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Jahresrückblick für Lünen, Teil 2: Keine Kirmes, kein Kinofest, aber Kommunalwahl
Zweites Halbjahr 2020
Im zweiten Teil unseres Jahresrückblicks schauen wir auf die Monate Juli bis Dezember in Lünen. Corona ist natürlich Thema, doch es gab auch wichtige Weichenstellungen für die Lippestadt.
Mit den Sommerferien kam die Hoffnung, dass Corona sich so langsam erledigt hätte. Genau so, wie Ferien vorbeigingen, war es dann auch mit der Hoffnung: Die zweite Welle schlug im Herbst auch in Lünen heftig ein. Was sonst noch los war, lesen Sie hier:
Juli: Kirmes-Alternative und Mercedes-Abriss
Weil sowohl Himmelfahrtskirmes als auch Lünsche Mess abgesagt werden, und auch sämtliche anderen Volksfeste der Region der Pandemie zum Opfer fallen, einigen sich Schausteller und Stadt Lünen darauf, dass ab Juli über die Innenstadt verteilt Fahrgeschäfte und Buden öffnen dürfen - und so die Betreiber zumindest etwas Geld in die Kassen bekommen. Das Angebot wird in Lünen gut angenommen, die Schausteller freuen sich darüber, dass offenbar Leute gezielt in die Innenstadt kommen, um die Buden zu unterstützen.
Am Ende der Innenstadt endet derweil eine Ära: Der Bauverein startet Ende Juli mit dem Abriss des ehemaligen Mercedes-Gebäudes an der Ecke Kurt-Schumacher-Straße/Viktoriastraße. Dort sollen mittelfristig Wohn- und Geschäftshäuser entstehen. Die Entwürfe des Bauvereins waren auf unterschiedliche Reaktionen gestoßen, immer wieder gab es Kritik an den Plänen. Die Bauzeit für das neue Quartier soll drei Jahre betragen.
Im Juli startete der Abriss des ehemaligen Mercedes-Gebäudes. Hier sollen Wohnungen entstehen.
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Und was war sonst noch los?
- Ein 47-jähriger Lüner wird wegen des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie angeklagt. Der Mann war Teil einer Bande, die strafbare Inhalte über einen Messengerdienst tauschte.
August: Auto in der Lippe, Kinofest im Eimer
Während sich die Schausteller eigentlich über die positive Resonanz auf ihre Buden in der City freuen, fällt einem am 3. August die Kinnlade runter: Unbekannte haben ein Auto aus einem Karussell gerissen und von der Lippe-Brücke an der Langen Straße in den Fluss geworfen. Weil das Karussell nicht versichert ist, wird die Situation für den Betroffenen noch ernster. Nach unserer Berichterstattung zeigen sich die Lüner jedoch wieder von ihrer besten Seite - eine Frau bringt sogar eine Spende direkt zum Karussellbetreiber.
Das Kinofest 2020 in Lünen wird - wenig überraschend - abgesagt. Der Verein Pro Lünen begründet die Absage mit der Corona-Pandemie und dem Charakter des Festes, das von Treffen und Austausch lebe - weshalb eine Online-Variante für den Verein nicht in Frage komme. Kinofest-Leiter Mike Wiedemann sieht das anders und treibt die Planungen für ein eigenes Festival voran.

Im Kinderkarussell am Alten Markt klafft eine Lücke: Vandalen haben ein Auto herausgerissen und in die Lippe geworfen. © Claeßen (A)
Und was war sonst noch los?
- Weil er auf Facebook einen Hass-Kommentar unter einen Beitrag unserer Redaktion über ein Flüchtlingsheim in Lünen gesetzt hatte, muss ein Mann aus Schwabach bei Nürnberg in den Knast. Seine Revision gegen das Urteil wird am 12. August verworfen.
September: Kleine-Frauns bleibt, die AfD kommt
Corona spielte möglicherweise eine Rolle, allerdings war die Wahlbeteiligung schon 2014 mit 44,4 Prozent schwach. Die Kommunalwahl 2020 war mit 39,8 Prozent Wahlbeteiligung ein neuer Tiefpunkt. Sieger des Wahlabends vom 13. September waren die Grünen, die ihr Ergebnis fast verdoppeln konnten, auf der Verliererseite standen SPD mit starken und CDU mit leichten Verlusten. Erstmals ist auch die rechtsextreme AfD im Lüner Rat vertreten.
Bei der Bürgermeisterwahl lag SPD-Herausforderer Rainer Schmeltzer noch vor Amtsinhaber Jürgen Kleine-Frauns. Zwei Wochen später jedoch sollte Kleine-Frauns mit knapp einem Prozent Vorsprung den Chefsessel im Rathaus erfolgreich verteidigen. Das Ergebnis war eine weitere Schlappe für SPD und CDU, die im Vorfeld eine Große Koalition ausgelotet hatten.

