Mehr Hilfe bei sexualisierter Gewalt Kinderschutzbund auch in Lünen und Werne präsent

Kinderschutzbund mit Beratung auch in Lünen und Werne präsent
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In jeder Schulklasse leiden ein bis zwei Kinder unter sexualisierter Gewalt. Missbrauchsfälle in Münster, Lügde und Mönchengladbach, aber auch jüngst in Lünen, haben die Öffentlichkeit schockiert. Das Land NRW hat 180 neue Stellen für spezialisierte Beratung von Missbrauchsopfern geschaffen. Von drei Stellen profitiert der Kinderschutzbund Kreisverband Unna. So kann neben der seit mehreren Jahren bestehenden Beratung in Selm nun auch professionelle Hilfe in Lünen und Werne vor Ort angeboten werden.

Jeweils montags ist Beraterin Inaas Kouka-Halibi von 9 bis 17 Uhr in der Stadtinsel an der Friedrichstraße 65a in Lünen. In Werne bietet sie donnerstags von 9 bis 14 Uhr in den Räumen Am Neutor 5 Hilfe an. In Selm besteht das Angebot schon länger, und zwar an jedem Mittwoch von 9 bis 17 Uhr im Beratungshaus am Nienkamp 28.

Eine Terminvereinbarung unter Tel. (02303) 159 01 möglich. „Individuelle Beratungstermine können nach Vereinbarung auch außerhalb dieser Zeiten und aufsuchend stattfinden“, sagt Inaas Kouka-Halibi.

Inaas Kouka-Halibi
Inaas Kouka-Halibi ist spezialisierte Beraterin bei sexualisierter Gewalt beim Kinderschutzbund Kreisverband Unna. Sie ist in Lünen, Selm und Werne vor Ort. © Kinderschutzbund

Steigende Zahlen

Wie wichtig die Arbeit der Beratungsstelle für Kinderschutz im Kreis Unna ist, zeigen die Zahlen. Im vergangenen Jahr sind kreisweit 407 Mädchen und Jungen betreut worden. Das sind 100 Kinder mehr als 2022. Hilfe war nötig bei Mobbing, Vernachlässigung, körperlicher und sexualisierter Gewalt, wobei letztere mit 210 Fällen den größten Anteil hat. Im Bereich sexueller Misshandlung sind mehr als doppelt so viel Mädchen (146) wie Jungen (64) betreut worden. Hier zeigt sich laut Jahresbericht 2023 „deutlich eine Häufung der Fallzahlen in den letzten Kindergartenjahren (4-5J.) und mit Beginn der Pubertät (10-11J.).“

Verteilt auf die Städte hat der Kinderschutzbund 2023 in Selm 52 Kinder beraten, in Lünen 20 und in Werne 15. Die hohe Zahl in Selm erklärt sich durch die bereits längere Präsenz vor Ort, in Lünen und Werne wurde das Angebot im Oktober 2023 eingerichtet.

Seit 38 Jahren arbeitet der Kinderschutzbund im Kreis Unna. Die Statistik zeige nur die Spitze des Eisbergs, heißt es in dem Jahresbericht: „Wir verfügen leider immer noch nicht über verlässliche Zahlen, wie viele Kinder im Kreis Unna tatsächlich von Gewalt, Misshandlung und Vernachlässigung betroffen sind.“

Komplexe Probleme

Als großes Anliegen sieht Kinderschutzbund die zunehmend hohen Anmeldezahlen bei vernachlässigten Kindern (32) sowie das Erleben körperlicher Gewalt (93). Aber auch psychische Gewalt, die bisher in der Statistik nicht enthalten ist, oder die Sorge um ein Kind ohne klaren Anmeldegrund hätten sich im Jahr 2023 gehäuft (68 Kinder).

Die vom Kinderschutzbund betreuten Mädchen und Jungen kämen häufig aus Familien mit „multidimensionalen und komplexen Problemlagen, die nicht selten von Generation zu Generation ‚weitervererbt‘ werden“, heißt es in dem Bericht.

Risikofaktoren seien mangelnde bis nicht vorhandene Bindungsfähigkeit vieler Eltern aufgrund nicht bearbeiteter Traumatisierungen in ihrer eigenen Kindheit, aber auch psychische Erkrankungen. Beengte Wohnverhältnisse, ein anregungsarmes Umfeld, fehlende Bildung und Erwerbslosigkeit, ein Hauptfaktor für Kinderarmut in Familien, zählten ebenfalls dazu. Der hohe Anteil Alleinerziehender, die oft von Armut betroffen oder bedroht sind, stelle ebenfalls ein Entwicklungsrisiko für Kinder dar.