In Lünen gibt es zu wenig OGS-Plätze und -Personal „In die OGS gehört viel mehr Liebe rein“

In Lünen gibt es zu wenig OGS-Plätze und -Personal
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Wie viele Personen, die eine pädagogische Tätigkeit ausüben, berichtet auch Corinna Döring von den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kinder. „Durch die Corona-Pandemie hat sich das Sozialverhalten der Kinder sehr verändert“, erzählt sie, „teilweise sind die Kinder sehr schüchtern und teilweise haben sie eine geringe Frustrationstoleranz. Wir müssen auch den Ablauf der Regeln ganz neu einüben.“ Corinna Döring ist seit 2015 Leiterin des Offenen Ganztags (OGS), also der nach-schulischen Betreuung, an der Grundschule am Heikenberg.

Wer als Elternteil berufstätig ist, ist fast immer auf einen solchen Betreuungsplatz angewiesen. Denn nur selten lassen sich Unterrichtszeiten in der Grundschule von 8 bis 11.30 oder maximal bis 13.20 Uhr mit den Arbeitszeiten berufstätiger Mütter und Väter vereinbaren.

Dass die Kinder durch die Pandemie vieles nicht gelernt oder verlernt haben, ist die eine große Herausforderung, die die gelernte Erzieherin sieht. Daneben gibt es eine zweite, mit der sie zu kämpfen hat: „Der Bedarf an OGS-Plätzen ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Ganz viele Eltern sind inzwischen berufstätig. Dazu kommt der Umstand, dass es im OGS-Bereich gibt es keinen Personalschlüssel gibt.“ Immer mehr Kinder auf immer weniger Mitarbeiter also. Dabei habe sie persönlich noch Glück, die Erstklässler zu betreuen. Hier sind drei Mitarbeiter für 34 Kinder zuständig. So sei auch die Hausaufgabenbetreuung ganz gut zu leisten.

Insgesamt ist die OGS der Schule am Heikenberg aber am Limit. 132 Kinder werden nach dem Unterricht hier bis maximal 16 Uhr betreut. „Und davon sind einige schon Notplätze“, informiert Corinna Döring. 38 weitere Kinder stehen aktuell auf der Warteliste. „Davon sind viele kurzfristig während der Sommerferien hinzu gekommen“, sagt sie. „Kinder alleinerziehender Berufstätiger und die, bei denen beide Eltern berufstätig sind, haben eigentlich alle einen Platz bekommen.“

Kein Einzelproblem

Dass es mehr Bedarf als OGS-Plätze gibt ist mitnichten ein Einzelproblem der Schule am Heikenberg. Bezogen auf alle Lüner Grundschulen haben Eltern für 1.952 Kinder einen Betreuungsbedarf gemeldet. Auf der Warteliste stehen aktuell (Stand: 18.8.) 216 Kinder. Diese Zahl könne sich allerdings während des laufenden Schuljahres verändern, informiert Daniel Claeßen, Sprecher der Stadt Lünen. Sie ist Träger dreier OGSsen. Für die Schule am Heikenberg fungiert die Awo-Tocher „Bildung und Lernen“. Weitere OGS-Träger, die in Lünen tätig sind, sind die Caritas, der evangelische Kirchenkreis Dortmund oder das Deutsche Rote Kreuz.

In den städtischen OGSsen sei der Fachkräftemangel schon jetzt deutlich zu spüren, so Claeßen. „Wir haben insgesamt fünf Stellen unbesetzt und versuchen diese aktuell in einem zweiten Ausschreibungsverfahren zu besetzen. Die anderen OGS-Träger haben ähnliche Problemlagen. Die Teilzeitstellen sind wenig attraktiv, da die Kitas Vollzeitstellen anbieten können.“ Auch Corinna Döring hat in ihrer OGS noch eine Teilzeitstelle anzubieten.

„Einige der OGS-Träger haben uns signalisiert, dass die Betreuungsschlüssel nicht in Ordnung sind“, berichtet Stadt-Sprecher Claeßen. „Optimal wären in ihren Augen zwei pädagogische Fachkräfte für 25 bis maximal 30 Kinder.“ Auch OGS-Leiterin Corinna Döring kommt auf dieses Problem zu sprechen: „Ich bin Erzieherin mit Leib und Seele. Aber in die OGS gehört viel mehr Liebe rein. Dürfte ich mir etwas wünschen, dann dass hier bessere Strukturen rein kommen. Also zum Beispiel ein gesetzlich festgelegter Personalschlüssel, wie die Kitas ihn haben. Das gibt es für OGSse bisher nicht. Aber das müsste oben, auf Landesebene entschieden werden.“

16 neue OGS-Gruppen

Während es an Personal mangelt, werden unter Hochdruck an fast allen Lüner Schulen neue Plätze geschaffen. Seit 2016 wurden insgesamt 16 neue OGS-Gruppen über das gesamte Stadtgebiet verteilt, eingerichtet: Unter anderem insgesamt vier an der Matthias-Claudius-Schule, eine an der Victoriaschule, vier an der Schule am Lüserbach, eine an der Osterfeldschule, eine in der Schule auf dem Kelm.

Ähnlich wie im Kita-Bereich, für den in NRW übrigens für Kinder über drei Jahrenein Personalschlüssel von 1:25 gilt, soll es ab 2029 einen gesetzlichen Anspruch auf einen Platz geben. Auf die Frage, wie weit die Stadt Lünen schon auf dem Weg ist, jedem Grundschulkind einen solchen Platz anzubieten verweist Claeßen zum einen auf eine Auflistung der OGS-Plätze für das Schuljahr 2022/2023, erstellt im Oktober 2022. Diese Liste zeigt, dass an fast allen Lüner Schulen mehr Plätze besetzt sind, als es überhaupt gibt; es gibt eine Überbelegung von 54 Plätzen. Zudem zeigt sie auf, dass an gut der Hälfte der Grundschulen Maßnahmen geplant sind, weitere OGS-Räume zu schaffen. „Außerdem werden sowohl Klassenräume als auch OGS-Räume nach Rücksprache mit den Schulleitungen und OGS-Leitungen - Voraussetzung sind die räumlichen und personellen Möglichkeiten - multifunktional (vormittags Unterricht, ab mittags OGS-Betreuung) genutzt“, informiert Claeßen.

Lünen ist dabei bei weitem kein Einzelfall. In vielen Nachmittagsbetreuungen vieler Träger in vielen Städten stehen viele Kinder auf den Wartelisten.