Landwirte bezeichnen Kuhmilch als eines der wertvollsten Nahrungsmittel, das der Mensch zu sich nehmen kann. Seit 1957 wird daher in vielen Ländern immer am 1. Juni der „Internationale Tag der Milch“ begangen und für das Naturprodukt geworben. Aber wie natürlich kann Kuhmilch eigentlich produziert werden, wo doch das Getränk an 365 Tagen im Jahr im Kühlregal der Supermärkte steht?
Aktivisten der Tierschutzorganisationen wie Peta verwenden meistens die Wörter Kuhmilch und Tierleid im selben Satz. Die Kritik: Das Leben der Milchkühe sei ein einziger Kreislauf aus meist künstlicher Befruchtung, Geburt, Wegnahme des Kalbes und dem Melken – danach würden die Kühe so schnell wie möglich erneut befruchtet und der Kreislauf beginne von vorn.
„Heimische Milchviehhaltung liegt mir am Herzen“
„Darf ich erst einmal tief durchatmen?“, fragt Hans-Heinrich Wortmann, als er mit diesem Vorwurf konfrontiert wird. Der Kreislandwirt aus Kamen ist im Kreis Unna so etwas wie ein Markenbotschafter und versteht sich darauf, ein positives Bild von der Agrarwirtschaft zu zeichnen. „Die heimische Milchviehhaltung liegt mir am Herzen“, bekennt er. Wortmann ist zugleich ein verständiger Mensch, weshalb er trotz des fast berufsehrenrührigen Anwurfs nicht aus der Fassung gerät.

„Kühe werden nicht künstlich tragend gehalten“, hält Wortmann fest. Richtig sei, dass Landwirte, die Milchvieh halten, bestrebt seien, dass ihre Kühe jedes Jahr kalben. Denn nur eine Kuh, die kalbe, gebe auch Milch. „Das ist aber ein normaler Zyklus wie in der freien Wildbahn“, sagt der Kamener.
Kühe sind neun Monate lang trächtig. Zwei Monate vor der Niederkunft werden sie nicht mehr gemolken, erklärt Hans-Heinrich Wortmann. Das Kalb könne nur so im Mutterleib vernünftig heranwachsen. „Landwirte nennen das ,Trockenstellen der Kuh‘ – das ist ganz wichtig“, betont der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Ruhr-Lippe.
Mutterkühe dürfen ihre Kälbchen säugen
Auch einige Tage nach dem Kalben legten Landwirte, die ihren Beruf verantwortungsvoll ausübten, keine Hand an ihre Milchkühe an. „Kälber müssen die Biestmilch bekommen, in der sehr viele Nährstoffe und Antikörper enthalten sind“, weiß Wortmann.
Erst wenn die Kälbchen ihre Abwehrstoffe über die Erstmilch aufgenommen hätten, könnten die Landwirte ihre Mutterkühe wieder melken. Die Kuh werde vier Wochen nach dem Kalben wieder brünftig und könne einen Bullen empfangen. „Das ist ein ganz normaler Vorgang.“

Hans-Heinrich Wortmann hält zum Tag der Milch daher auch ein leidenschaftliches Pläydoyer für den wichtigen Nährstofflieferanten. „Kühe geben nicht nur Milch, sie sind wahre Tausendsassa.“ Sie könnten als Wiederkäuer nicht nur die Nährstoffe im Gras aufschließen und somit über ihre Milch den Menschen zur Verfügung stellen.
„Hafermilch besteht am aller wenigsten aus Hafer“
Auch die sonst nicht anders verwertbaren Nebenproduke der Lebensmittelherstellung nutzen Kühe, erklärt Wortmann: „Von einem Kilogramm Hafer gelangen beispielsweise nur 300 Gramm in einen Haferdrink.“
Ja, räumt Hans-Heinrich Wortmann ein, es gebe diese Diskussionen. Aber er sieht die Ersatzprodukte ebenso kritisch. „Fast der gesamte Soja kommt aus Übersee zu uns“, gibt er die weiten Importwege zu bedenken. „Und schauen Sie sich einmal den ,Beipackzettel‘ bei Hafermilch an: Da ist am aller wenigsten Hafer drin.“
Als Sprecher der Landwirte muss Hans-Heinrich Wortmann natürlich Farbe für Kuhmilch bekennen. „Ich bin selbst leidenschaftlicher Milchtrinker – aber ich will auch Hafermilch nicht verteufeln.“