Unterstützung für Marion Küpper „Für mich steht Unschuldsvermutung im Vordergrund“

Von Kevin Kohues
Unterstützung für Marion Küpper: „Für mich steht Unschuldsvermutung im Vordergrund“
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Marion Küpper schwieg. Die umstrittene Politikerin aus Selm nahm zwar teil an der Kreistagssitzung, wirkte aber reichlich teilnahmslos. Die meiste Zeit richtete sie ihren Blick nach unten, auf ihr Handydisplay – während um sie herum der sprichwörtliche Sturm toste. Auf eine Haushaltsrede verzichtete sie ebenso wie auf jeden anderen Wortbeitrag. Doch es gab eine andere Rednerin, die für Küpper ein gutes Wort einlegte. Ein Blick zurück und nach vorn.

Wie berichtet, löste ein Mehrheitsbeschluss des Kreistages am Dienstag (13. Dezember) den Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz kurzerhand auf, nachdem sich die Fraktionen zuvor nicht auf die Ablösung Küppers als Vorsitzende hatten einigen können. Die Linke/UWG Selm hatte die nötige Zustimmung verweigert, der ebenfalls mit staatsanwaltlichen Ermittlungen konfrontierte Fraktionschef Hubert Seier von einem „absolut überzogenen“ und „in keinster Weise nachvollziehbaren“ Vorstoß gesprochen.

SPD-Fraktionschef Hartmut Ganzke ging Seier, der sich wie Küpper über die gesamte Sitzung in Schweigen hüllte, daraufhin verbal hart an und hielt eine Rede, die auch unter der Überschrift „Jetzt reicht‘s!“ hätte stehen können. Der Kreistag habe über ein Jahr lang viel mit sich machen lassen in der Hoffnung und Erwartung, dass die Betroffenen der Abrechnungsaffäre Verantwortung übernehmen und Demut zeigen würden. Doch nichts davon sei eingetreten.

Wohlgemuth: „Ich entscheide nach meinem Gewissen“

Im Kontext der immer wieder ins Feld geführten Unschuldsvermutung argumentierte Ganzke unter anderem mit der Verdachtskündigung im Arbeitsrecht, die er auf die Situation Küppers im Kreistag übertrug.

Bei der Verdachtskündigung begründet der Arbeitgeber die Kündigung damit, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren oder vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nötige Vertrauen zerstört. Das Vertrauen in Küpper, so Ganzke, sei schon lange zerstört, sie solle und dürfe den Kreistag deshalb nicht mehr als Vorsitzende eines Ausschusses repräsentieren.

Die große Mehrheit der Kreistagsmitglieder sah das genauso, doch es gab auch eine Gegenrede. Katja Wohlgemuth (Die Linke/UWG Selm) mahnte: „Wir müssen viel vorsichtiger sein mit Vorverurteilungen.“ Hier sei ein Mensch angeklagt, sie kenne natürlich die Zeitungsberichte. „Aber Weiteres haben wir nicht. Es sind viele Dinge passiert, von denen ich die Hintergründe nicht kenne und nicht weiß, worum es geht. Ich entscheide nach meinem Gewissen und für mich steht die Unschuldsvermutung im Vordergrund“, argumentierte Wohlgemuth.

Sie erwähnte in diesem Zusammenhang auch das Mittel der Vorbeugehaft in Bayern. Dort können Menschen bis zu zwei Monate lang festgehalten werden, um eine Straftat zu verhindern. „Ich habe große Sorge“, so Wohlgemuth, „dass wir all die Rechte, die wir uns nach dem Krieg erkämpft haben, wieder nach und nach verlieren.“

Herbert Goldmann Grüne im Kreistag Haushalt 2023 Rede Kreistag Unna
Herbert Goldmann (Grüne im Kreistag): „Es geht hier nicht um Einzelne, sondern um einen Schaden für den gesamten lokalen politischen Raum.“ © Kevin Kohues

Herbert Goldmann: „Absurde Einschätzung“

Die Mehrheitsmeinung war und ist freilich eine andere, was auch weitere Beiträge zur Debatte dokumentierten. Herbert Goldmann (Grüne im Kreistag) sprach von einer „absurden Einschätzung“ Marion Küppers, wonach kein Schaden entstanden sei. „Es geht hier nicht um Einzelne, sondern um einen Schaden für den gesamten lokalen politischen Raum“, so Goldmann. Und es gehe um ein starkes Signal des Kreistages, nachdem Frau Küpper ihren mangelnden Willen zu Transparenz und Konsequenz so deutlich gemacht habe.

In die gleiche Kerbe schlug Johannes Hofnagel (GfL/WfU), der sagte: „Es geht auch darum, sich vielleicht in gewissen Situationen zurückzunehmen und aus dem Mittelpunkt herauszunehmen, bis gewisse Dinge geklärt sind.“

Marion Küpper saß wenige Meter weiter und ließ es über sich ergehen, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Danach wurde abgestimmt und sie war ihren Ausschussvorsitz los. „Ich schlage vor, dass wir mit allen Fraktionen im nächsten Ältestenrat besprechen, wie es weiter geht“, sagte Landrat Mario Löhr mit Blick auf den nunmehr neu zu gründenden Ausschuss für Gesundheit und Verbraucherschutz.

Johannes Hofnagel (GfL/WfU) im Kreistag Unna
Johannes Hofnagel (GfL/WfU): „Es geht auch darum, sich vielleicht in gewissen Situationen zurückzunehmen.“ © Kevin Kohues

„Genügt nicht unseren Ansprüchen an die politische Integrität“

Bis Februar ist nun auf Kreisebene aber erstmal Sitzungspause. Marion Küpper hat allerdings nächste Woche noch einen Termin: Sie ist ab sofort Mitglied der Landschaftsversammlung, die am 20. Dezember in Münster zusammentritt. Angesichts dessen sah sich die Fraktion der Grünen im LWL veranlasst, am Donnerstag (15. Dezember) folgende Pressemitteilung herauszugeben:

„Timon Lütschen hat als Konsequenz der Abrechnungsaffäre im Kreistag Unna sein Mandat als Mitglied der Landschaftsversammlung niedergelegt. Seine Nachrückerin im Westfalenparlament ist Marion Küpper, der die Staatsanwaltschaft gewerbsmäßigen Betrug durch unrechtmäßig bezogene Verdienstausfallentschädigungen vorwirft.

Marion Küpper wurde nach der Kommunalwahl als Ersatzmitglied für Timon Lütschen im Falle seines Ausscheidens vom Kreistag Unna gewählt. Sie hat sich nun entschieden, das Mandat anzunehmen, sodass sie ab der Landschaftsversammlung am 20.12.2022 Mitglied sein wird.

Wir distanzieren uns von fragwürdigen Abrechnungspraktiken und stellen fest, dass dieses Verhalten nicht unseren Ansprüchen an die politische Integrität unserer Fraktionsmitglieder genügt. Daher wird die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Marion Küpper nicht als Fraktionsmitglied aufnehmen und nicht mit ihr zusammenarbeiten und hat ihr diesen Beschluss bereits im Vorfeld mitgeteilt.

Die Entscheidung von Marion Küpper für das Mandat erscheint auf dieser Grundlage nicht nachvollziehbar, da sie als Einzelmitglied ohne Zugehörigkeit zu einer Fraktion in den Ausschüssen nicht inhaltlich mitarbeiten kann.“

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