
© Günter Blaszczyk
Gahmen: Einziger Ortsteil mit Angeboten für Jugendliche, aber ohne Nahversorgung
Stadtteil-Check
Die rote Laterne trägt Gahmen, gerade was Lebensqualität, Nahversorgung und Gastronomie anbelangt. Doch bei Wohnen und Jugend-Angeboten bekommt der Ortsteil überdurchschnittliche Noten.
Evelina (36) und Edis (44) Dzogovic wollen hier nicht mehr weg. Sie haben in Gahmen vor elf Jahren ein Grundstück gefunden und gebaut. Der Garten geht weit ins Grüne. „Man kann hier sehr gut wohnen“, sagen sie. Die obere Etage ihres Hauses ist vermietet. Mieter zu finden, sei kein Problem gewesen.
Evelina kommt ursprünglich aus Polen, Edis aus Bosnien. Beide haben einen deutschen Pass, wie ihre drei Kinder Dennis (13), Dzenan (11) und Dalila (3). Die Dzogovics freuen sich über gute Nachbarschaft, „es ist nicht so, dass zu den Zugezogenen Abstand gehalten wird“, erklärt Evelina Dzogovic. Hier ist man es gewohnt, mit Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern zu leben.
Gahmen gilt als „geteilter Stadtteil“: Da ist der Norden Richtung Kanal mit Eigenheimsiedlungen. Am Ortsausgang steht die Flüchtlings-und Obdachlosenunterkunft Auf dem Ringe. Auf dem ehemaligen Zechengelände ist ein Gewerbepark entstanden. Dann gibt es den Süden: Ab der Gahmener Senke dominieren Siedlungen mit Mietwohnungen. Durch das Neubaugebiet Mahlbach sind zusätzliche Eigenheime geschaffen worden. Am Lindeneck, unweit der Stadtgrenze zu Dortmund, verteilt die Tafel donnerstags Lebensmittel an Bedürftige.
Edis Dzogovic findet, dass sich der Ortsteil positiv verändert hat. Mit seinen Doggen Garo und Ella ist er jeden Tag unterwegs. Die Halde, der neue Park hinter dem Bürgerzentrum (BÜZ), der früher nur Dickicht war, der Bereich am Fußballplatz: „Es gibt viel Grün. Das hat sich doch hier um 180 Grad gedreht.“
In der Tat hat die Stadt investiert. Aus dem Programm „Soziale Stadt“ sind seit 2009 3,4 Millionen Euro abgerufen worden. Sie flossen in das BÜZ an der Kümperheide, in neue Wegeverbindungen und Spielplätze. Weitere 281.000 Euro sollen den Umbau der Halde Victoria 3/4 in ein Sport- und Naherholungsgebiet vorantreiben.
In Gahmen gibt es die älteste Stadtteilkonferenz. Vertreter von 25 Institutionen und Vereinen kümmern sich um Verbesserungen in dem jüngsten Ortsteil der Stadt: Hier leben mit 21 Prozent die meisten Kinder.
Das wurde (noch) positiv bewertet:
Jugend: Insgesamt haben die 29 Gahmener, die am Stadtteilcheck teilgenommen haben, das Thema mit fünf von zehn Punkten bewertet. Stadtweit gab es vier Punkte. Die Dzogovics schätzen das Angebot. Die Söhne, Schüler der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule, spielen Kicker im Jugendcafé, Tischtennis, Billard oder Basketball. Sie sind auch auf dem Spielplatz Kaubrügge, wie ihre Schwester Dalila. „Es gibt genug Aktivitäten“, sagt Evelina Dzogovic zu dem Jugendcafé am BÜZ, das von den Wohnungsunternehmen Bauverein und Grand City Property (GCP) unterstützt wird. In den Sommerferien ist dort eine Woche „Spielspaß“, gefördert von der Evangelischen Kirchengemeinde.

Daten und Fakten zum Stadtteil Gahmen. © Hasken
Das Jugendcafé sei zum Treffpunkt geworden und habe informelle Treffen der Jugendlichen ersetzt, erklärt Ulrich Barz, stellvertretender Abteilungsleiter Jugend, Hilfen und Förderung bei der Stadt Lünen. Auch das BÜZ sei inzwischen fest verankert und schaffe vielfältige Möglichkeiten der Begegnung, vom gemeinsamen Nähen über Theaterspielen bis hin zu offenen Festen, so BÜZ-Leiterin und Quartiersmanagerin Regina Hunschock.
Wohnen:
Starke acht Punkte (stadtweit sechs) bekommt das Thema. Familie Dzogovic sagt: „Wenn das hier eine schlechte Gegend wäre, wären wir nicht hergezogen.“ Man könne gut wohnen, auch an der Gahmener Straße. Die zieht sich durch den gesamten Ortsteil, weitgehend mit Tempo 30. Ulrich Barz führt die Bewertung auf die günstigen Mieten zurück. In der Siedlung am Hirtenweg gebe es preiswerten Wohnraum mit vier bis fünf Zimmern für Familien, die Neubausiedlung Mahlbach ermögliche bezahlbare Eigenheime. Regina Hunschock berichtet von zugezogenen Dortmundern, die am Krähenort den Blick aufs freie Feld wollten. Auch für Studenten seien Mietpreise und schnelle Anbindung nach Dortmund attraktiv, so Barz.
