Lüner Klima-Analyse im Fokus nach Bürgerentscheid „Karte wird keine Freunde finden“

Klima-Analyse im Fokus nach Bürgerentscheid: „Karte wird keine Freunde finden“
Lesezeit

Aufgeben ist für Hans-Georg Hamelmann im Kampf um den Naturschutz selten eine Option. Seit mehr als drei Jahrzehnten setzt er sich dafür ein, dass Felder und Wiesen in Lünen nicht unnötig mit Gewerbe bebaut werden und Naherholungsgebiete auch in Zukunft solche bleiben.

2003 gab es für ihn und seine Mitstreiter aus dem Arbeitskreis für Umwelt und Heimat einen großen Erfolg. Beim Bürgerentscheid zum Mühlenbachtal sagten damals über 14.000 Lünerinnen und Lüner „Ja“ zum Erhalt der dortigen Schutzgebiete. „Wir haben für jeden Quadratmeter Grünfläche gekämpft. Jetzt ist es Landschaftsschutzgebiet.“

Analyse zeigt Klimaverhältnisse

Ganz anders sieht die Situation 20 Jahre später aus. Denn das Begehren der Bürger gegen die Bebauung an der Derner Straße und am Klötersfeld ist Anfang Dezember gescheitert. Eigentlich war sich Hamelmann vor der Abstimmung ziemlich sicher, dass die Natur gewinnt und somit die geplanten Gewerbegebiete der Harpen Immobilien GmbH vom Tisch sind. Nun werden die Bebauungspläne erneut einer Prüfung unterzogen.

Dadurch rückt auch die Klima-Analyse der Stadt Lünen wieder in den Fokus. Zum ersten Mal wurde 2020 eine solche Untersuchung speziell für Lünen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse liegen seit November 2022 vor. In den Jahren davor griff man laut Pressesprecher Daniel Claeßen auf den Klimaatlas NRW zurück.

Die aktuelle Analyse würde jedoch deutlich flächenschärfere Aussagen für das Stadtgebiet treffen. Auf über 200 Seiten erklärt der Regionalverband Ruhr als Auftraggeber, wie sich die bioklimatischen Verhältnisse auf Lüner Stadtgebiet zusammensetzen – inklusive einer bunt eingefärbten Klima-Karte.

Auf der Klima-Karte sind die Felder an der Derner Straße und am Klötersfeld blau eingezeichnet - gleichbedeutend mit Freilandklima.
Auf der Klima-Karte sind die Felder an der Derner Straße und am Klötersfeld blau eingezeichnet - gleichbedeutend mit Freilandklima. © Screenshot Klimakarte Regionalve

Noch leuchten dort die zwei Felder in Lünen-Süd in hellem Blau. Die Farbe steht für Freilandklima, das vor allem durch einen ungestörten Temperatur- und Feuchteverlauf gekennzeichnet wird. Es gebe dort zudem eine windoffene und normale Strahlung sowie keine Quellen für Luftverunreinigung. Im Ganzen seien die Flächen als sogenannte Frischluft- und Kaltluftproduktionsgebiete für die Stadt Lünen zu sehen.

Gewerbegebiete wie das an der Kupferstraße, am Buchenberg sowie an der Moltkestraße hingegen haben ihre leuchtende Farbe in den vergangenen Jahrzehnten verloren und erscheinen auf der Klimakarte in einem hellen Grau – gleichbedeutend mit Gewerbeklima. Solche Flächen seien demnach relativ trocken. Durch die hohe Versiegelung komme es zudem zu sommerlicher Aufheizung, ganzjährig gebe es eine hohe Emission von Lärm und Schadstoffen.

Viel Erfahrung als Stadtplaner

Hamelmann kennt solche Karten nur zu gut. Er selbst hatte ähnliche Analysen für die Stadt Gelsenkirchen bereits Mitte der 70er Jahre in Auftrag gegeben, als er dort als Stadtplaner tätig war. Demnach sei da auch keine große Überraschung gewesen, als die Analyse für Lünen veröffentlicht wurde.

„Das ist eine super Ausführung, die man wunderbar gebrauchen kann.“ Gleichzeitig ist er sich sicher, dass die Untersuchung nicht bei jedem so gut ankommt. „Die Klima-Karte wird keine Freunde finden, das weiß ich jetzt schon. Da werden viele sagen: 'Die zeigen uns jetzt auf, wo wir bauen dürfen und wo nicht'.“

Hinweise in Planung einbinden

Genaue Vorschriften fordert der Autor der Analyse zwar nicht, Planungshinweise gibt es jedoch genug. Bezogen auf den Ausgleichraum Freiland im Lupenraum 9, zu dem auch die Flächen am Klötersfeld und an der Derner Straße gehören, heißt es: „Die großflächigen zusammenhängenden Acker- und Grünlandareale sollten aufgrund der Kalt- und Frischluftbildungspotenziale als klimatische Ausgleichsräume erhalten werden.“

Die Stadt Lünen weiß um die Empfehlungen, welche nach dem gescheiterten Bürgerentscheid in kommende Entscheidungen mit einbezogen werden sollen. Von Pressesprecher Daniel Claeßen heißt es diesbezüglich: „Bauleitpläne sollen laut Baugesetzbuch den Klimaschutz und die Klimaanpassung fördern. Für die Belange des Umweltschutzes ist (…) eine Umweltprüfung durchzuführen, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden.“ Die Aussagen der Stadtklimaanalyse seien hierbei zu berücksichtigen und würden eine gute Grundlage zur Erarbeitung eines solchen Berichts darstellen.

Das Gewerbegebiet Im Berge Ost ist für Hans-Georg Hamelmann ein Vorzeige-Objekt.
Das Gewerbegebiet Im Berge Ost ist für Hans-Georg Hamelmann ein Vorzeige-Objekt. © Hans Blossey

Für Hamelmann sind Gewerbegebiete nicht grundlegend schlecht. So nennt er das Gebiet Im Berge Ost in Brambauer nahe dem Datteln-Hamm-Kanal sogar ein „Vorzeige-Gewerbegebiet“. Die Flächen für Firmen wie beispielsweise die Brockhaus AG und den Raumausstatter „Lübke“ würden mit der Ökologie im Einklang stehen.

„Hier gibt es überall grüne Flächen und Senken für Wasser. Unternehmen dürfen hier nicht bauen, wie sie wollen. Da dauert es eben, bis es dort voll ist.“ Vor gut 20 Jahren sind vor Ort die ersten Firmen angesiedelt.

Panne bei Bürgerentscheiden: Wahlunterlagen zu spät zugestellt – BI lässt Ergebnis prüfen

Bürgerentscheide in Lünen: Stimmung in Politik gemischt - neuer Konflikt um Feuerwehr?