Firmenchefs zu Poller-Experiment an Münsterstraße „Ich sehe mich hier schon Erste Hilfe leisten“

Unternehmen zu Poller-Experiment: „Ich sehe mich hier schon Erste Hilfe leisten“
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Für fünf Wochen ist der Bereich zwischen Kurt-Schumacher-Straße und Persiluhr eine Sackgasse. Zwei Poller halten Autos und Lkw nun davon ab, die untere Münsterstraße als Durchgangsweg zu nutzen, um beispielsweise die Ampeln auf dem City-Ring zu umgehen. Die ansässigen Unternehmen sind von der neuen Situation unmittelbar betroffen. Sie können ihre Firmen zwar weiterhin erreichen. Doch komplett zufrieden mit dem Experiment zeigen sie sich nicht.

Vor allem bei einem Aspekt häufen sich die Kritikpunkte: der Wendebereich direkt vor den Pollern. Am ersten Tag hätten die Ladenbesitzer einige „brenzlige Situationen“ beobachtet. Autos, die plötzlich vor den Sperrungen standen und teilweise mühselig umdrehen mussten. Andere Fahrzeuge, die dann von hinten kamen, sowie Fußgänger und Radfahrer von allen Seiten, machten die Lage unübersichtlich.

Wenn gleich mehrere Auto im neuen Wendehammer drehen müssen, wird es manchmal eng.
Wenn gleich mehrere Auto im neuen Wendehammer drehen müssen, wird es manchmal eng. © Freynhofer

„Ich sehe mich hier schon bald Erste Hilfe leisten“, ist sich Tobias Weinmann sicher. Er leitet den Unverpacktladen „Füllharmonie“ und hat durch die große Fensterfront einen guten Blick auf die neue Sackgasse. „Da wurde fast ein Radfahrer umgenietet, als ein Auto rückwärts drehen wollte. Ich weiß nicht, ob das lange gut geht“, sagt er. Gerade zu Stoßzeiten, etwa in den Morgenstunden und nach Feierabend, schätzt er das Verkehrsaufkommen am höchsten ein. Bevor die Poller standen, zählte er teilweise bis zu 250 Autos.

Am Montagnachmittag seien es rund 40 Fahrzeuge gewesen, die sich noch nicht an die neue Lage gewöhnt hatten. „Dieser Wendehammer ist auch für unseren Laden ziemlich blöd.“ Vor der Tür hat der Unternehmer zwei Sitzmöglichkeiten mit Stühlen und einer Bank aufgebaut für seine Kunden. „Wenn man möchte, dass sich Menschen dort wohlfühlen, ist das nicht ideal“ sagt Weinmann und blickt nach draußen, wo das nächste Auto wieder umdrehen muss.

Beschilderung verbessern

Auch das Ehepaar Dahms im Friseurgeschäft gegenüber beobachtete am ersten Tag des Stadtexperiments, dass laufend Autos im fließenden Rad- und Fußgängerverkehr rangieren mussten. Ihre Tochter Nicole Seifi blickt etwas sorgenvoll auf das Infoschild vor dem Geschäft sowie die Tische und Stühle im Wendehammer.

Ralf Blomenkemper vom gleichnamigen Spielwarenladen ist sich sicher, dass zumindest die Spediteure lernfähig seien. „Es gibt ja noch andere Stellen in Lünen, wo sie nicht so dran kommen. An deren Stelle würde ich die Sachen von dort mit der Sackkarre in die Straße bringen“, sagt er und zeigt auf die Kreuzung Münsterstraße/Cappenberger Straße.

Jetzt sei die Situation noch ein bisschen abenteuerlich, auch durch die neue Beschilderung. Das „Durchfahrt-Verboten“-Schild vor der Bären-Apotheke würde er gern abgedeckt sehen. „Und man müsste vielleicht auch ein deutliches Schild machen, dass Fahrzeuge mit Anhänger hier vielleicht nicht reinfahren sollten und 7,5 Tonnern die Einfahrt verbieten. Wenn die sich hier festfahren, ist Chaos.“

Ralf Blomenkemper sieht das Stadtexperiment positiv. Doch an der Beschilderung könnte man noch arbeiten, findet er.
Ralf Blomenkemper sieht das Stadtexperiment positiv. Doch an der Beschilderung könnte man noch arbeiten, findet er. © Freynhofer

Skeptisch blicken die Unternehmen vor Ort auf die vielen Anlieferungen für ihre Geschäfte, die in den kommen fünf Wochen anstehen. Wenn es um die Menge geht, steht das Hotel an der Persiluhr wohl ganz oben. Betreiberin Carola Deinhart-Auferoth nennt hier etwa die großen Lastwagen für Getränke, Wäsche, Lebensmittel und die Müllabfuhr. Für solche Fälle wurde den ansässigen Firmen ein Dreikantschlüssel angeboten, mit dem sie die Poller herausheben und wieder einsetzen können. „Mal gucken, wie das läuft“, sagt die Hotelbesitzerin.

