Die drei Ochsen in der Lüner Innenstadt haben für einen Tag Konkurrenz bekommen. Viele Kinder nutzen die Bronzestatuen als Kletterobjekt, doch nun hatten sie eine besondere Alternative. Sie ist groß, rot und wackelt ganz schön. Während bei den meisten Kunstwerken die eindringliche Bitte „Nicht anfassen“ angebracht ist, dreht Lünen den Spieß mit einer Skulptur des Künstlers Manfred Webel einfach um. Die Menschen sollen „Mon Ami“, so heißt die Figur, berühren und mit ihr interagieren. Für drei Tage tourt der 57-Jährige mit ihr durch die Lippestadt.
Als Erstes machte die rote Skulptur Halt auf dem Schulhof der Wittekindschule in Brambauer. Zunächst seien die Kinder etwas skeptisch gewesen, hätten dann aber mit Neugier das Werk beäugt und auch angefasst, berichtet Manfred Webel. Noch sichtbarer ist die Figur dann einen Tag später mitten in der Lüner Innenstadt. Gleich neben den drei Ochsen laden der Künstler und sein Team das rote Etwas vom Anhänger, das ein wenig an vier Finger erinnert.
„Ich habe es zwar nicht als Hand konstruiert, aber man könnte es schon so deuten. Eine Hand, die man drehen kann, die über einem ist, die einen aufnimmt“, so der Künstler. Draufsetzen klappt ziemlich gut, und herumklettern ist auch möglich. Umarmen gestaltet sich wegen der Dimensionen hingegen ein bisschen schwer, das hat auch der Künstler selbst schon festgestellt. Schnell wird die Skulptur an der Münsterstraße von den ersten Kindern belagert. Ein Mädchen legt sich auf einen der Stränge und genießt die Sonne. Hinter ihr zieht sich ein Junge an einem anderen Finger hoch.

Starr ist die Figur im Gegensatz zu den drei Ochsen nicht. Durch leichtes Anstoßen gerät sie direkt in Bewegung. Ständig wechselt das Werk dadurch sein Aussehen und schafft einen neuen Erlebnisraum. „Mir ist wichtig, dass die Lebendigkeit der Objekte sichtbar werden. Auch wenn sie nur statisch da liegen“, erklärt Webel. Wer an die roten Stränge klopft, hört nur einen dumpfen Laut. Hohl ist die Skulptur aber nicht, sondern aus stabilen Styropor, ummantelt mit Kunststoffen. Sie müsse leicht sein und gleichzeitig viele Menschen aushalten, so der 57-Jährige.
Ihm geht es bei seinen Werken hauptsächlich um den Dialog - zwischen Kunst und Betrachter und zwischen den Betrachtern selbst. „Meine Werke dürfen auch deswegen berührt werden, um sie allen Sinnen zugänglich zu machen.“ Denn eine Skulptur visuell zu erfassen oder sie zusätzlich zu berühren, würde einen großen Unterschied machen.
Soziale Situation durch Kunst stärken
Deswegen findet es der 57-Jährige eigentlich auch schade, dass dem Betrachter bei vielen Skulpturen immer ein „Nicht anfassen“ entgegenspringt. „Das ist wirklich verrückt. Klar, nicht alle Besucher können die Mona Lisa anfassen, aber im öffentlichen Raum ist eigentlich mehr möglich.“ Bei Kultur gehe es um das Miteinander, mit seiner Kunst wolle er diese soziale Situation stärken. Um dieses Erleben noch stärker in den Fokus zu stellen, bringt Webel auch immer Tische, Hocker, Stift und Papier mit. So können Interessierte das Objekt aus verschiedenen Blickwinkeln zeichnen sowie neue Strukturen ergänzen. „Mon Ami“ ist in Lünen bis zum 11. Mai zu Gast. Am Donnerstag steht das Werk von 14.30 bis 18.30 Uhr an der Stadtinsel Lünen (Friedrichstraße 65b).

Manfred Webel hat aber noch eine weitere Mitmach-Aktion in Lünen geschaffen.
Inspiriert von der umfangreichen Puppensammlung und der aktuellen Barbie-Ausstellung im Stadtmuseum konzipierte er mit Modemacherin Laura Schlütz eine Kollektion für weitere kleinere Skulpturen. Dabei spielt der 57-Jährige auch mit klassischen Genderklischees. Eine rosafarbene Figur, Five Bubble genannt, darf mit hellblauer Babykleidung angezogen werden. Von 14 bis 18 Uhr (11. Mai) können sich die Besucher des Stadtmuseums am Skulpturen-Ankleiden versuchen.