Er bleibt Bürgermeister: Ehefrau Karen gratuliert Jürgen Kleine-Frauns nach der Stichwahl. © Fröhling (A)
Und was war sonst noch los?
- Weil das Entenrennen in seiner bewährten Form nicht stattfinden kann, schwimmen 15 Großenten über die Lippe. Zu sehen ist das Spektakel im Internet.
- Eine Jury hat entschieden: Die Europa-Schlaufe soll künftig als Kunstwerk den Europaplatz neben dem Rathaus zieren.
- Kinofest-Betreiber Mike Wiedemann kündigt noch für 2020 ein neues Festival an: Das „Kino Film Fest Lünen“.
Oktober: Es knallt beim Kraftwerk und beim Kinofest
Eigentlich soll das ehemalige Steag-Kraftwerk erst im Frühjahr 2021 gesprengt werden. Doch es knallt bereits am 2. Oktober, als die Hagedorn-Gruppe einen Teil der Rauchgasentschwefelungsanlage mit Hilfe von Dynamit zu Fall bringt. Aufgrund ihrer geringen Größe und zur Vermeidung von Menschenaufläufen wurde die Sprengung vorher nicht angekündigt, sodass der Knall für Verwirrung in Lünen sorgt. Auch im November gibt es eine kleinere Sprengung, der ganz große Knall wird jedoch laut Hagedorn tatsächlich erst im Frühjahr 2021 kommen.
Dafür knallt es beim Kinofest: Der Verein Pro Lünen gibt bekannt, sich aus der Organisation zurückzuziehen - womit auch die finanzielle Unterstützung des Festes wegfällt. Kinofest-Leiter Mike Wiedemann hatte zuvor angekündigt, ein eigenes Festival auf die Beine stellen zu wollen, was man bei Pro Lünen offenbar als Vertrauensbruch sieht. Allerdings ruft der Verein seine Mitglieder auf, das neue Fest zu unterstützen.

Nach der Rauchgasentschwefelungsanlage wurde im November ein weiterer Gebäudeteil des ehemaligen Steag-Kraftwerks gesprengt. © Hagedorn Unternehmensgruppe (A)
Und was war sonst noch los?
- GFL-Mitglied Andreas Mildner erklärt am 23. Oktober seinen Austritt aus der Fraktion und wird fortan als fraktionsloses Ratsmitglied geführt. Gründe für seinen Austritt nennt er nicht.
- Der Kreis Unna nimmt am 21. Oktober an der Viktoriastraße ein Corona-Testzentrum in Betrieb. Es ersetzt die Teststelle am Krankenhaus.
November: Ein grüner Vize-Bürgermeister, kein verkaufsoffener Sonntag
In der ersten Sitzung des neuen Stadtrates gibt es eine Überraschung: Die Opposition aus Grünen, GFL, FDP, Linken und Freien Wählern setzt mit Reiner Hohl erstmals einen grünen stellvertretenden Bürgermeister durch. SPD-Kandidat Daniel Wolski wird ebenfalls gewählt, der zweite Listenvorschlag von SPD und CDU, Thorsten Redeker, scheitert jedoch am d‘Hont-Verfahren.
Das Oberverwaltungsgericht Münster gibt einer Klage von Verdi statt, weshalb keine verkaufsoffenen Sonntage im Advent stattfinden können. Obwohl sich die Händler der Innenstadt mit einem Hygiene-Konzept vorbereitet hatten und auf eine zusätzliche Einnahmechance hoffen, bleibt ihnen keine andere Wahl - die Läden bleiben zu. Der City-Ring ist fassungslos. Reiner Hohl wird als erster grüner Ratsherr zum stellvertretenden Bürgermeister gewählt.
© Goldstein
Und was war sonst noch los?
- Ein 52-jähriger Lüner will seinen Audi wegen des Diesel-Skandals zurückgeben - und gewinnt vor Gericht. Audi verzichtet auf Berufung.
Dezember: Schlechte Sperrung und schlechte Idee
Die Anlieger der Elsa-Brändström-Straße kriegen am 4. Dezember, einem Freitag, Post: Ab Montag ist ihre Straße wegen Bauarbeiten an den Versorgungsleitungen gesperrt. Da auch die Zufahrt von der anderen Seite nicht möglich ist, sind die Firmen von ihren Kunden abgeschnitten. Der Bauherr Gelsenwasser räumt ein, dass da etwas schief gelaufen sein muss - und korrigiert Sperrung sowie den Zeitplan.
Weit weniger Glück hatte ein junger Mann, der seiner Angebeteten spontan einen Heiratsantrag am Cappenberger See machen wollte. Mit seiner Familie schmückte er den Steg auf dem Gelände des ASV Gute Hoffnung - was von einem Spaziergänger als Corona-Party interpretiert wurde. Das herbeigerufene Ordnungsamt sah die Sache ähnlich, statt eines Antrags gab es eine Anzeige.

Ziemlich verärgert waren Anlieger der Elsa-Brändström-Straße über die plötzliche Sperrung. © Günther Goldstein
Und was war sonst noch los?
- Der beliebte Escape-Room „LippEscape“ muss für immer schließen: Das Unternehmen war durch die Corona-Krise in die Insolvenz gerutscht.
Journalist, Vater, Ehemann. Möglicherweise sogar in dieser Reihenfolge. Eigentlich Chefreporter für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen. Trotzdem behält er auch gerne das Geschehen hinter den jeweiligen Ortsausgangsschildern im Blick - falls der Wahnsinn doch mal um sich greifen sollte.
