Nach Zwangsräumung wohnungslos Jörg R. (60) aus Lünen kann wieder gut schlafen

Nach Zwangsräumung wohnungslos: Jörg R. (60) kann wieder gut schlafen
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Das Zusammenspiel mehrerer Menschen ist für Jörg R. aus Lünen eine besonders große Hilfe und sorgt für Erleichterung in seinem Alltag: Das Pflegebett, in dem der 60-Jährige seit Kurzem schläft, wurde ihm über Umwege letztlich von Lydia Müller, Inhaberin des gleichnamigen Pflegedienstes, gespendet. Da Jörg R. aufgrund seiner Vergangenheit mit psychischen und neurologischen Krankheiten zu kämpfen hat, ist er in seinem Alltag auf einen Rollator angewiesen. So hilft ihm ein Pflegebett beispielsweise beim Aufstehen morgens. Doch ganz so einfach war es nicht, an sein jetziges Pflegebett zu kommen. Seine Krankenkasse würde ein Pflegebett nicht übernehmen und als aktuell wohnungslose Person könnte er sich auch nicht ein eigenes leisten. Erst durch die Mitwirkung von mehreren Personen wurde ihm das Pflegebett ermöglicht.

Der Stichtag im Februar

Seit etwa Mitte Juli kommt Jörg R. in einer kleinen Wohnung des Ambulant Betreuten Wohnens der Wohnungslosenhilfe der Diakonie in Lünen für erstmal sechs Monate unter. Die Größe der Wohnung ist sehr überschaubar: Zwei Zimmer. Ein etwas kleineres für die Küche, ein etwas größeres zum Wohnen und Schlafen. Seit Kurzem steht hier auch sein Pflegebett, das ihm allen voran morgens beim Aufstehen eine große Hilfe bietet.

Zuvor, zwischen Ende Februar und Mitte Juli, kam Jörg R. über seine juristische Betreuerin als Gast zur Übernachtungsstelle des Vereins „Dach über dem Kopf”, nachdem seine vorherige Wohnung zwangsgeräumt wurde. Es sei ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren gewesen. Unter anderem brauchte Jörg R. medizinische Versorgung, allerdings wurde er bei allen Hausarztpraxen abgelehnt. „Keine neue Patientenaufnahme“ sei dabei die Begründung gewesen. Dadurch ist er auch nicht mehr wirklich aus der Wohnung gekommen, auch nicht mehr, um wichtige Folge-Anträge zu beantragen. Er kann sich sogar noch an den genauen Tag erinnern, an dem er seine Wohnung verlassen musste: der 26. Februar 2024. Zu diesem Zeitpunkt sei er obdachlos geworden.

Vier Menschen sitzen auf einem Pflegebett.
Von links nach rechts: Tim Renker, Lydia Müller, Jörg R. und Ulrich Klink freuen sich gemeinsam über die geglückte Überraschung, das Pflegebett. © Laura Sobczyk

Ulrich Klink, langjähriger Vorsitzender des Vereins „Dach über dem Kopf”, erklärt: „Es ist wichtig, den Unterschied zwischen obdachlos und wohnungslos zu beachten. Wohnungslose sind zum Beispiel Couch Surfer. Die haben keine Wohnung, aber kommen irgendwo unter. Sei es beispielsweise bei Familie oder Freunden. Obdachlose haben nicht einmal das.” Jörg R. stimmt dem zu: „Dieser Unterschied ist wirklich sehr wichtig, und ich bin dankbar, dass das jetzt nochmal angesprochen wurde.”

Als Obdachloser meldete sich Jörg R. bei der Diakonie. Dort bekam er eine postalische Anschrift, um auch weiterhin unter anderem für Behörden erreichbar zu sein. Die Kleidung, die Jörg R. trägt, ist auch eine Spende der Diakonie gewesen. Auch wird er seit einiger Zeit von Tim Renker, Sozialarbeiter bei der Beratungsstelle der Diakonie für Wohnungslosenhilfe in Lünen, in verschiedenen thematischen Anliegen wie Wohnen, Arbeit, soziale Kontakte, Gesundheit oder dem Kontakt zu Behörden betreut.

Pflegebett als Hilfe für Jörg R.

In der Männer-Übernachtungsstelle in Lünen sind die Männer überwiegend in Einzelzimmern untergebracht. Den Schlüssel müssen sie allerdings immer morgens beim Verlassen des Gebäudes wieder beim Hausmeister abgeben. Hier bekam Jörg R. vorübergehend einen Schlafplatz. Ulrich Klink sagt: „Das Pflegebett, das aktuell in einem der Zimmer steht, hat davor mal einem unserer Hausmeister der Übernachtungsstelle gehört. Da der aktuelle Hausmeister das nicht braucht, wurde das Bett in eines der Zimmer verlagert.” In den vier Monaten in der Übernachtungsstelle hatte Jörg R. das Zimmer mit dem Pflegebett bekommen.

