Klimaschutzmanagerin beim Kreis Unna Julia von der Decken kann nicht per Rad zur Arbeit fahren

Julia von der Decken setzt beim Klimaschutz auf die innere Motivation
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Julia von der Decken ist Norddeutsche. Die gebürtige Braunschweigerin hat nach wenigen Monaten im Ruhrgebiet schon viele Gemeinsamkeiten in der Mentalität der Menschen in den beiden Landstrichen ausgemacht.

Offen, herzlich, aber auch direkt – das zeichne die Ruhrpöttler offenbar genau so aus wie die Niedersachsen. Und das gefällt der neuen Klimaschutzmanagerin beim Kreis Unna recht gut, schließlich ist sie vorerst in Dortmund sesshaft geworden.

Mal ist das Rad, mal das Auto im Fokus

Wenn sie an Unterschiede in der Lebensauffassung der Leute hier wie dort denkt, fällt ihr ein Beispiel ein, das wie eine Blaupause wirkt für die Überzeugungsarbeit, die sie als neue Klimaschutzmanagerin des Kreises Unna wird leisten müssen.

„In Norddeutschland ist gefühlt an jeder Landstraße ein Radweg“, sagt die 31-Jährige. Als sie dann in Dortmund die sämtlich Helm tragenden Radfahrer sah, dachte sie zuerst: „Wie vorbildlich hier alle sind!“ Um dann angesichts des robusten Kfz-Verkehrs zu einem anderen Urteil zu kommen: „Nein, die schätzen nur ihr Leben“, erzählt sie mit einem Lachen.

  • Das Klimaschutzkonzept sieht ein Maßnahmenprogramm auf folgenden Handlungsfeldern vor: 1. Liegenschaften, 2. Klimafreundliche Kreisverwaltung, 3. Nutzung Erneuerbarer Energien und Energieeffizienz, 4. Wirtschaft, 5. Mobilität, 6. Beratung und Information, 7. IT-Infrastruktur/Digitalisierung.
  • Das 200-seitige Klimaschutzkonzept liegt in digitaler Form als PDF-Dokument vor und ist über www.kreis-unna.de/umwelt/klima abrufbar.

„Man ist hier sehr aufs Auto fokussiert“, hat Julia von der Decken schnell festgestellt. Im Oldenburger Land, woher ihr Vater stammt, oder in Ostfriesland, das sie gut kennt, setze man sich auch für längere Strecken lieber aufs Rad.

Für die studierte Umwelt- und Raumplanerin zeigt nicht allein dieser auffällige Kontrast bei der Wahl des Fortbewegungsmittels, wie stark alltägliches menschliches Verhalten von Gewohnheiten und äußeren Zwängen bestimmt wird.

Keine kompromisslose Umweltaktivistin

Beim Umsatteln vom Auto aufs Fahrrad ist man schon mitten in Julia von der Deckens Arbeitsgebiet der nächsten Monate: den Klimaschutz im Kreishaus, aber auch bei Unternehmen, bei Bürgerinnen und Bürgern im Kreisgebiet zu platzieren.

„Es gibt ein Mindset bei vielen Menschen und Klimaschutz ist ein Mindchange – und das braucht Zeit“, sagt Julia von der Decken einen Satz, der wohl die ganze Problematik dieser Herausforderung unserer Zeit auf den Punkt bringt.

Das Mindset, die tradierte Denkweise oder wie Julia von der Decken den englischen Begriff treffend ins Deutsche überträgt: „Das Alte hat ja funktioniert!“ Warum also umschwenken? Warum beim Kleiderkauf auf nachhaltig angebaute Baumwolle achten? Warum mehr Veganes oder Vegetarisches zu sich nehmen?

Julia von der Decken macht alles andere als den Eindruck einer kompromisslosen Aktivistin, die in jedem Dorf des Kreises einen Veggie-Day veranstalten und die Menschen zu ihrem „Glück“ zwingen will. Im Gegenteil. Dogmatisch mag sie nicht sein. Als eine vegan lebende Freundin sie schief ansah, weil sie Bio-Hühnchen neben das Soja auf den Grill legte, fand von der Decken das gar nicht okay.

Innere Motivation, klimafreundlich zu handeln

„Der Kreis kann Dinge anstoßen – ich kann aber niemandem auf die Finger hauen. Jemanden zu etwas zu zwingen wird nicht funktionieren“, ist sich Julia von der Decken völlig klar. Wie so oft, wenn ein Wandel bevorsteht, wird wohl nicht Radikalität, sondern allmähliche Überzeugung Erfolge zeitigen.

