Kinofest Lünen: Joe Bausch fasziniert Publikum „Die wenigsten Psychopathen sitzen im Gefängnis“

Joe Bausch beim Kinofest: „Die wenigsten Psychopathen sitzen im Gefängnis“
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Der Mann mit Glatze und unverwechselbaren Gesichtszügen strotzte vor Energie. Und er war nahbar, interessierte sich für die Menschen, die ihm zuhören wollten. Schon vor seinem Auftritt im Cinestar signierte er seine Bücher und unterhielt sich mit Besuchern. Kurz darauf betrat er die Bühne in einem voll besetzten Kinosaal 5 - empfangen von True-Crime-Moderator Dr. Tino Grosche und erwartungsvollem Beifall eines gespannten Publikums.

Der 70-Jährige sprach über sein Leben, die Anfänge als Schauspieler und den Entschluss, Medizin zu studieren. Er, der an sich Urologe werden und nur für eine begrenzte Zeit als Mediziner im Vollzug tätig sein wollte, begegnete im Justizvollzugskrankenhaus in Fröndenberg RAF-Frauen der Zweiten Generation und betagten Nazi-Verbrechern. Bereits damals, so erinnerte er sich, lernte er: „Du siehst es ihnen nicht an.

„Auf der Todesliste ganz oben“

Letztlich war Joe Bausch über Jahrzehnte Gefängnisarzt in der JVA Werl. Seine Patienten akzeptierten ihn nach einiger Zeit, verpassten ihm Spitznamen wie „Doc Holliday“ oder „Kojak“. Da habe er gewusst, dass er angekommen sei. Die Häftlinge redeten mit ihm, ließen ihn hinter Fassaden blicken. Dass er „nebenbei“ den Rechtsmediziner im Tatort darstellte, Bücher schrieb und in Crime-Formaten auftauchte, gehörte irgendwann dazu.

Natürlich war er sich die ganze Zeit über bewusst, mit wem er es zu tun hatte, dass das Ganze auch einmal kippen könnte - so wie bei einer Geiselnahme in den 90er-Jahren. Mit der ihm offenbar charakteristischen Gelassenheit berichtete er von Drohungen wie „Bei mir stehst Du auf der Todesliste ganz oben“ oder von dem Tag, als ein Bestatter vor seiner Tür stand und den Leichnam eines gewissen Bausch abholen wollte. Andererseits sorgten die Wortführer in der JVA Werl auch einmal mit einem offensichtlich eher „rustikalen“ Gespräch mit einem Mithäftling dafür, dass der sich beim Doc entschuldigte.

Bücher von Joe Bausch
Joe Bausch hat seine Bücher beim Lüner Kinofest signiert und eine Lesung gegeben. © Kinofest Lünen

Joe Bausch las kaum aus seinen Büchern, sprach vielmehr frei und war dabei permanent in Bewegung. Lesen, so erklärte er seinem Publikum, könnten sie schließlich alle selbst. Er berichtete von einem Häftling, der Mitgefangene tyrannisierte und den Bogen irgendwann so überspannte, dass ihm eine fast tödliche Abreibung verpasst wurde. Auch schilderte er den Fall einer Mörderin „mit Rehaugen“, die zwei ihrer Männer ermordete und deren Überreste mehr oder weniger erfolgreich einbetonierte.

Er sprach über das Böse, darüber, wie ein Mensch böse wird, über den Zeitpunkt, wann sich das Blatt wendet und Menschen zu Tätern werden. Denn dazu führte er viele Gespräche. „Die wenigsten Psychopathen sitzen im Gefängnis“, ergänzt Joe Bausch. Auch thematisierte er den „Blues“, der sie irgendwann alle treffe, der unter der Zellentür hindurch den Häftlingen in die Jacke krieche. Und, mit einem Augenzwinkern gab er Tipps - Überleben in der JVA, die Beseitigung einer Leiche oder die beste Reaktion von Männern auf eine wütende Frau. Denn Frauen, davon war er überzeugt, könnten es besser. „Frauen morden ungefähr so, wie sie einen Kindergeburtstag organisieren.“

„Ich will Sie zum Lachen bringen“, betonte Bausch schließlich und stellte fest, dass ihm das gelungen sei. Kurz darauf verabschiedete er sich mit trockenen Worten: „Und jetzt ist auch mal gut. Ich hab keinen Bock mehr.“

Als Rechtsmediziner Joseph Roth (M.) ermittelt Joe Bausch im Tatort Köln an der Seite der  Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär, l) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, 3.v.l.).
Als Rechtsmediziner Joseph Roth (M.) ermittelt Joe Bausch im Tatort Köln an der Seite der Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär, l) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, 3.v.l.). © picture alliance / Thomas Kost/WDR/ARD/dpa

Für den 70-Jährigen war der Abend in Lünen in jeder Hinsicht etwas Besonderes. Ganz zu schweigen von einem begeisterten Publikum und der Tatsache, dass es sich um die Abschlussveranstaltung einer langen Tour handelte, haben die Stadt an der Lippe und Joe Bausch eine gemeinsame Vergangenheit. Hier stand er in den 80er-Jahren auf der Bühne des Hilpert-Theaters - skurrile Momente inklusive.

„Natürlich geil, wenn Du nach Lünen zurückkommst und Du hast volles Haus. Mir hat es wahnsinnige Freude gemacht. Lünen - es ist einfach etwas Besonderes“, erklärt er auf Nachfrage.

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