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Interims-Wirtschaftsförderer bestellt - Lüner Bürgermeister skeptisch
Wirtschaft in Lünen
Die Gremien der Lüner Wirtschaftsförderung haben einen Interims-Geschäftsführer bestellt. Derweil plant Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns die Einrichtung einer Stabsstelle Wirtschaft.
Rund drei Wochen nach dem Wechsel von Lünens langjährigem Wirtschaftsförderer Eric Swehla auf den Chefposten der Wuppertaler Wirtschaftsförderung haben sich Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung der Wirtschaftsförderungszentrum Lünen GmbH (WZL) erstmal auf einen Interims-Geschäftsführer geeinigt.
Wie unsere Redaktion aus gut informierten Kreisen erfuhr, wird Dr. Michael Dannebom, seit Anfang des Jahres und nur noch bis zum Sommer zweiter Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Kreis Unna (WFG), die WZL-Geschäfte bis auf Weiteres führen.
Martin Püschel, WZL-Aufsichtsratschef und langjähriger SPD-Ratsherr, machte trotz mehrfacher Nachfrage keine Angaben zu der Bestellung Danneboms.
Vielmehr teilte Püschel der Redaktion noch am Dienstag (22. Februar) schriftlich mit, dass er sich melden werde, „wenn es etwas zu verkünden gibt“. Dabei wird Dannebom, für jedermann einsehbar, seit Donnerstag (24. Februar) auf der WZL-Hompage als Geschäftsführer ausgewiesen - und Püschel hat sich bis Redaktionsschluss nicht gemeldet.
Weniger schweigsam gab sich Donnerstag Bürgermeister und WZL-Aufsichtsratsmitglied Jürgen Kleine-Frauns im Gespräch mit unserer Redaktion. Stichworte sind:
- Dannebom und ein möglicher Interessenkonflikt (WFG/WZL)
- Die Zukunft der WZL
- Die Einrichtung einer Stabstelle für Wirtschaft und Marketing
- Wenn nötig, der Aufbau einer lokalen Wirtschaftsförderung im Dezernat des Bürgermeisters
- Klare Worte an Aufsichtsratschef Martin Püschel

Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns im Interview © Goldstein
Hier das Wortlaut-Interview mit Bürgermeister und Verwaltungschef Jürgen Kleine-Frauns:
Herr Bürgermeister, was sagen Sie dazu, dass Dr. Michael Dannebom zum kommissarischen WZL-Geschäftsführer bestellt wurde?
Ich habe die klare Erwartungshaltung, dass er Lüner Interessen vertritt. Auch gegenüber der Belegschaft sollte er diesbezüglich keine Zweifel aufkommen lassen.
Besteht hier kein Interessenkonflikt, schließlich würde Landrat Mario Löhr die WZL der WFG am liebsten unterordnen?
Ich hätte eine klare Trennung bevorzugt. Das ist kein Geheimnis. Wichtig ist mir, dass das nichts mit der Person von Dr. Dannebom zu tun hat. Bisher hat Dr. Dannebom in dem Aufsichtsrat der WZL GmbH nach dem Gesellschaftsrecht die Interessen der WFG des Kreises wahrgenommen. Als WZL-Geschäftsführer muss er sich dafür einsetzen, dass Lünen weiterhin eine eigenständige Wirtschaftsförderung hat und nicht mit der WFG des Kreises fusioniert. Bei der WZL GmbH darf es jedenfalls nicht um die Interessen der WFG des Kreises gehen. Hier geht es um unsere Stadt. Dafür müssen alle Akteure aus Verwaltung, Politik und städtischen Töchtern zusammenarbeiten. Ich werde das tun.
Im Video-Interview mit unserer Redaktion haben Sie erklärt, dass Sie jetzt - nach dem Weggang von WZL-Chef Eric Swehla - die Industrieansiedlungen auf der Steag-Fläche und dem Caterpillar-Gelände, „zur Chefsache“ machen wollen. Was steckt hinter dieser klaren Ansage?
Mit der angelaufenen Revitalisierung der Brach- und Industrieflächen sind wir in einer Phase, in der die von Eric Swehla akquirierten Ansiedlungsinteressenten eine verlässliche Perspektive und kontinuierliche Begleitung benötigen. Mit der Entwicklung der Steag-Flächen, der Caterpillar-Fläche und dem 5-Standorte-Programm können wir weit mehr als 1000 Arbeitsplätze in Lünen entstehen lassen. Wir haben die einmalige Chance, den Strukturwandel endlich zu schaffen. Nachdem wir Eric Swehla verloren haben, mache ich die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt jetzt zur Chefsache. Das hat auch die Politik übrigens gefordert – zuletzt CDU-Fraktionschef Christoph Tölle in seiner Haushaltsrede vom 16. Dezember 2021. In den vergangenen fünf Jahren haben mein Team und ich gemeinsam mit Eric Swehla nicht nur im Wirtschaftsministerium Gespräche geführt, sondern auch viele Unternehmen kennengelernt und zahlreiche Investoren gesprochen, die sich für unseren Wirtschaftsstandort interessieren. Die Erfahrungen und das gewonnene Know-how sind eine gute Basis, um in der jetzigen Situation aus dem Rathaus heraus das Ruder übernehmen und direkt anpacken zu können.
