Parkplätze zu finden, ist manchmal eine Hürde, wenn es darum geht, pünktlich einen Termin wahrzunehmen. Daher parkt so mancher Autofahrer auch mal halb auf dem Bürgersteig. Das ist eigentlich verboten, zumindest dort, wo es nicht mit Schildern oder durch Markierungen auf dem Boden erlaubt ist. Die Ordnungsämter hätten in solchen Fällen rigoros Knöllchen verteilen können. Haben aber ab und an auch mal ein Auge zugedrückt, wenn es keine Beschwerden gab.
Jetzt hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bremen entschieden, dass dem Ordnungsamt ein Ermessensspielraum zusteht. Aber wann darf man denn nun auf dem Bordstein stehen und wann kann das Ordnungsamt Knöllchen verteilen, wenn ich halb auf dem Gehweg stehe mit meinem Auto? Und wie gehen die Knöllchenschreiber in Lünen und Selm mit „Falschparkern“ um?
In Lünen findet die Verkehrsüberwachung des ruhenden Verkehrs im gesamten Stadtgebiet statt. Dazu zählt auch die Kontrolle des unzulässigen Parkens auf Gehwegen. Lünens Stadtsprecher Daniel Claeßen antwortet auf Anfrage der Redaktion: „Im Jahr 2022 haben die Kolleginnen und Kollegen der Verkehrsüberwachung 227 Hinweise und Beschwerden von Lüner Bürgerinnen und Bürgern erhalten. Hiervon haben sich 43 auf das Parken auf Gehwegen bezogen.“ Eine Auswertung, ob halb oder ganz auf dem Gehweg geparkt wurde, sei leider nicht möglich. Auch besondere Schwerpunkte, also wo häufig verkehrswidrig halb auf Gehwegen geparkt wird, seien nicht auszumachen.
Bisher war die Stadt Lünen bemüht, eine Balance zwischen den Interessen der parkenden Menschen und denen der Nutzerinnen und Nutzern der Gehwege zu wahren, und hat daher in diesen Fällen auf Beschwerdelagen hin und durch eigene Feststellungen kontrolliert.
Nun geht aus dem Urteil des OVG Bremen hervor, dass das Ordnungsamt das halbseitige Parken auf dem Gehweg erlauben kann, wenn noch 1,50 Meter für Fußgänger frei bleiben. Wo das nicht der Fall ist, muss das Ordnungsamt nun also Knöllchen schreiben und kann kein Auge mehr zudrücken. Dazu sagt Daniel Claeßen: „In der Regel werden in Bereichen, die bisher nicht auf den Routen der Verkehrsüberwachungskräfte lagen, in der ersten Woche Hinweiskarten verteilt. Nach dieser 'Entwöhnung' werden die entsprechenden Fahrzeuge verwarnt. Sollten aber Rettungswege zugeparkt, Mindestbreiten oder -abstände nicht eingehalten sein etc., wird in Einzelfällen auch direkt eingegriffen.“

Auch in Selm wird innerhalb der Kontrollen darauf geachtet, wer unerlaubt auf Gehwegen parkt. „Dabei ist es unerheblich, ob das Fahrzeug halb oder ganz auf dem Gehweg steht“, sagt Selms Stadtsprecher Malte Woesmann auf Anfrage der Redaktion. Beim Ordnungsamt in Selm seien bisher regelmäßig Informationen über Gehweg-Parker eingegangen. Besonders häufig sind von den Beschwerden laut Malte Woesmann enge Wohngebiete betroffen. „Besonders betroffene Gebiete, wo dies überhand nimmt, gibt es jedoch nicht“, betont er.
Beim Thema Eingewöhnung verfährt das Selmer Ordnungsamt identisch zum Lüner Ordnungsamt. „Bei Einführung neuer Parkregelungen, beispielsweise neuer Parkverbote, werden zunächst für eine kurze Übergangszeit Hinweiszettel und nicht sofort Verwarnungen verteilt“, so Woesmann.
Wer also noch auf zu engen Gehwegen parkt, bei denen keine 1,50 Meter übrig bleiben für Fußgänger, muss nicht sofort ein Knöllchen befürchten, sollte sich aber um eine andere Parkmöglichkeit bemühen. Bei Gehwegen, bei denen diese Mindestbreite trotz des halbseitigen Gehwegparkens weiterhin gegeben ist, kann das Ordnungsamt also auch weiterhin großzügig sein.