Nachdem drei Lüner Hausärzte in den vergangenen Jahren in Rente gingen und ihre Praxen ohne Nachfolger blieben, ist die Politik hellhörig geworden. Während einer gemeinsamen Sitzung beschäftigten sich der Seniorenbeirat und der Ausschuss für Bürgerservice und Soziales mit der Zukunft der hausärztlichen Versorgung. Aus erster Hand wollten die Mitglieder erfahren, ob auf Dauer genügend Hausärzte und -ärztinnen in Lünen tätig sein werden. Dazu hatten sie am Dienstag (19.3.) Leonie Steffen von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) eingeladen.
Anhand von Statistiken lautet ihr Fazit: Noch stehe Lünen ganz gut da, doch es gibt bereits einen Nachwuchsbedarf an Hausärzten. Der wird sich verschärfen. In den kommenden Jahren werden nicht genug junge Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung stehen. Zudem verändern sich die Arbeitsbedingungen.

„Versorgung nicht schlecht“
Der Bedarfsplan für Hausärzte bezieht sich auf den sogenannten Mittelbereich, der die Städte Lünen und Selm mit 113.000 Einwohnern umfasst. Weil ein Hausarzt statistisch gesehen für 1766 Menschen zuständig sein soll, sollten in Lünen und Selm rein rechnerisch für die optimale Versorgung 64 Mediziner tätig sein. Zurzeit sind es 61, das entspricht 58 Vollzeitäquivalenten, das heißt Vollzeitarbeitskräften. Der Versorgungsgrad liegt bei 90,6 Prozent, was Steffen als „gar nicht so schlecht“ einstuft. Eine Vollzeitstelle sei momentan unbesetzt. Sorgen bereitet allerdings die Altersstruktur.
Aktuell sind in Lünen und Selm 61 Hausärzte tätig, davon sind 23 (37,7 Prozent) über 60 Jahre und 21,3 Prozent über 65 Jahre alt. Betrachtet man Lünen gesondert, sind von den 50 Hausärztinnen und -ärzten sogar 20 und damit 40 Prozent über 60.
Bedarf an Kinderärzten
Der Bedarfsplan der fachärztlichen Versorgung bezieht sich auf den gesamten Kreis Unna. Die Altersstruktur ist günstiger als bei den Hausärzten: Bei den Fachärzten sind 29,5 Prozent über 60. Der Versorgungsgrad ist höher: Er liegt bei über 110 Prozent. Es gibt aber eine Ausnahme: die Kinder- und Jugendärzte. Statistisch gesehen fehlt hier eine Vollzeitstelle. Bei den Nervenärzten gibt es Bedarf für 0,25 Stellen und bei den Psychotherapeutinnen und -therapeuten für 0,75. Während die Hausärzte in Lünen und Selm mehrheitlich männlich und in kooperativen Strukturen tätig sind, sind die Fachärzte überwiegend weiblich und in Einzelpraxen tätig.
Interessant ist, wie sich junge Medizinstudierende ihre Zukunft vorstellen. Das ist in einem Berufsmonitoring erfragt worden. Danach wollen 92,5 Prozent Familie und Beruf gut vereinbaren können, 83,1 Prozent möchten geregelte Arbeitszeiten und 81,2 Prozent flexibel gestaltbare Arbeitszeiten. Zudem wollen sie in kooperativen Strukturen im Team mit anderen Ärztinnen und Ärzten arbeiten.
Studierende mit Familienorientierung sind eher an einer Tätigkeit im ambulanten Bereich interessiert, die ohne Kinderwunsch wollen eher in die Klinik. Der Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten und Bildungsmöglichkeiten sei daher für die
Gewinnung von Ärztinnen und Ärzten im ambulanten Bereich sehr wichtig, so Leonie Steffen. Die Kommune könne gute Rahmenbedingungen schaffen, um junge Ärzte und Ärztinnen zu gewinnen. Im Blick behalten müsse man bei dem Thema hausärztliche Versorgung aber auch, dass es einen Mangel an Medizinischen Fachangestellten gebe. Weil diese Kräfte fehlen, hätten schon Praxen schließen müssen.
Mehr Psychotherapeuten nötig
Fehlende Psychotherapeuten und -therapeutinnen sprach Britta Fehr-Günther (SPD) an. Die Planungszahlen seien 2019 erhöht worden, so Leonie Steffen. Allerdings sei in den letzten Jahren auch die Nachfrage gestiegen. Die Zahlen würden aber immer wieder angepasst. Zudem gebe es neuerdings Quotensitze. Die KVWL arbeite auch daran, weitere Plätze einzurichten. Kunibert Kampmann (GFL) nannte speziell einen Mangel an Kinder- und Jugendpsychiatern. Er sieht dort einen Riesenbedarf.