Das bedeutet?
Die Betreuung der Großprojekte zur Bewältigung des Strukturwandels war bisher in unserer Verwaltungsstruktur im Rathaus nicht abgebildet. Die Revitalisierung der Brach- und Industrieflächen (Steag und Caterpillar, aber auch die für die IGA 2027 nicht benötigte vier Hektar große „Experimentierfläche“ im östlichen Bereich der Viktoriabrache) müssen für die Entwicklung unserer Stadt oberste Priorität haben. Damit können wir die Grundlagen für Steigerung der Wirtschaftskraft und der Verbesserung der Lebensqualität in Lünen schaffen. Aus diesem Grunde werde ich im Rathaus eine Stabsstelle für Wirtschaft und Marketing bilden, die direkt bei mir als Bürgermeister angesiedelt wird. Ich gehe davon aus, dass wir in dieser Organisationseinheit die zusammenhängenden Aufgaben aus beiden Bereichen bündeln können. Dabei können wir uns auch mit der noch anstehenden Neuorganisation des Stadtmarketings befassen. Hinzu kommen Aufgaben des operativen Zentren-Managements sowie des Smart-City-Koordinators, der zum 1. März seinen Dienst antritt. Insgesamt möchte ich meine Handlungsmöglichkeiten als Bürgermeister unabhängig von der Entwicklung bei der WZL GmbH intensiver nutzen.
Wie sehen Sie, Herr Bürgermeister, überhaupt die Zukunft der WZL?
Die bisherige erfolgreiche Arbeit unserer WZL GmbH zeigt, dass wir vor Ort eine starke Wirtschaftsförderung brauchen. Daran ändert sich auch nichts, wenn die WFG des Kreises die Steag-Nord-Fläche kauft und sie erstmals in Lünen eine Gewerbefläche entwickelt. Das größte Hindernis für die Fortsetzung der erfolgreichen Arbeit unserer WZL GmbH sehe ich darin, dass die Ratsmehrheit Ende 2020 nicht meiner Empfehlung gefolgt ist, sondern den Betrauungsakt der WZL GmbH bis zum 31.12.2023 befristet hat. Die Zukunft der WZL GmbH hängt aus meiner Sicht davon ab, dass der Rat das möglichst schnell korrigiert. Sonst müsste der künftige Geschäftsführer der WZL GmbH bei Dienstantritt sofort mit der Abwicklung beginnen.
Ist es denkbar, dass Sie die WZL ihrem Organisationsbereich zuordnen, so wie die Feuerwehr ins Dezernat der Ersten Beigeordneten und Kämmerin Bettina Brennenstuhl fällt?
Wenn die Mehrheit des Rates tatsächlich die WZL GmbH auslaufen lässt oder sie der WFG des Kreises unterordnen würde, wird die Stabsstelle, die ich jetzt einrichte, nicht reichen. Für die Übernahme der vollständigen Arbeitspakete der WZL GmbH würde ich tatsächlich in meinem Dezernat eine lokale Wirtschaftsförderung aufbauen. Nach dem Weggang von Eric Swehla sehe ich uns mit der WZL GmbH, ihrer Kooperation mit der WFG des Kreises und einer starken Stabsstelle gut gewappnet für die anstehenden wirklich großen Herausforderungen.
Was sagen Sie als Bürgermeister dazu, dass der Lüner Wirtschaftsförderer weg ist, der Aufsichtsratschef Martin Püschel aber immer noch auf dem Chefsessel des Gremiums sitzt?
Wie bereits erwähnt, ist das Ausscheiden von Eric Swehla ein herber Verlust für unsere Stadt. Vom Aufsichtsratsvorsitzenden hätte ich mir mehr Rückendeckung zugunsten von Eric Swehla gewünscht und ein klares Signal dazu, dass er sich für eine starke Wirtschaftsförderung bei uns vor Ort einsetzt. Ich glaube, dass das Bekenntnis für eine starke, eigenständige Lüner Wirtschaftsförderung wichtiger ist als die Frage, wer die Sitzungen des Aufsichtsrates leitet.
Jahrgang 1968, in Dortmund geboren, Diplom-Ökonom. Seit 1997 für Lensing Media unterwegs. Er mag es, den Dingen auf den Grund zu gehen.