Carola Deinhart-Auferoth vom Hotel an der Persiluhr würde sich wünschen, dass die Münsterstraße wieder zu einem verkehrsberuhigten Bereich wird.
Carola Deinhart-Auferoth vom Hotel an der Persiluhr würde sich wünschen, dass die Münsterstraße wieder zu einem verkehrsberuhigten Bereich wird. © Freynhofer

Monika Dahms sieht die Sache nicht ganz so entspannt. „Ich weiß nicht, wie ich das machen soll, wenn ich allein im Laden bin, Kunden da sind und ich die Sperrung aufschließen muss. Ich kann die Kunden hier ja nicht allein lassen“, so die Inhaberin von „Dahms Friseurbedarf für Jedermann“. Sie schlägt vor, dass die Poller bis zu einer gewissen Uhrzeit vielleicht offen gelassen werden. Denn Lieferanten würden ja meist bis 11 Uhr kommen. Im gleichen Atemzug verwirft sie die Idee aber wieder: „Das wird hier wahrscheinlich nicht funktionieren.“ Ihre Tochter Nicole Seifi bringt Poller, die sich in den Boden fahren lassen und per Knopfdruck bedient werden können, auf den Tisch.

Erst beobachten, dann urteilen

Das Ehepaar Dahms wolle sich die Situation nun aber erst einmal für mehrere Tage genauer anschauen. „Man soll nicht vorher urteilen. Es ist ja schon positiv zu sehen, dass man sich um diesen Teil der Münsterstraße kümmert“, sagt Helmut Dahms. Dem stimmt auch Ralf Blomenkemper zu. „Ich finde es gut, dass die Stadt das hier probiert. Man muss Erfahrungen sammeln. Wir sind froh, dass der Fokus mal auf uns liegt. Es wurde ja 40 Jahre nix gemacht.“ Seine Mitarbeiterin Karin Faust fügt direkt an: „Bloß kein Stillstand, immer mal was anderes ausprobieren.“

Monika und Helmut Dahms wollen sich die Lage um die neuen Poller in den kommenden Wochen ganz genau anschauen und dann ein Urteil fällen.
Monika und Helmut Dahms wollen sich die Lage um die neuen Poller in den kommenden Wochen ganz genau anschauen und dann ein Urteil fällen. © Freynhofer

Dass das Stadtexperiment nur fünf Wochen geht, ist für Tobias Weinmann viel zu kurz. „Auf das Ende freuen sich doch alle. Und dann wird es wieder wie vorher sein“, ist sich der Ladenbesitzer sicher. Wenn es nach ihm geht, sollten die Poller deutlich länger stehen. „Ich würde das durchziehen bis zum Jahresende. Nach fünf Wochen haben sich die Leute noch nicht daran gewöhnt.“

Perspektivisch sieht er auch eine andere Lösung für die untere Münsterstraße. „Vielleicht sollte man das hier wieder in eine Fußgängerzone umwandeln. Viele wissen auch gar nicht, was Anlieger genau heißt. Die Schilder müssten hier besser gewählt werden, dann dürfte das auch alles funktionieren.“

Bessere Abtrennung für Verkehr

Eine ähnliche Meinung vertritt auch Carola Deinhart-Auferoth. „Die Poller halte ich nicht für notwendig. Wir haben ja einen anderen Vorschlag gemacht, die Münsterstraße in eine verkehrsberuhigte Zone zurückzuführen, so wie es ursprünglich mal war.“ 2020 hatte die Stadt den Bereich zu einer Fahrradstraße umfunktioniert. Die Hotelinhaberin würde sich wünschen, dass wieder Schrittgeschwindigkeit für alle Verkehrsteilnehmer gilt - auch, um die gegenseitige Rücksichtnahme zu fördern. „Radfahrer und Fußgänger müssen immer ausweichen auf andere Bereiche. Es ist nicht klar ersichtlich, wo wer fahren kann und soll.“

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