Was negativ bewertet wurde:
Nahversorgung:
Dass der Stadtteil hier den schlechtesten Wert einfährt, ist kein Wunder. Es gibt keine Nahversorgung mehr. Der Kiosk hat sich darauf eingestellt und bietet Kleinigkeiten an. Evelina Dzogovic fährt jede Woche zum Großeinkauf nach Lünen. „Wenn zwischendurch etwas fehlt, ist das ein Problem vor allem für Leute ohne Auto.“
Als die Sparkasse ihren Geldautomaten abbaute, schloss der kleine Lebensmittelladen und später auch die Bäckerei Kanne. Es kamen mal einige Marktstände, doch auch diese hielten sich nicht. Versuche, einen Nachbarschaftsladen mit Ehrenamtlichen zu etablieren, scheiterten. „Hauptproblem ist die Trennung von Nord- und Süd-Gahmen. Anwohner aus Nord-Gahmen würden nicht in einen Nachbarschaftsladen nach Süd-Gahmen fahren“, sagt SPD-Ratsherr Hans-Georg Fohrmeister. Denn bei fast gleicher Entfernung seien sie schnell bei Einkaufsmöglichkeiten an der Kupferstraße, in der City oder in Lünen-Süd mit größerer Auswahl und günstigeren Preisen. Anwohner aus Gahmen-Süd erreichen per Auto oder Rad Lünen-Süd und Dortmund-Derne. Problematisch ist die Situation für Senioren oder Behinderte.
Sauberkeit:
Gahmener kritisieren „viele wechselnde Müllstellen“ und nehmen die Hirtenwegsiedlung ins Visier: „Dreckig und ungepflegt“, heißt es dazu. Die Stadt erklärt, dass die Wirtschaftsbetriebe Lünen (WBL) neben der regelmäßigen Straßenreinigung einmal wöchentlich zu Fuß in der Hirtenwegsiedlung und am BÜZ unterwegs seien. Die Umweltwerkstatt setze Kräfte zur Stadtbildpflege ein, allerdings nicht mehr im Hirtenweg. Sie seien dort mehrfach angepöbelt, beleidigt und mit Müll beworfen worden, so die Stadt. Eine Sprecherin des Wohnungsunternehmen Grand City Property (GCP), das dort 150 Wohnungen vermietet, erklärte: In den letzten Wochen sei eine Vielzahl an Maßnahmen zur Verbesserung der Pflege von Grün -und Außenflächen sowie der Sauberkeit umgesetzt worden. Dazu gehörten eine Neustrukturierung des Müllmanagements, neue Pflegepläne für den Außenbereich und Wechsel einiger Dienstleister. Dies habe zu sichtbaren Verbesserungen geführt.
Dass GCP die Siedlung in Gahmen wichtig sei, zeigten umfangreiche Investitionen in die Häuser. GCP engagiere sich auch für die Nachbarschaft durch Unterstützung des Jugendcafés und regelmäßige Mieteraktionen.
Dennoch fällt Sperrmüll auf, auch an den Standorten für Müllbehälter. Die Stadt erklärt: „Wenn uns das gemeldet wird, wird es möglichst zeitnah entfernt.“

Das Foto zeigt die Gahmener Straße Richtung Norden. Rechts geht es in die Bahnstraße. Zu erkennen ist die Kanalbrücke und im Hintergrund die Silhouette von Lünen. © F. Coers, Sammlung Stadtarchiv
Von der Bauerschaft zum Bergbau
Die Bauerschaft Gahmen gehörte dem Bischof zu Münster. 1285 wurde sie dem Stift Cappenberg übereignet. 1815 kam Gahmen zum Amt Lünen. Die Höfe Schulz-Gahmen und Goertz gehören heute zum Osterfeld. 1891 investierte die Harpener Bergbau AG in eine Zechenanlage und nannte sie „Preußen I“. Sechs Jahre später begann die Kohleförderung. Für Bergleute wurden Häuser entlang der Gahmener Straße und der Karlstraße errichtet. 1926 stellte Schacht I der Zeche Preußen die Förderung ein. Später baute die Zeche Gneisenau unter Gahmen Kohle ab. Bergschäden waren die Folge. 1985 beendete Gneisenau die Förderung. Auf dem ehemaligen Zechengelände in Gahmen steht heute ein Gewerbegebiet. Lünen ist eine Stadt mit unterschiedlichen Facetten. Nah dran zu sein an den lokalen Themen, ist eine spannende Aufgabe. Obwohl ich schon lange in Lünen arbeite, gibt es immer noch viel zu entdecken.