Da die Übernachtungsstelle nur zwischen 18 und 8 Uhr als Schlafmöglichkeit genutzt werden darf, gibt es am Pfarrer-Bremer-Platz den Tagesaufenthalt der Diakonie. „Dort bieten wir zum Beispiel belegte Brötchen oder Kaffee an und verteilen diese dann auch an alle Bedürftigen. Wir sind da sehr auf Spenden angewiesen”, erklärt Tim Renker, Sozialarbeiter bei der Beratungsstelle der Diakonie für Wohnungslosenhilfe in Lünen. Demnach hatte Jörg R. lediglich ein normales Bett in der Wohnung stehen: „Ich kann schon auf einem normalen Bett schlafen. Das ist nicht das Problem. Aber ein Pflegebett ist höher, stabiler, individuell anpassbar und ich kann mich entweder am Galgen hochziehen oder am Bett abstützen, um aufzustehen”, erklärt Jörg R.

In der Übernachtungsstelle kam Jörg R. rund vier Monate unter.
In der Übernachtungsstelle kam Jörg R. rund vier Monate unter. © Tawadrous (Archiv)

Lydia Müller spendet Pflegebett

Als Jörg R. Ulrich Klink nach dem Pflegebett aus der Übernachtungsstelle fragte, zögerte Klink nicht lang und versuchte alles zu klären. Leider ohne Erfolg: da die Übernachtungsstelle das Pflegebett in der Zukunft selbst für andere Gäste gebrauchen könnte, konnte Jörg R. es nicht bekommen. Aber das hielt Klink nicht davon ab, den Wunsch von Jörg R. zu erfüllen: „Ich recherchierte viel. Das Sanitätshaus in Lünen wollte leider 160 Euro monatliche Miete für ein Pflegebett. Das in Dortmund sogar 250 Euro.” Der Grund für die hohe Miete sei wohl damit begründet, dass Pflegebetten grundsätzlich nicht lange angemietet werden würden. „Ich hatte dann noch nach einem Angebot gefragt, auch weil wir das für einen gemeinnützigen Zweck machen und länger bräuchten. Aber da warte ich bis heute noch auf eine Antwort. Im Endeffekt habe ich dann Lydia Müller vom Pflegedienst Müller kontaktiert”, erzählt Klink.

Auch Lydia Müller reagierte schnell. Über Kleinanzeigen kaufte Lydia Müller ein gebrauchtes, gutes Pflegebett in Bochum. Mit dem Transport kostete das Pflegebett insgesamt 500 Euro. Weitaus weniger also als eine monatliche zu bezahlende Miete. Noch am selben Tag lieferte Lydia Müller mithilfe von Willi Arsemann, Kleinunternehmer in Lünen, Jörg R. das Bett: „Er hat sich sehr gefreut und war zu Tränen gerührt, als wir ihm das gebracht haben”, sagt Lydia Müller. Auch heute noch ist Jörg R. sichtlich berührt von der Überraschung und atmet tief aus: „Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet. Ich freue mich riesig darüber. Vor allem, wenn ich dann mal in eine eigene angemietete Wohnung gehe, kann ich das Pflegebett einfach mitnehmen”, sagt Jörg R. Gemeinsam mit dem Sozialarbeiter der Diakonie, Tim Renker, baute er das Bett auf. Lediglich das benötigte Kabel, damit die Technik des Bettes funktioniert, fehlt. Das wird aber noch besorgt.

„Gesundheit steht ganz vorne”

Im Ambulant Betreuten Wohnen kann Jörg R. erstmal sechs Monate bleiben. Nach Ablauf dieser Zeit könne er eventuell sogar noch um weitere sechs Monate verlängern. Inzwischen habe er sogar schon einen Hausarzt gefunden, der ihm medizinisch weiterhelfen kann. Für seine Zukunft steht für Jörg R. die Gesundheit an erster Stelle: „Im Vordergrund steht vor allem, dass ich medizinisch betreut und versorgt werde. Ich würde mir noch wünschen, in die Reha zu kommen.”

Für das Wohnen im Ambulant Betreuen Wohnen wünscht sich der 60-Jährige hauptsächlich noch ein Stuhl mit Rollen und ein Fahrrad-Ergometer. „Die aktuellen Stühle sind mit festen Beinen und aus Holz. Da ist es für mich schwierig beim Aufstehen den Stuhl nach hinten zu schieben. Weil ich nicht mehr viel oder weit gehen kann, aber trotzdem Bewegung brauche, würde ich mir ein Fahrrad-Ergometer wünschen”, erklärt Jörg R. Ansonsten werden demnächst noch die Wände und die Decke gestrichen. So kann er sich für die nächsten Monate noch wohler fühlen.

Wer gerne Spenden bei der Diakonie abgeben möchte, soll sich vorher telefonisch unter der Nummer 02306 203500 anmelden.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 22. August 2024.