„Intrinsische Motivation“ nennt Julia von der Decken das: Ich weiß, warum es gut ist, es so und nicht anders zu machen, könnte man es recht banal übersetzen. Denn wenn ich so handele, macht es mich zufrieden. Das fällt beim Fahrradfahren über die Fröndenberger Hügel sicher schwer.

Das Kreishaus in Unna: Bei bedecktem Himmel wäre eine Photovoltaik-Anlage nicht effizient, aber es gibt auf dem Dach des Gebäudes ohnehin keine Solarzellen. Die Liegenschaften des Kreises energetisch aufzurüsten stößt im Detail an Probleme.
Das Kreishaus in Unna: Bei bedecktem Himmel wäre eine Photovoltaik-Anlage nicht effizient, aber es gibt auf dem Dach des Gebäudes ohnehin keine Solarzellen. Die Liegenschaften des Kreises energetisch aufzurüsten stößt an Probleme im Detail. © Archiv/Claudia Lohmann

Nein, es ist nicht so, dass Julia von der Decken – vorerst bis Oktober 2025 auf einer befristeten Stelle – demnächst Land auf, Land ab die Vorzüge von klimafreundlichen Verhaltensweisen predigen wird.

Das im Juni 2022 vom Kreistag verabschiedete Klimaschutzkonzept sieht handfeste Handlungsfelder vor, auf denen sich von der Decken mit Kolleginnen und Kollegen anderer zuständiger Fachbereiche tummeln wird. Hinterlegt ist es im laufenden Jahr mit einem Budget von immerhin 265.000 Euro.

Da sollen etwa die kreiseigenen Liegenschaften nach und nach energetisch auf möglichst effizientesten Stand gebracht werden. Wie herausfordernd allein diese Aufgabe ist, macht die Klimaschutzmanagerin am Kreishaus, der wohl größten von mehreren Dutzend Immobilien, deutlich.

Barrieren beim Klimaschutz

„Warum ist dort keine Photovoltaikanlage auf dem Dach“, habe sie sich sofort gefragt. Ernüchternde Antwort: Das Gebäude ist als Public-Private-Partnership-Modell erstanden, Eigentümer und Pächter müssen sich also überhaupt erst einigen – das könnte dauert.

Bei ihrer Aufgabe als Impulsgeberin, als Vernetzerin mit anderen Akteuren auf dem Gebiet des Klimaschutzes („Man muss nicht überall das Rad neu erfinden“) könnte Julia von der Decken daher am Ende die besten Ergebnisse abliefern.

So wird sie auch das Feld „Klimafreundliche Kreisverwaltung“ beackern, wozu auch die Motivation der Mitarbeiter zählt. Und an dieser Stelle wird der Gedanke des Mindchange – des Gesinnungswandels, wenn man so will – wieder aktuell.

Der Klimaschutzmanager der Kreisstadt Unna Thomas Heer (l.) und Frank Winkelkötter aus Billmerich mit dem neuen elektrischen Lastenrad für Billmerich – Klimaschutz ist auch und vor allem Aufgabe der Städte und Gemeinden.
Der Klimaschutzmanager der Kreisstadt Unna Thomas Heer (l.) und Frank Winkelkötter aus Billmerich mit dem neuen elektrischen Lastenrad für Billmerich – Klimaschutz ist auch und vor allem Aufgabe der Städte und Gemeinden. © Kreisstadt Unna

Sie habe unheimlich viel erreicht, „wenn es ein Selbstläufer wird“, sagt sie. Wenn also allein schon die mehr als Tausend Mitarbeiter der Kreisverwaltung ihre Überzeugung von klimafreundlichem Verhalten weitergeben würden – so sie denn überhaupt noch überzeugt werden mussten oder konnten.

„Die Menschen werden zu Multiplikatoren, wenn sie darüber reden – wenn es ein Thema für sie ist“, hofft Julia von der Decken. Die Klimaschutzbeauftragte macht sich aber auch nichts vor – zumal sie die äußeren Zwänge selbst erlebt.

Liebend gern wäre sie aus Lütgendortmund mit der S-Bahn nach Unna zur Arbeit gereist. Ihre Dienststelle aber liegt in Bönen. Das sind für die einfache Fahrt eine Stunde, 20 Minuten, bei zwei Umstiegen. „Das ist keine Option“, sagt Julia von der Decken.