Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat Anklage gegen Jürgen Kleine-Frauns (57), den Bürgermeister von Lünen, erhoben. Sein Rechtsanwalt Peter Wehn von der Hammer Kanzlei Minoggio Grezesch Bachmann hat sich noch am Mittwochabend (5.3.) in einer „Information für die Presse zur Anklageschrift“ dazu geäußert. Die Essenz: Kleine-Frauns sei unschuldig, die Anklage falsch.
Die Staatsanwaltschaft wirft Kleine-Frauns vor, im Januar 2023 eine E-Mail an seinen ehemaligen ehrenamtlichen Stellvertreter Daniel Wolski (damals noch SPD-Mitglied) weitergeleitet zu haben. In der Mail war Kleine-Frauns auf Wolskis sexuelles Fehlverhalten in Bezug auf Minderjährige hingewiesen worden. Die Vorwürfe hatten sich später als wahr herausgestellt, Wolski wurde zu 3,5 Jahren Haftstrafe verurteilt, das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Kleine-Frauns‘ Nachricht an Wolski hatte auch im Strafprozess gegen seinen früheren Stellvertreter eine Rolle gespielt. Der vorsitzende Richter zitierte aus Wolskis Kalender, ein Eintrag lautete: „JKF Danke sagen, wenn alles gutgegangen ist.“ Mit „JKF“ war offensichtlich Jürgen Kleine-Frauns gemeint.
Ministerium ist involviert
Die Staatsanwaltschaft ermittelte indes nicht nur gegen Wolski, sondern auch gegen Kleine-Frauns. Für die Ermittlungen gegen den Bürgermeister war ein sogenannter Ermächtigungsbeschluss des Justizministeriums NRW notwendig.
Dass es jetzt zu einer Anklage kommt, findet sein Anwalt Wehn „überraschend“. Die Staatsanwaltschaft habe „die Akten dem zuständigen Ministerium zur Stellungnahme übermittelt unter Hinweis auf die Ziffern 211, 212 der sog. Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren. Darin steht verkürzt, dass bei einer beabsichtigten Verfahrenseinstellung die Zustimmung des Ministeriums einzuholen ist“, schreibt Wehn in der Stellungnahme. Er legt dann nahe, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren eigentlich einstellen wollte. „Dieser beabsichtigten Einstellung hat das Ministerium nachfolgend offensichtlich nicht zugestimmt“, heißt es in der Stellungnahme. Auch das dann folgende Verfahren nennt Wehn „eines Rechtsstaates unwürdig“.
Staatsanwaltschaft widerspricht
Dem widerspricht die Staatsanwaltschaft: „Die Anklageerhebung beruht entgegen der Vermutung des Verteidigers nicht auf einer Entscheidung eines Ministeriums“, schreibt eine Sprecherin am Donnerstag auf Anfrage. Weitergehende Auskünfte zu „innerdienstlichen Vorgängen“ könne sie nicht machen. Wohl möchte sie aber darauf hinweisen, dass die Darstellung des Verteidigers bezüglich der Richtlinien für das Strafverfahren nicht zuträfen. „Ein solches ,Zustimmungserfordernis‘ enthalten die genannten Vorschriften nicht. Sie regeln vielmehr lediglich, dass die Staatsanwaltschaft in bestimmten Fällen (etwa bei bestimmten Ermächtigungs- oder Antragsdelikten) vor einer Einstellung derjenigen Stelle, die die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt hat, Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Eine Verfahrenseinstellung ist jedoch nicht von einer Zustimmung dieser Stelle abhängig.“ Ein Sprecher des Justizministeriums teilt auf Anfrage lediglich mit: „Hier wird ein entsprechender Ermächtigungsvorgang geführt. Diesem sind Erkenntnisse zu einer etwaigen beabsichtigten Verfahrenseinstellung oder einer etwaigen Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft Dortmund nicht zu entnehmen.“
Wehns Kritik bezieht sich aber nicht nur auf das Verfahren, sondern auch auf die Anklage selbst. Die Anklageschrift sei „inhaltlich falsch. Herr Kleine-Frauns hat sich nicht strafbar gemacht.“ Er habe kein Dienstgeheimnis unbefugt offenbart, keine öffentlichen Interessen fahrlässig gefährdet. „Wir sind zuversichtlich und vertrauen darauf, dass das Amtsgericht in Lünen den Sachverhalt juristisch richtig bewertet. Anders als die Staatsanwaltschaft unterliegen die Richterinnen und Richter des Amtsgerichtes Lünen keinen politischen oder sonstigen Weisungen. Sie sind unabhängig.“