestags-Mitglieder dabei sind, sollte so eine Rede sehr feierlich und präsidial sein“, erklärt der Sozialdemokrat. „Aber“, räumt er ein, „für sie war das auch ein großer Tag. Vielleicht muss sie noch etwas in die Rolle hinein wachsen.“
Was Thews trotzdem an Julia Klöckners Ansprache gefallen hat: Dass die neue Vorsitzende zu einer Gesprächskultur ermahnte, die dem hohen Haus angemessen ist. Der Ton hätte sich seiner Meinung nach in den vergangenen Jahren verändert – vor allem durch die AfD-Abgeordneten. „Die Redekultur hat sich definitiv verschlechtert, seit die im Bundestag sitzen. Klar gibt es auch andere, die mal dazwischen rufen, aber meistens sind das Mitglieder der AfD“, wird er deutlich.
Kein Amt für die AfD
Dadurch, dass der „blaue Block“ nach dem großen Wahlerfolg der AfD knapp ein Viertel aller Abgeordneten stellt, wird der Umgang mit der in Teilen rechtsextremen Partei nicht einfacher. „Die haben mit einer größeren Fraktion natürlich automatisch mehr Redeanteile. Für die Präsidentin wird es eine Herausforderung, unangemessene Reden und Zwischenrufe zu moderieren“, schätzt Thews. Die AfD beschwerte sich außerdem darüber, dass ihr Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten Gerold Otten nicht gewählt wurde. Denn eigentlich soll jede Partei im Parlament ein Stellvertreter zustehen. Dass sich übrigen Mitglieder aus den demokratischen Parteien dagegen entschieden, einen AfD-Abgeordneten in ein Amt zu wählen, hat Michael Thews „sehr gefreut. Ein deutlicheres Zeichen kann man ja gar nicht setzen.“