Haushaltssperre in Lünen Die Liste der Entbehrungen: Von Klimaschutz bis Kinderspielplatz

Haushaltssperre: Die Liste der Entbehrungen von Klimaschutz bis Kultur
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Als Dr. André Jethon Ende August die finanzielle Notbremse gezogen hat, konnten Lünens Bürgerinnen und Bürger zunächst nur ahnen, dass so ein abrupter Halt schmerzhaft werden würde. Haushaltssperre in Lünen wegen „unvorhergesehener Mehrkosten für das Haushaltsjahr 2024“: Manche werden gehofft haben, dass es sich dabei eher um eine symbolische Geste handeln könnte, ein Hilferuf in Richtung Bund und Land, der ohne Wehgeschrei vor Ort auskäme. Inzwischen steht fest: So glimpflich kommt Lünen nicht davon. In der Haupt- und Finanzausschusssitzung am Donnerstag (26. 9., 17 Uhr, im Rathaus) wird Kämmerer Jethon eine Liste der Entbehrungen vorstellen.

„Im Rahmen dieser Sperre ist nun alles zu unternehmen, um einen möglichen Jahresfehlbetrag 2024 so gering wie möglich zu halten, und um das ohnehin geringe Eigenkapital der Stadt zu schützen“, hatte Jethon Ende August gesagt. Dieser Fehlbetrag in Millionenhöhe hatte sich vor allem ergeben, weil die Stadt Lünen laut eines neuen Gutachtens deutlich tiefer in die Tasche greifen muss zur Vorsorge ihrer Beamtinnen und Beamten. Zusätzliche Pensionsrückstellungen in der Höhe von 6,5 Millionen Euro waren in diesem Jahr nötig geworden: Geld, das nicht da ist. „Auch für die Folgejahre ergibt sich aufgrund des Gutachtens ein Mehraufwand in Höhe von rund sieben Millionen Euro.“ Was genau „alles zu unternehmen“ ist, angesichts dieser Situation, haben Jethon und sein Team in der Vorlage für die Sitzung am Donnerstag zusammengestellt.

Die Liste der vorerst auf Eis gelegten Vorhaben ist lang. Gleichwohl sind längst nicht alle Ausgaben und Investitionen betroffen. Investitionen des Stadtbetriebs Zentrale Gebäudebewirtschaftung Lünen (ZGL), der für die städtischen Immobilien zuständig ist, fallen ohnehin nicht unter die Sperre. Es gibt aber auch weitere Ausnahmen: Bereits begonnene Bauprojekte, Beschaffungen und Investitionen dürfen weitergeführt werden, sofern sie „über die Planungsphase hinaus“ fortgeschritten sind. Auch bereits veröffentlichte Ausschreibungen und laufende Einstellungsverfahren dürfen abgeschlossen, neue aber nicht gestartet werden. Maßnahmen, die „überwiegend durch Gebühren oder Fördermittel refinanziert werden“ und solche, die „zu einer höheren Ertrags- oder Einzahlungserwartung im Haushaltsjahr 2024 oder späteren Haushaltsjahren führen“ - also die mehr einbringen als sie kosten - sind ebenfalls weiter erlaubt. Inhaltlich gibt es dagegen keine Ausnahmen. Ob Klimaschutz oder Spielplatzsanierung - die Sperre greift überall.

Im Folgenden die Liste der vorerst - wahrscheinlich bis Ende des Jahres mindestens - gestoppten Maßnahmen, jeweils mit Angabe der Kosten.

Die Radstation in der City sollte auf den 24/7-Betrieb ausgebaut werden. Der Ausbau stoppt jetzt aber. Denn die Maßnahme ist von der Haushaltssperre betroffen.
Die Radstation in der City sollte auf den 24/7-Betrieb ausgebaut werden. Der Ausbau stoppt jetzt aber. Denn die Maßnahme ist von der Haushaltssperre betroffen. © Laura Sobczyk

PV-Anlagen und Lippe-Radweg

Im ersten Teil der Liste der Lüner Entbehrungen finden sich die gestoppten konsumptiven Maßnahmen, die also im laufenden Haushaltsjahr von Nutzen sein sollten. Dadurch lassen sich 657.000 Euro einsparen.

  • Erneuerung des Fuß- und Radwegs am nördlichen Lippeufer, eine Gemeinschaftsmaßnahme mit dem Lippeverband: 70.000 Euro.
  • Externe Begleitung bei der Machbarkeitsstudie Gestaltungssatzung Lünen-Horstmar: 30.000 Euro.
  • Sanierung des Straßenbaumbestandes und des Stellplatzkonzeptes im Geistviertel: 250.000 Euro.
  • 100 Bäume an die Bürgerschaft: 30.000 Euro.
  • Aufstellung LoRa-WAN Gateways im Stadtgebiet. Dabei handelt es sich um die Netzwerktechnologie Long Range Wide Area Network. Sie ermöglicht die Übertragung kleiner Datenpakete etwa über den Füllstand von Mülltonen bei geringem Energieverbrauch und ist eine wichtige Kerntechnologie zahlreicher Smart-City-Projekte: 3000 Euro.
  • Ausstattung von Rettungszufahrten mit Sensorik: 5000 Euro.
  • Bodenfeuchtigkeitssensoren über LoRa-WAN im Stadtgebiet: 5000 Euro.
  • Outdoor-Display-Stelen: 5000 Euro.
  • Weitere „Smart Stadtmöbel“: 5000 Euro.
  • Ausrüstung des Radparkhauses Innenstadt mit einem elektrischen Chip-Zugangssystem: 42.000 Euro.
  • Güterverkehrslenkungskonzept: mindestens 40.000 Euro.
  • Neujustierung der Lichtsignalanlagen zur Verbesserung des Verkehrsflusses: mindestens 40.000 Euro.
  • Verbesserung der Sicherheit im Umfeld von Schulen: Externe Beratung bei der Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen des schulischen Mobilitätskonzeptes: rund 50.000 Euro.
  • Kommunales Photovoltaik-Förderprogramm aus dem Klimaschutzkonzept: 20.000 Euro.
  • Expertengruppe Regenwasser, eine weitere Maßnahme aus dem Klimaschutzkonzept: 2000 Euro.
  • Solarenergie in privaten Haushalten aus dem Klimaschutzkonzept: 16.000 Euro.
  • Städtisches Förderprogramm zur Dach- und Fassadenbegrünung: 14.000 Euro.
  • Catering und Rahmenprogramm für den Abschlussworkshop des Kulturplans fallen weg, die Veranstaltung wird aber durchgeführt: 3000 Euro.
  • Unterstützung Freie Kulturschaffende (Förderungen, die noch nicht beantragt wurden): 7000 Euro.

Kaskade bis Schotterplatz

Der zweite Teil der Liste enthält investive Maßnahmen, die einen längerfristigen Nutzen stiften sollen. Einsparpotenzial unterm Strich: 924.000 Euro.

Der Verzicht oder eine Verschiebung dieser investiven Maßnahmen führt zwar

nicht unmittelbar zu einer Verbesserung des Haushaltsergebnisses, wie in der Sitzungsvorlage der Kämmerei zu lesen ist. Die Kosten der Geldbeschaffung, insbesondere der laufende Zinsaufwand für die Kredite, reduziere sich aber.

  • Sanierung der Kaskade am Cappenberger See: 180.000 Euro.
  • Sanierung des Spielplatzes Nordpark in Brambauer: 325.000 Euro.
  • Umstrukturierung der Schotterfläche des Gymnasium Altlünen: 337.000 Euro. Maßnahmen in Höhe von 40.000 Euro sind dort schon beauftragt.
  • Ausbau der Ost-West-Trasse für den Radverkehr: 20.000 Euro.
  • Ausstattung von Rettungszufahrten mit Sensor-Technologie: 10.000 Euro.
  • Weitere Ausstattung des Mitmach-Raums an der Marktstraße in der City: 2000 Euro.
  • Bodenfeuchtigkeitssensoren über LoRa-WAN im Stadtgebiet: 10.000 Euro.
  • Outdoor-Display-Stelen: 20.000 Euro.
  • Weitere Smart-Stadtmöbel: 10.000 Euro.
  • Technik-Investition im Heinz-Hilpert-Theater, durch die Energie- und Leihkosten zukünftig verringert werden sollen: 5000 Euro.
  • Ankauf von Kunstgegenständen gemäß Empfehlung der Ankaufkommission: 5000 Euro.

Die Schotterfläche an der Rudolph-Nagell-Straße soll umgestaltet werden. Die aktuelle Haushaltssperre macht aber erst einmal einen Strich durch diese Rechnung.
Die Schotterfläche an der Rudolph-Nagell-Straße soll umgestaltet werden. © Stadt Lünen

Besonders ärgerlich für Kämmerer André Jethon und für alle Bürgerinnen und Bürger, die besonders unter den jetzt eingefroren Maßnahmen leiden: Eigentlich war Lünen bereits auf einem guten Weg, nachdem Jethon im Juni 2023 sein Programm „Lünen steuert gegen“ eingeleitet hatte – ein Maßnahmenpaket zur strategischen Haushaltskonsolidierung. „Erste wichtige Erfolge“ seien bereits erzielt worden, sagt Jethon. Ohne sie sei es gar nicht möglich gewesen, für 2024 einen genehmigungsfähigen Haushaltsplan aufzustellen. Allerdings würde das durch schmerzhafte Einschnitte Erreichte immer wieder gleich aufgezehrt - durch neue Aufgaben, die Bund und Land den Kommunen aufbürden und durch steigende Kosten.

Eine echte Verbesserung, so Jethon, könne sich so nicht einstellen. Dennoch: „Wir nutzen alle Möglichkeiten“ - auch durch Steuertricks wie dem kleinen steuerlichen Querverbund, der ebenfalls Thema sein wird in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Donnerstag (26. 9.). Für Lünens Kämmerer steht aber fest: „Wenn hier nicht bald konkrete, echte Hilfe für die Kommunen kommt“, dabei blickt er nach Land und Bund, „dann sehe ich nicht nur für Lünen schwarz“.